· Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung
Fiktive Reparaturkosten: Abrechnungsprivileg für Arme?
| Entgegen zumindest missverständlicher Formulierungen in einigen Medien hat das OLG Koblenz den Ersatz fiktiver Reparaturkosten beim Verkauf des Unfallfahrzeugs in unrepariertem Zustand nicht grundsätzlich verneint. Vielmehr hat es in Übereinstimmung mit der gefestigten BGH-Rspr. den Geschädigten auf den Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwands verwiesen, weil er das Fahrzeug vor Ablauf der Sechsmonatsfrist unrepariert veräußert hat. Bemerkenswert ist die Entscheidung dennoch. Denn sie eröffnet finanziell schwachen Geschädigten die Möglichkeit, eine vorzeitige Veräußerung unschädlich zu machen. |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Die kalkulierten Reparaturkosten lagen mit rund 11.000 EUR deutlich unter dem Wiederbeschaffungswert, jedoch über dem Wiederbeschaffungsaufwand (WBA), damit auf der Schadensstufe zwei, auf der Reparaturkosten unter bestimmten Umständen auch fiktiv abgerechnet werden können. Voraussetzung ist, dass das Fahrzeug mindestens sechs Monate weitergenutzt und zu diesem Zweck, falls erforderlich ‒ verkehrssicher ‒ (teil-)repariert wurde. So der Grundsatz (BGHZ 168, 43). Aber es gibt Ausnahmen. Und darum geht es im konkreten Fall. Dort hatte der Geschädigte sein Motorrad unrepariert vor Ablauf der Sechsmonatsfrist veräußert (der genaue Zeitablauf ist nicht bekannt). Eine Ausnahmesituation („besondere Umstände“) hat der Kläger damit begründet, dass er wirtschaftlich nicht in der Lage gewesen sei, die Kosten der Reparatur aufzubringen. Er habe nicht einmal eine die bloße Verkehrssicherheit herstellende Notreparatur vorfinanzieren können. Ein Darlehen habe er mangels Kreditwürdigkeit nicht bekommen.
Diesen erst in II. Instanz gehaltenen Vortrag hat das OLG nicht als verspätet zurückgewiesen, auch nicht ‒ und das ist erstaunlich ‒ als rechtlich unerheblich (10.2.20, 12 U 1134/19, Abruf-Nr. 214671). Für unbeachtlich hat der Senat ihn deshalb erklärt, weil der Kläger auch auf ausdrückliches Bestreiten der Beklagten weder Tatsachen vorgetragen hat, die seine mangelnde Fähigkeit zur Finanzierung erkennen lassen noch dargetan hat, nicht in der Lage gewesen zu sein, die erforderlichen finanziellen Mittel anderweitig, etwa durch Inanspruchnahme einer Vollkaskoversicherung, zu beschaffen. Zudem hat der Senat dem Kläger vorgehalten, dass sich in der vorgerichtlichen Korrespondenz kein Hinweis auf eine Reparaturabsicht und Weiterbenutzung des Krades finde.
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