· Fachbeitrag · Zustellungsfragen
Wirksame Zustellung des Bußgeldbescheids?
Sachverhalt
Der Betroffene beging am 4.12.10 eine Verkehrsordnungswidrigkeit. Am 2.2.11 erging ein am 7.2.11 per PZU an das „Rechtsanwaltsbüro D.R.G.B.“ zugestellter Bußgeldbescheid. Darin wies die Behörde darauf hin, dass dem Betroffenen nachrichtlich eine Abschrift des Bußgeldbescheids übersandt werde. Dem Rechtsanwaltsbüro gehörte auch der vom Betroffenen mit der Verteidigung zuvor beauftragte und sich als Verteidiger zur Akte meldende Rechtsanwalt F. an. Am 14.2.11 ging bei der Verwaltungsbehörde ein vom Betroffenen persönlich unterschriebener Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein. Darin beruft er sich auf Verjährung. Mangels wirksamer Zustellung des Bußgeldbescheids liege ein Verfolgungshindernis vor. Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Das OLG hat das Verfahrenshindernis „Verjährung“ bejaht. Die Verjährungsfrist ist insbesondere nicht durch den Erlass des Bußgeldbescheids am 2.2.11 unterbrochen worden. Dieser wurde nicht innerhalb von zwei Wochen ab Erlass wirksam zugestellt. Die Zustellung an das Rechtsanwaltsbüro D.R.G.B. war unwirksam. Denn als Verteidiger, an den neben dem Betroffenen nach § 51 Abs. 3 OWiG der Bußgeldbescheid hätte zugestellt werden können, hat sich allein Rechtsanwalt F. zur Akte gemeldet. Nach ständiger Rechtsprechung muss der Bußgeldbescheid für eine wirksame Zustellung an den Verteidiger erkennbar an ihn adressiert sein. Dieses Erfordernis ist jedenfalls nicht erfüllt, wenn - wie hier - die Zustellung ausdrücklich an die Kanzlei als solche und ohne jeden namentlichen Hinweis auf den bevollmächtigten Verteidiger als Zustellungsempfänger erfolgt ist. Die Verjährung konnte daher nur unterbrochen sein, wenn der Mangel nach § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 1 Nds.VwZG i.V.m. § 8 VwZG durch tatsächlichen Zugang beim Empfangsberechtigten geheilt worden wäre. Auch wenn in einer gut strukturierten Rechtsanwaltskanzlei eingehende Post dem zuständigen Rechtsanwalt vorgelegt wird, lässt sich jedenfalls positiv ein tatsächlicher Zugang des Bußgeldbescheids beim Verteidiger innerhalb der 3-Monats-Frist nicht feststellen. Die Heilung des Zustellungsmangels ist auch nicht dadurch bewirkt worden, dass von Seiten der Verwaltungsbehörde eine Kopie des Bußgeldbescheids formlos an den Betroffenen übersandt worden ist. Die Heilung einer unwirksamen Zustellung setzt nämlich voraus, dass die Behörde den Willen hatte, eine Zustellung vorzunehmen. Daran fehlt es hier jedoch in Bezug auf den Betroffenen. An diesen sollte nur eine formlose Zusendung erfolgen. Der Wille, dem Empfänger ein Dokument zur Kenntnis zu geben, genügt nicht, um einen Zustellungswillen anzunehmen.
Praxishinweis
Wieder eine (obergerichtliche) Entscheidung, die beweist, dass es sich „lohnen“ kann, wenn als Verteidiger nur derjenige in der Vollmacht aufgeführt wird, der auch tatsächlich Verteidiger ist. Dann kann nämlich grds. auch nur an diesen wirksam zugestellt werden (zu den Vollmachtsfragen s. Stephan in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., 2012, Rn. 2791 und zur Zustellung Burhoff/Burhoff, OWi, Rn. 2893 m.w.N. aus der Rspr., wie z.B. OLG Dresden VA 09, 137). Daher ist unbedingt darauf zu achten, dass nicht mehrere Rechtsanwälte in der Vollmacht genannt werden.
Von Bedeutung ist die Entscheidung auch, weil sich das OLG Celle abgrenzt von OLG Saarbrücken zfs 09, 469. Dieses war davon ausgegangen, dass der Zugang des formlos übersandten Bußgeldbescheids an den Betroffenen in Verbindung mit der Unterrichtung über die an den Verteidiger veranlasste Zustellung einen Zustellungsmangel beim Verteidiger nach § 8 VwZG heile. Diese Auffassung hat das OLG Celle ausdrücklich abgelehnt. Ist Zustellungsadressat ein Bevollmächtigter, so muss das betreffende Schriftstück gerade diesem zugegangen sein. Der Zugang an die vertretene Person genügt nicht. Das OLG hat die Frage aber letztlich offen gelassen. Denn dass der Betroffene tatsächlich den ihm formlos übersandten Bußgeldbescheid erhalten hat, war weder vom Verteidiger behauptet worden noch auf andere Weise im Freibeweisverfahren (vgl. BayObLG DAR 04, 281) positiv feststellbar. Der Zugang von Briefsendungen kann im Bestreitensfall nur durch positive Beweiszeichen festgestellt werden (vgl. KG NZV 02, 200; OLG Köln VRS 73, 153). Zwar hatte der Betroffene persönlich einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid unter Angabe des zutreffenden Aktenzeichens gefertigt. Das könnte - so das OLG - dafür sprechen, dass ihm der Bußgeldbescheid zuvor zugegangen ist. Das OLG hat aber nicht ausschließen können, dass er von Seiten des Anwaltsbüros D.R.G.B. nach erfolgter Zustellung dort über den Eingang des Bescheids lediglich informiert wurde und dies bereits zur Veranlassung nahm, den Einspruch selbst zu verfassen.