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  • · Fachbeitrag · Autokauf

    BGH zum „Montagsauto“

    • 1. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei einem gehäuften Auftreten von Mängeln ein „Montagsauto“ vorliegt, bei dem eine (weitere) Nacherfüllung für den Käufer gem. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich oder nach § 440 S. 1 Alt. 3 BGB unzumutbar ist, unterliegt der wertenden Betrachtung durch den Tatrichter.
    • 2. Ob ein Neufahrzeug im Hinblick auf die Art, das Ausmaß und die Bedeutung der aufgetretenen Mängel als „Montagsauto“ anzusehen ist, beurteilt sich dabei danach, ob der bisherige Geschehensablauf aus Sicht eines verständigen Käufers die Befürchtung rechtfertigt, es handele sich um ein Fahrzeug, das wegen seiner auf herstellungsbedingten Qualitätsmängeln beruhenden Fehleranfälligkeit insgesamt mangelhaft ist und auch zukünftig nicht frei von herstellungsbedingten Mängeln sein wird.

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Schon bald nach der Auslieferung des 133.743 EUR teuren Wohnmobils reklamierte der Kl. eine Vielzahl meist kleinerer Mängel, weshalb er sein Fahrzeug wiederholt in die Werkstatt des Bekl. brachte. Einige „Garantiearbeiten“ ließ er bei einem anderen Vertragshändler durchführen. Dann trat er vom Kauf zurück, ohne dem Bekl. zuvor eine Frist zur Beseitigung der angeblich noch vorhandenen 15 Mängel gesetzt zu haben.

     

    In den Vorinstanzen blieb die Klage ohne Erfolg. Das OLG Oldenburg hat mit Urteil v. 4.4.12, 3 U 100/11, Abruf-Nr. 122429, die Revision zugelassen. Der BGH hat sie zurückgewiesen. Entscheidend war die Frage, ob eine Fristsetzung zur Nacherfüllung ausnahmsweise entbehrlich war. Dabei ging es auch und vor allem darum, ob dem Kl. weitere Nachbesserungsarbeiten noch zuzumuten waren. Auch nach Ansicht des BGH war die rote Linie der Unzumutbarkeit noch nicht überschritten. Wichtig für diese Bewertung war vor allem der Umstand, dass es sich bei der weitaus überwiegenden Anzahl der gerügten Mängel um bloße Bagatellprobleme ohne Einfluss auf die technische Funktionstüchtigkeit des Fahrzeugs gehandelt hat.

     

    Praxishinweis

    Im eigenen Land hätte der klagende Holländer womöglich mit seiner Klage Erfolg gehabt. In Deutschland gilt nach st. Rspr. des BGH auch für Verbraucher das Fristsetzungserfordernis. Die h.M. in der Literatur hält das für europarechtswidrig. Manche Instanzgerichte sehen das ebenso (z.B. LG Stuttgart VA 12, 91). Käufer-Anwälten ist auch im Bereich B2C zu raten, nicht ohne vorherige Fristsetzung den Rücktritt zu erklären bzw. ein anderes Sekundärrecht (Minderung, Schadenersatz statt der Leistung) geltend zu machen. Im Fall einer Fristsetzung zählt nur der Erfolg des Nacherfüllungsversuchs. Die Frage „1,2,3 Versuche“ stellt sich nur, wenn keine Frist gesetzt wurde. Nur dann kommt es auch auf die „Montagsauto“-Frage an. Vor dem heiklen Zumutbarkeitsproblem (§ 440 S. 1 Alt. 3 BGB) steht die Frage, ob eine Nacherfüllung rechtlich überhaupt möglich ist. Bei sog. Gesamtmangelhaftigkeit (= Irreparabilität) liegt ein Fall der Nachbesserungs-Unmöglichkeit vor (§ 275 Abs. 1 BGB). Konsequenz: Rücktritt auch ohne Fristsetzung möglich (§ 326 Abs. 5 BGB).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Ein weiteres Nacherfüllungsproblem ist Gegenstand der BGH-Entscheidung vom 6.2.13, VIII ZR 374/11, Abruf-Nr. 130456. Kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten, wenn der bereitgestellte Neuwagen Schäden an Lackierung/Karosserie aufweist, der Käufer aber zunächst eine Beseitigung der Schäden verlangt und diese nur unzureichend gelingt, sodass die Eigenschaft „fabrikneu“ fehlt? Das OLG hat den Rücktritt nicht anerkannt. Dem ist der BGH nicht gefolgt.
    • Die wichtigsten Entscheidungen zum Autokauf aus dem Jahr 2012 fasst der Report in VA 13, 24 zusammen.
    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 37 | ID 37999420