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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Hat der Geschädigte eine Pflicht zur Rechnungsprüfung?

    von VRiOLG a.D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen

    | „Man wird den Geschädigten jedenfalls im Grundsatz für verpflichtet halten müssen, die Reparaturrechnung zumindest einer „laienhaften Plausibilitätsprüfung“ zu unterziehen, so wie er dies typischerweise auch tun würde, wenn er die Reparatur von vornherein auf eigene Kosten in Auftrag gegeben hätte“. Auf Aussagen wie diese des AG Leverkusen (30.9.20, 26 C 266/20, juris) stößt man neuerdings in einer Vielzahl von Entscheidungen ‒ in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen, aber einer gemeinsamen Grundtendenz: den Druck auf den Geschädigten und seinen Anwalt zu erhöhen. VA bringt Sie auf den neuesten Stand. |

     

    Übersicht 1 / 6 wichtige BGH-Grundsätze

    • 1. Der Anspruch des Geschädigten aus § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist nicht auf Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet; der Anspruch ist kein Erstattungsanspruch (st. Rspr. z. B. BGH 17.12.19, VI ZR 315/18, Rn. 14).
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    • 2. Der in Rechnung gestellte Betrag legt den zu beanspruchenden Schadenersatz nicht bindend fest. Er kann nur ein Anhalt (Indiz) für die Erforderlichkeit der Aufwendungen sein. Ob und inwieweit die Rechnung „Indizwirkung“ hat, sieht der BGH zum einen in Abhängigkeit vom Typ des Dienstleisters. Zum anderen kommt es ihm darauf an, ob es eine Preisvereinbarung gibt, diese für plausibel gehalten werden durfte und die ‒ bezahlte ‒ Rechnung mit der Preisvereinbarung übereinstimmt (vgl. BGH 17.12.19, VI ZR 315/18, Sachverständigenkosten).
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    • 3. Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, muss der Schaden subjektbezogen betrachtet werden. Es ist also Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten zu nehmen (st. Rspr., z. B. BGH 11.2.14, VI ZR 225/13, Rn. 7).
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    • 4. Die subjektbezogene Schadensbetrachtung kann sich sowohl zugunsten des Geschädigten als auch zugunsten des Schädigers auswirken (BGH 29.10.19, VI ZR 45/19, Rn. 10). Unerfahrenheit/Unwissenheit können anspruchserweiternd, Expertise und Know-how anspruchsverkürzend wirken (BGH a. a. O.).
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    • 5. Spezialkenntnisse und -wissen seines Anwalts können die Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten nur erweitern, sofern sie im maßgeblichen Zeitpunkt einsetzbar vorhanden waren (vgl. BGH 17.12.19, VI ZR 315/18).
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    • 6. Ein Geschädigter muss sich nicht in jedem Fall so verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (BGH 11.2.14, VI ZR 225/13, Rn. 7). Leitfigur ist stets der „verständige, wirtschaftlich denkende Mensch in der besonderen Lage des Geschädigten“ (st. Rspr. seit BGHZ 54, 82).
     

    Übersicht 2 / Die Honorarrechnung des Sachverständigen

    • 1. Aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ergibt sich eine Obliegenheit zu einer gewissen Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsabschluss geforderten bzw. später berechneten Preise (BGH 17.12.19, VI ZR 315/18, Rn. 15; 29.10.19, VI ZR 104/19, Rn. 13).
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    • 2. Wenn seine Preise erkennbar deutlich überhöht sind, ist die Beauftragung dieses Sachverständigen nicht „erforderlich“ (BGH 26.4.16, VI ZR 50/15, Rn. 13).
    • 3. Ob die Preisvereinbarung von der Rechnung abweicht oder sonstige Gründe für eine Überhöhung der Rechnung vorhanden sind, müssen der Geschädigte und sein Anwalt prüfen (BGH 17.12.19, VI ZR 315/18, Rn. 21).
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    • 5. Praxistipp | Was unter „gewisse Plausibilitätskontrolle“ konkret zu verstehen ist, ist trotz zahlreicher BGH-Entscheidungen nach wie vor unklar. Zeitlich kommt es auf den Vertragsabschluss mit Honorarvereinbarung an. Fehlt sie, ist der Zeitpunkt des Rechnungsempfangs entscheidend. Vorsicht: Auch bei vorausgegangener Honorarvereinbarung muss die Rechnung auf Plausibilität geprüft werden; auch vom Anwalt. Wann ein Honorar deutlich, nur einfach oder gar nicht überhöht ist, ist selbst für Experten kaum abschätzbar. Ein Laie ist schlicht überfordert. Preislisten von Fachverbänden wie dem BVSK kennt er nicht und muss sie auch nicht kennen (BGH 11.2.14, VI ZR 225/13; AG Kassel 14.5.21, 435 C 449/21, Abruf-Nr. 222826).