· Fachbeitrag · Verwerfungsurteil
Ausbleiben aufgrund unrichtiger Auskunft des Verteidigers
Im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren kann ein Ausbleiben zu einem Gerichtstermin auch als entschuldigt anzusehen sein, wenn es auf einem — auch unrichtigen oder rechtsirrigen — Rat oder Hinweis des Verteidigers beruht (LG Frankfurt/Oder 23.10.12, 22 Qs 104/12, Abruf-Nr. 123635). |
Praxishinweis
Der Betroffene war zur Hauptverhandlung nicht erschienen, weil sein Verteidiger ihm mitgeteilt hatte, dass das wegen des gestellten Ablehnungsgesuchs nicht erforderlich wäre. Das AG hat den Einspruch des Betroffenen in der Hauptverhandlung nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, sein Wiedereinsetzungsgesuch wurde zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen hatte Erfolg. Dazu ist darauf zu verweisen, dass in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren nach allgemeiner Meinung ein Ausbleiben zu einem Gerichtstermin grundsätzlich auch als entschuldigt angesehen wird, wenn es auf einem — auch unrichtigen oder rechtsirrigen — Rat oder Hinweis des Verteidigers beruht (vgl. BayObLG NStZ-RR 03, 85; KG VRR 12, 275; OLG Hamm VA 10, 126; Meyer-Goßner, 55. Aufl., § 44 Rn. 22a). Der Verteidiger muss allerdings darauf achten, dass Rat und Mitteilung des Verteidigers, der Betroffene müsse nicht zu einem bestimmten Termin erscheinen, nicht unbeschränkt und in jedem Fall geeignet sind, ein Verschulden des Betroffenen/Angeklagten auszuschließen. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Das Vertrauen auf einen entsprechenden Hinweis des Verteidigers ist nicht gerechtfertigt, wenn sich dem Betroffenen nach der konkreten Sachlage Zweifel aufdrängen müssen, ob die Äußerung seines Verfahrensbevollmächtigten zutreffend ist. Bestehen ausreichende Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der von der Verteidigung erteilten Auskunft oder Beratung, ist der Betroffene gehalten, Zweifel durch Nachfragen bei Gericht zu klären. Tut er dies nicht, wird ihm das als Verschulden angerechnet (BayObLG a.a.O.).