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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    OLG Naumburg verschärft Anforderungen an Armutswarnung

    | Wie wichtig ein frühzeitiger Hinweis auf finanzielle Probleme des Geschädigten ist, macht ein aktuelles Urteil des OLG Naumburg deutlich. Es verdient vor allem deshalb besondere Beachtung, weil es die inhaltlichen Anforderungen an die Armutswarnung (§ 254 Abs. 2 BGB) spürbar verschärft. |

     

    Sachverhalt

    In I. Instanz war dem Kläger eine Nutzungsausfallentschädigung für den geltend gemachten Zeitraum von 175 Tagen zugebilligt worden. Da der Versicherer nur 65 Tage reguliert hatte, war die Klage auf den Differenzbetrag vor dem LG Halle/Saale erfolgreich (Abruf-Nr. 209806). Das LG hat einen Verstoß gegen die Warnpflicht nach § 254 Abs. 2 BGB ausdrücklich verneint. Schon im Anspruchsschreiben habe der Anwalt des Klägers ausreichend darauf hingewiesen, dass eine Vorfinanzierung der Reparaturkosten von mind. 24.000 EUR (geleaster BMW X4) angesichts der finanziellen Lage des Mandanten nicht möglich sei. Nachweise bzw. Belege seien zu diesem frühen Zeitpunkt nicht erforderlich gewesen.

     

    Entscheidungsgründe

    Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG Naumburg das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (29.10.19, 1 U 142/19, Abruf-Nr. 212568). Der Geschädigte, der eine Nutzungsausfallentschädigung für einen die Reparaturdauer überschreitenden Zeitraum verlange, müsse bereits mit der Anspruchsbegründung l„die Umstände und Gründe substanziiert darlegen, die die Verzögerung belegen“. Der pauschale Hinweis auf die finanziellen Schwierigkeiten sei unzureichend gewesen. Der Kläger hätte seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse „kurz schildern und darlegen können, aus welchen Gründen ihm deshalb eine Vorfinanzierung nicht möglich sein soll.“ Durch die spätere Vorlage von Kontoauszügen habe das Versäumnis nicht geheilt werden können.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die für OLG-Verhältnisse erschreckend schwach begründete Entscheidung wird den Haftpflichtversicherern als willkommene Vorlage dienen, wenn sie Geschädigten einen Verstoß gegen ihre Warnpflicht ankreiden. Geschädigten-Anwälte stehen vor der ‒ vorwiegend taktischen ‒ Frage, ob sie ihre Korrespondenz mit den Versicherern an das aktuelle Naumburger Ausreißer-Urteil anpassen oder weiterhin die deutlich weniger strenge Linie der vorherrschenden Rechtsprechung befolgen. An ihr hat sich auch das LG Halle/Saale in seiner Entscheidung I. Instanz orientiert. Weitere Nachweise bei Eggert, VA 19, 137 mit Mustertext auf S. 139. Zur Warnpflicht des Geschädigten und zu seinen vielfältigen Verteidigungsmöglichkeiten s. Eggert, VA 12, 114. Zum Zeitpunkt („frühzeitig“) s. a. OLG Bremen 26.3.19, 1 U 1/19, juris.

     

    Einsender: Rechtsanwalt Henning Lange, Halle/Saale

    Quelle: Ausgabe 02 / 2020 | Seite 23 | ID 46305849