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  • · Fachbeitrag · Autokauf

    Probefahrt ohne Wiederkehr ‒ BGH entscheidet Streit ums Eigentum zulasten des Autohauses

    | Ist ein Autohauswagen, der einem vermeintlichen Kaufinteressenten für eine einstündige unbegleitete und auch nicht anderweitig überwachte Probefahrt überlassen worden ist, dem Autohaus i. S. d. § 935 BGB abhandengekommen, wenn er nicht mehr zurückgegeben wird? Diese spannende Frage steht im Zentrum der Entscheidung des BGH vom 18.9.20 (V ZR 8/19, Abruf-Nr. 217887 ). |

     

    Entscheidungsgründe

    Anders als die Vorinstanz (OLG Frankfurt a. M. 17.12.18, 15 U 84/18) verneint der BGH ein Abhandenkommen. Vielmehr geht er von einem Besitzübergang auf den vermeintlichen Kaufinteressenten aus (§ 868 BGB). Dieser sei nicht etwa ein Besitzdiener des Verkäufers i. S. d. § 855 BGB gewesen. Entscheidet man sich mit dem BGH für die Annahme eines Besitzmittlungsverhältnisses (§ 868 BGB) und damit für einen freiwilligen Besitzverlust, also kein Abhandenkommen, stellt sich die nachgelagerte Frage, ob die Beklagte beim Erwerb des unterschlagenen Mercedes V-Klasse in gutem Glauben gehandelt hat. Insoweit bestanden zwar einige Zweifel, letztlich war der Vorwurf der Bösgläubigkeit in Form grober Fahrlässigkeit auch in den Augen des BGH nicht berechtigt.

     

    Relevanz für die Praxis

    Mit der aktuellen BGH-Entscheidung wird eine Lücke geschlossen, die nach dem Probefahrturteil des BGH (17.3.17, V ZR 70/16, Rn. 11, Abruf-Nr. 193837) zurückgeblieben war. Dort hatte der V. ZS die in der Instanzrechtsprechung und der Literatur umstrittene Frage offen gelassen, ob und ggf. unter welchen Umständen ein Kaufinteressent bei einer Probefahrt Besitzdiener des Verkäufers ist. Das ist nun für Fälle wie dem vorliegenden geklärt: § 855 BGB ist weder direkt noch analog anwendbar. Was dem BGH fehlt, ist das für die Annahme einer Besitzdienerschaft erforderliche soziale Abhängigkeitsverhältnis.

     

    Bleibt die Frage, wichtig für die anwaltliche Beratung von Autohäusern, auf welche Weise ein Verkäufer einem freiwilligen Verlust seines unmittelbaren Besitzes wirksam entgegenwirken kann, sodass es bei und während der Probefahrt nur zu einer Besitzlockerung, keiner Besitzübertragung kommt. Die vom klagenden Autohaus getroffenen Schutzmaßnahmen waren weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Der wirksamste Schutz gegen eine Unterschlagung ist ein Mitfahren (begleitete Probefahrt). Hilfreich kann auch eine Verkürzung der Probefahrtdauer sein, etwa auf 15‒30 Minuten, am besten in Verbindung mit dem Einsatz eines GPS Trackers („Geo-Zaun“). Um den Kaufinteressenten zum Besitzdiener zu degradieren, sind derartige Limitierungen, weil rein fahrzeugbezogen, allerdings ungeeignet.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2020 | Seite 194 | ID 46912221