· Nachricht · Sachverständigenhonorar
Kürzung des Sachverständigenhonorars wegen fehlernder Mitgliedschaft im BVSK
| Zu den derzeitigen Dauerbrennern bei den Kürzungen der Versicherer gehört auch die Frage, ob Sachverständigenkosten gekürzt werden können, weil der Sachverständige nicht Mitglied im BVSK oder einem vergleichbaren Verband ist. Wir können die Frage verneinen und liefern Ihnen ein passende Musterformulierung. |
In einem uns vorliegenden Fall kürzte der Versicherer das angesetzte Sachverständigenhonorar um 761,36 EUR. In seiner Begründung stand zu lesen: „Es konnte keine Mitgliedschaft im BVSK, in einem vergleichbaren Verband oder die Zugehörigkeit zu einer Sachverständigen-Organisation festgestellt werden. Gleiches gilt für eine Zertifizierung oder öffentliche Bestellung oder Vereidigung. Daher kommt die Berechnung des Grundhonorars gem. BVSK-Tabelle oder einer vergleichbaren Tabelle nicht in Betracht.“
Die Auffassung des Versicherers ist natürlich falsch. In entsprechenden Fällen können Sie mit der folgenden Musterformulierung reagieren. Diese ist auf unterschiedliche Schreiben verschiedener Versicherer zugeschnitten. Daher müssen Sie die Ihren Fall betreffende Formulierung nutzen und ggf. dahingehend anpassen, wer Ihr Mandant ist (Geschädigter, Sachverständiger, Autohaus, etc).
MUSTERFORMULIERUNG
Den „Prüfbericht SV-Honorar-Rechnung“ haben wir nicht ohne Amüsement zur Kenntnis genommen. Das fängt schon bei der Überschrift an, denn es geht um die SV-Honorarerstattung, und das ist etwas ganz anderes.
Variante ggf:
Die für Ihren Prüfdienstleister nicht erkennbare Qualifikation unseres Büros hätten sie mit einem Blick unserem Briebogen entnehmen können. Folglich ist das nur ein einzelfallunabhängig von ihm verwendetes Standardargument. Im Übrigen wäre bei ‒ auch für den Geschädigten erkennbarer ‒ fehlender Qualifikation die Kürzung der Honorarerstattung der falsche Weg. Dann gäbe es nämlich gar nichts. Da die Überschrift schon nicht das Thema trifft und vieles andere im Prüfbericht auch nicht, erlauben wir uns, die Kompetenz des Prüfdienstleisters und insbesondere dessen Urteilslesekompetenz anzuzweifeln.
Weiter für alle
Der Prüfdienstleister meint, aus BGH, Urteil vom 29.10.2019, Az. VI ZR 104/19, ergebe sich, dass das Gutachtenhonorar auch durch Schätzung des tatsächlich erbrachten Zeitaufwandes bemessen werden könne. Sooft wir das Urteil auch lesen: Den von ihm im Hinblick auf eine Zeitaufwandsschätzung behaupteten Inhalt hat es nicht. Da wird mal wieder wider besseres Wissen geblufft.
Richtig ist es so:
Da ist zunächst einmal das Urteil des BGH, dass den Schadengutachtern werkvertraglich zugesteht, auf der Basis einer an der Schadenhöhe orientierten Honorartabelle abzurechnen.
So heißt es dort im Leitsatz c: „Ein Sachverständiger, der für Routinegutachten eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung seiner Honorare vornimmt, überschreitet die Grenzen des ihm vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsspielraums grundsätzlich nicht.“
Und im Urteilstext heißt es dazu: „Schadensgutachten dienen in der Regel dazu, die Realisierung von Schadensersatzforderungen zu ermöglichen. Die richtige Ermittlung des Schadensbetrags wird als Erfolg geschuldet; hierfür haftet der Sachverständige. Deshalb trägt eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars dem nach der Rechtsprechung entscheidend ins Gewicht fallenden Umstand Rechnung, dass das Honorar des Sachverständigen die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Geschädigten ist. Ein Sachverständiger, der für Routinegutachten sein Honorar auf einer solchen Bemessungsgrundlage bestimmt, überschreitet daher entgegen einer in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und einem Teil der Literatur vertretenen Auffassung die Grenzen des ihm vom Gesetz räumten Gestaltungsspielraums grundsätzlich nicht.“
In diesem Urteil wird auch geklärt, dass die Zeitaufwandsabrechnung, die im Justiz-Vergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) vorgesehen ist, mangels Anwendbarkeit auf das freiwirtschaftliche Geschäft nicht anwendbar ist (BGH, Urteil vom 16.05.2006, Az. X ZR 122/05).
Dem folgen die Gerichte auch aktuell in den Urteilen, die entstehen, weil manche Versicherer an den Logicheck-Bluff irgendwann selbst glauben und die Argumente ‒ den BGH wie so oft vollkommen ignorierend ‒ in den Prozessen vortragen. Als Beispiele insoweit abschlägiger Urteile, die sich jeweils mit einem Prüfbericht wie dem von Ihnen übersandten befasst haben, nennen wir:
- AG Dillingen a.d. Donau, Urteil vom 03.06.2022, Az. 2 C 84/22
- AG München, Urteil vom 01.04.2022, Az. 331 C 17895/21
- AG Dresden, Urteil vom 07.02.2023, Az. 109 C 3035/22
- AG Otterndorf, Urteil vom 29.03.2023, Az. 2 C 294/22, unter Bezugnahme auf sein Berufungsgericht LG Stade, Urteil vom 07.12.2015, Az. 1 S 12/15
- AG Braunschweig, Urteil vom 20.04.2023, Az. 118 C 1829/22
Selbstverständlich dürfte sich der Schadengutachter auch entscheiden, nach Zeitaufwand abzurechnen. Doch das ist allein seine Sache, der Versicherer kann ihm dabei keine Vorschriften machen, soweit der Versicherer nicht selbst der Auftraggeber des Sachverständigen ist.
