· Nachricht · Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
Keine Unfallflucht in Einkaufswagenfällen
| Wird auf dem Parkplatz eines Supermarkts ein Pkw duch einen wegrollenden Einkaufswagen beschädigt, macht sich der Schädiger nicht wegen Unfallflucht strafbar, wenn er sich von der Unfallstelle entfernt, ohne Feststellungen zu ermöglichen. |
Das folgt aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Dortmund (1.9.20, 723 CS 276/20). In dem Fall hatte der Angeschuldigte in einem Einkaufszentrum eingekauft. Während er seine Einkäufe in den Kofferraum sines Pkw lud, rollte der von ihm genutzte Einkaufswagen gegen das Fahrzeugheck des gegenüber geparkten BMW. An der Heckklappe dieses Fahrzeugs entstand ein Sachschaden in Höhe von ca. 1.300 EUR. Obwohl der Angeschuldigte den Unfall bemerkte und den Einkaufswagen von dem beschädigten PKW zurückholte, entfernte er sich von der Unfallstelle, ohne die erforderlich gewordenen Feststellungen zu ermöglichen.
Das Amtsgericht Dortmund lehnte es jedoch ab, einen Strafbefehl zu erlassen. Es bestehe kein hinreichender Verdacht einer Straftat. Das dem Angeschuldigten im Strafbefehlsantrag zur Last gelegte Verhalten erfüllt nicht den Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort). Bei dem zugrundeliegenden Vorfall handelt es sich nämlich nicht um einen Unfall im Straßenverkehr im Sinne der Vorschrift.
Unter einem „Unfall im Straßenverkehr“ ist nach allgemeiner Ansicht ein plötzliches, unerwartetes Ereignis im Verkehr zu verstehen, in dem sich ein verkehrstypisches Schadensrisiko realisiert und das einen nicht nur völlig belanglosen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat. Allgemein anerkannt ist hierbei insbesondere auch, dass für die Annahme eines Unfalls im Straßenverkehr „nicht jedwede ursächliche Verknüpfung des Schadensereignisses mit dem Verkehrsgeschehen“ ausreicht. Vielmehr ist nach dem Schutzzweck der Norm ein straßenverkehrsspezifischer Gefahrzusammenhang zu verlangen. Es müssen sich also in dem Verkehrsunfall gerade die typischen Gefahren des Straßenverkehrs verwirklicht haben. An einem solchen straßenverkehrsspezifischen Gefahrzusammenhang fehlt es nach Auffassung des Gerichts in „Einkaufswagen“-Fällen wie dem vorliegenden. Der Unfall ist nicht spezifisch Ausdruck jener Gefahren, die mit der Fortbewegung eines Fahrzeugs im Sinne der StVO verbunden sind.
Es spricht bereits der Wortlaut dafür, einen Straßenverkehr nur dort anzunehmen, wo willensgetragene Fortbewegung stattfindet. Ein Unfall im Straßenverkehr kann dementsprechend überhaupt nur dort angenommen werden, wo das Unglück Folge willentlicher Fortbewegung wenigstens eines Beteiligten ist. Denn „Verkehr“ findet begrifflich nicht bereits dort statt, wo Gegenstände (mögen sie auch grundsätzlich Fortbewegungszwecken dienen) ‒ etwa aufgrund unzureichender Sicherung, äußerer Witterungseinflüsse u.ä. ‒ „von sich aus“ in Bewegung geraten; sie „verkehren“ damit noch nicht. Dies ist vielmehr erst dann der Fall, wenn ihre Bewegung auch von einem entsprechenden menschlichen Fortbewegungswillen getragen wird. Gerade mit dem ziel- und zweckgerichteten Ingangsetzen eines Bewegungsvorgangs beschwört der Betreffende auch die ihm spezifisch innewohnende ‒ und nicht nur äußerlich durch Hinzutreten weiterer unbeabsichtigter (Umwelt-)Einflüsse ‒ Gefahr von Kollisionen mit anderen Objekten unmittelbar herauf.