· Nachricht · Haftungsrecht
Aktuelle Ausführungen des BGH zur Unabwendbarkeit
| Ein Motorradfahrer wollte einen Auffahrunfall vermeiden. Er bremste deshalb sehr stark. Weil die Maschine kein ABS hatte, blockierte das Vorderrad und der Motorradfahrer stürzte. Der BGH hat in diesem Fall kompakt zusammenfassende Ausführungen zum „Idealfahrer“ hinsichtlich der Unabwendbarkeit gemacht. Die sind auch auf andere Sachverhalte anwendbar. Denn der Verallgemeinerung fähig ist: Die Betrachtung bezieht die Situation vor dem Unfallgeschehen mit ein. |
Die Prüfung darf nicht auf die Frage beschränkt werden, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat. Vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nunmehr (zu spät) „ideal“ verhält. Damit verlangt § 17 Abs. 3 StVG, dass der „Idealfahrer“ in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden.
Dahinstehen kann also, ob der Sturz des Klägers noch im Zeitpunkt des Abbremsens durch kontrolliertes Betätigen der Vorderradbremse vermeidbar gewesen wäre. Denn ein Idealfahrer, der weiß, dass sein Motorrad nicht über ein ABS verfügt und bei einer reflexhaften Vollbremsung ein Sturz droht, hätte von vornherein eine Fahrweise gewählt, mit der ein reflexhaftes Bremsen in der Situation des Klägers vermieden worden wäre. Er hätte den Abstand zum Vorausfahrenden und die Geschwindigkeit so bemessen, dass er selbst im Fall plötzlich scharfen Bremsens des Vorausfahrenden ‒ das er stets einkalkulieren muss ‒ noch hätte kontrolliert bremsen und sowohl einen Sturz als auch eine Kollision mit dem Vorausfahrenden hätte vermeiden können (BGH 3.12.24, VI ZR 18/24, Abruf-Nr. 246125).