Auch unter schadenrechtlichen Aspekten hat der BGH bereits verworfen, dass für das Grundhonorar die Schätzung anhand der JVEG-Kriterien das Maß der Dinge sei. Er sagt:
„Der Anwendungsbereich des JVEG ist auf die in § 1 JVEG genannten Verfahren beschränkt. Einer Übertragung auf Privatgutachter steht schon der Umstand entgegen, dass Privatgutachter im Unterschied zu gerichtlichen Sachverständigen, die zu den Parteien nicht in einem Vertragsverhältnis stehen, dem Auftraggeber nach allgemeinen Regeln sowohl vertragsrechtlich als auch deliktsrechtlich haften, während die Haftung gerichtlicher Sachverständiger der Sonderregelung des § 839a BGB unterliegt, die die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt hat, damit der Sachverständige, der nach den Verfahrensordnungen (§ 407 ZPO, § 75 StPO) regelmäßig zur Übernahme der Begutachtung verpflichtet ist, seine Tätigkeit ohne den Druck eines möglichen Rückgriffs der Parteien ausüben kann.“
Der Leitsatz der auf die oben zitierte werkvertragliche Entscheidung bezugnehmenden Urteils lautet folglich: „Nach einem Verkehrsunfall kann grundsätzlich ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB erstattet verlangt werden.“ (BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06).
Der Leitsatz bezieht sich ja nicht auf die Abrechnung des Schadengutachters gegenüber seinem Kunden, sondern darauf, dass der Kunde und Geschädigte Anspruch auf Erstattung einer auf Schadenhöhenbasis erstellten Rechnung des Schadengutachters hat. Dabei gibt es natürlich Grenzen der Höhe nach, doch das Prinzip ist mit dem Leitsatz bestätigt.
Für die Erstattungspflicht gilt: Ist das vom Schadengutachter verlangte Honorar auffallend üppig, darf das Gericht die Höhe des vom Versicherer zu erstattenden Anteils schätzen. Beim Grundhonorar darf es ‒ siehe oben ‒ dabei aber keine Anleihe an der Stundensatzabrechnung des JVEG nehmen. Die Gerichte bleiben im vom Gutachter gewählten Abrechnungssystem und schätzen anhand der BVSK-Befragung, die sich als leicht zugänglich und ebensoleicht handhabbar bei den Gerichten durchgesetzt hat.
Der Prüfdienstleister begründet seinen Rekurs auf die Stundenabrechnung im Prüfbericht mit Argumenten der Digitalisierung und der verursachergerechten Zurechnung.
Diese Ansätze haben aber nicht das Potenzial, die Welt der Gutachterhonorare zu verändern.
Selbst wenn man das alles als richtig unterstellt, wäre der Streit damit nicht beendet: Der eine Gutachter, vielleicht wenig ausgelastet, arbeitet langsamer uns schindet Stunden. Der andere ist sehr fix. Wer will denn nun entscheiden, welcher Zeitaufwand angemessen war. Wer will kontrollieren, wie lange der Gutachter tatsächlich gebraucht hat oder hätte brauchen dürfen. Und der Streit um die Stundensatzhöhe wird auch die Gerichtsakten füllen.
Alles spricht dafür, es bei der insoweit einfacheren Pauschalierung zu belassen: Die Schadenhöhe und eine vereinbarte Honorartabelle sind einfacher zu handhaben und auch viel einfacher zu kontrollieren.
Wir sind nicht der Auffassung, dass die Argumente aus dem Prüfbericht irgendetwas an der werkvertraglichen Betrachtung ändern werden. Denn es gilt ja auch „hoher Schaden = hohes Haftungsrisiko“ und zwar auch dann, wenn der hohe Schaden schnell zu ermitteln war. Das Haftungsrisiko ist eine der vom BGH herangezogenen Argumente.
Aber vor allem: Der Prüfbericht darf sich gar nicht auf das Werkvertragsrecht stützen, zu prüfen ist die schadenrechtliche Erstattungsfähigkeit des Honorars. Denn darum geht es. Zwar fallen die Beteiligten oft auf den werkvertraglichen Bluff herein, weil „gefühlt“ der Versicherer die Rechnung bezahlen soll. Das soll er aber nicht. Er soll (bei Abtretung zu Händen des Schadengutachters) Schadenersatz leisten.
Schadenrechtlich wird man auch nicht ernsthaft vertreten können, dass der berühmte „verständige, wirtschaftlich denkende Geschädigte“ sich nicht auf eine pauschalierte Gutachtenhonorarabrechnung einlassen darf, wo doch der BGH dieses Abrechnungsprinzip werkvertraglich wie schadenrechtlich als tragfähig eingestuft hat.
Wir bitten nunmehr um korrekte Abrechnung. Anderenfalls wird das Gericht bemüht. Die Argumente der Klageschrift kennen Sie nun.