· Fachbeitrag · Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr
Vollendung beim „Beschädigen einer Anlage“
Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr in der Form des Beschädigens einer Anlage i.S. von § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt erst vor, wenn es zu einer über eine abstrakte Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs hinausreichenden konkreten Gefährdung eines der in § 315b Abs. 1 StGB bezeichneten Individualrechtsgüter gekommen ist (BGH 26.7.11, 4 StR 340/11, Abruf-Nr. 113253). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Die Angeklagte hatte einen anderen dazu veranlasst, am Pkw ihres Vaters einen Bremsschlauch anzuschneiden. Dadurch wurde die Wirkung des Bremssystems bei scharfen Bremsungen um bis zu 50 Prozent vermindert. Außerdem kam es zu einer Verlängerung des Bremspedalwegs. Die Angeklagte und der Haupttäter wollten so einen Verkehrsunfall des Vaters und dessen Verletzung erreichen. Als der Vater die fehlende Bremswirkung bemerkte, konnte er den Pkw mit der Handbremse zum Stehen bringen. Das LG hatte die Angeklagte u.a. wegen Anstiftung zu einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gem. § 315b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3; § 26 StGB verurteilt. Ihre Revision hatte Erfolg.
Der BGH ist von einem nur versuchten gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr in der Form des „Beschädigens einer Anlage“ gem. § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB ausgegangen. Vollendung liegt in den Fällen des § 315b StGB erst vor, wenn durch eine der in den Nrn. 1 bis 3 genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von besonderem Wert verdichtet hat. Die Feststellungen des LG belegen nicht, dass das Anschneiden des Bremsschlauchs (§ 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB) zu einer konkreten Gefährdung eines der in § 315b Abs. 1 StGB bezeichneten Individualrechtsgüter gekommen ist. Aus den Feststellungen des LG ergibt sich nur, dass der Vater der Angeklagten bei der Betätigung des Bremspedals zwar anfänglich keine Bremswirkung verspürte, dann aber sein Fahrzeug doch noch mit der eigenen Bremsanlage rechtzeitig zum Stehen brachte. Dass es dabei zu einer hochriskanten, praktisch nicht mehr beherrschbaren Verkehrssituation gekommen wäre, die dem Bild eines „Beinahe-Unfalls“ entspricht, kann dem Urteil nicht entnommen werden. Die bloße Inbetriebnahme eines Fahrzeugs mit beschädigter Bremsanlage reicht für die Annahme einer konkreten Gefahr nicht aus.
Praxishinweis
Wir haben schon häufiger über den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB berichtet (grundlegend u.a. BGH VA 06, 161). Entscheidend ist immer das Vorliegen eines sog. Beinaheunfalls (vgl. dazu BGH VA 11, 155 und BGH VA 07, 127 - zum Lösen von Radmuttern). Liegt der nicht vor, kommt allenfalls Versuchsstrafbarkeit in Betracht. Die Ausführungen des BGH und seine Rechtsprechung haben im Übrigen auch für § 315c StGB Bedeutung. Denn auch dort wird eine „konkrete Gefahr“ vorausgesetzt. Auch hier muss also ein Beinahe-Unfall vorliegen, wenn Vollendung eingetreten sein soll.