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  • · Fachbeitrag · Straßenverkehrsgefährdung

    Tatsächliche Feststellungen bei Straßenverkehrsgefährdung

    Bei einer Verurteilung wegen einer Straßenverkehrsgefährdung muss sich aus den tatsächlichen Feststellungen der sog. „Beinahe-Unfall“ ergeben (BGH 22.3.12, 4 StR 558/11, Abruf-Nr. 121195).

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der Angeklagte hatte einen Blutalkoholgehalt von mindestens 1,35 Promille, als er mit seinem Pkw ein Stopp-Schild überfuhr. Es kam beinahe zu einem Zusammenstoß mit dem Kleinbus des V., der die vorfahrtberechtigte Straße befuhr. Später stieß der Angeklagte an einen eisernen Begrenzungspfosten und riss diesen um. Das LG hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB verurteilt. Die Verurteilung hatte beim BGH keinen Bestand.

    Die erforderliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert wird durch die Feststellungen des LG nicht belegt. Nach gefestigter Rechtsprechung muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt haben, in der - was nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (BGH NJW 95, 3131 zu § 315c StGB, NJW 96, 329 zu § 315b StGB). Da für den Eintritt des danach erforderlichen konkreten Gefahrerfolgs das vom Angeklagten geführte fremde Fahrzeug nicht in Betracht kommt (vgl. BGH NStZ 99, 350, 351), auch der Verkehrswert und die Höhe des Schadens an dem Begrenzungspfosten nicht festgestellt sind (vgl. OLG Stuttgart DAR 74, 106, 107; OLG Jena OLGSt § 315c StGB Nr. 16), kommt es auf die Begegnung mit dem Kleinbus an. Es müsste ein „Beinahe-Unfall“ vorliegen. Ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, „das sei noch einmal gut gegangen“ ist aber nicht mit Tatsachen belegt. Dass sich beide Fahrzeuge beim Querverkehr in enger räumlicher Nähe zueinander befunden haben, genügt für sich allein nicht. Auch ergeben die Feststellungen nicht, dass es etwa nur aufgrund überdurchschnittlich guter Reaktion im allerletzten Moment gelungen ist, eine sonst drohende Kollision durch Ausweichen zu vermeiden.

     

    Praxishinweis

    Eine Straßenverkehrsgefährdung i.S. des § 315c StGB setzt - wie der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB - u.a. eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder für eine fremde Sache von bedeutendem Wert voraus. Dazu, wann diese vorliegt, hat der BGH in der letzten Zeit häufiger Stellung nehmen müssen und dabei seine Rechtsprechung zum „Beinahe-Unfall“ aus den Jahren 95 und 96 bestätigt (dazu u.a. BGH VA 11, 190 und VA 12, 65, jeweils m.w.N.). Auf die Einhaltung dieser Vorgaben ist insbesondere bei amtsgerichtlichen Entscheidungen zu achten. Diese kranken häufig daran, dass nicht ausreichende Feststellungen zum Beinaheunfall getroffen werden.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2012 | Seite 100 | ID 33466930