· Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung
Restwert bei Kaskoschaden „brutto“ oder „netto“?
|
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Der Pkw des VN war vollkaskoversichert (AKB 2010). Nach dem VR-Gutachten waren die Reparaturkosten höher als der Wiederbeschaffungswert (WBW). A.2.7.1 a AKB 2010 unterscheidet für den Anspruch des VN, ob das Fahrzeug (vollständig) repariert wird oder nicht. Für den hier gegebenen Fall der Nicht-Reparatur heißt es: „ … Reparaturkosten bis zur Höhe des um den Restwert verminderten WBW. Der Restwert ist in A. 2.6.7 definiert als „der Veräußerungswert des Fahrzeugs im beschädigten oder zerstörten Zustand“.
Das Gutachten weist einen Netto-Restwert von 5.882,35 EUR bzw. einen Brutto-Restwert von 7.000 EUR aus. Dem lag ein vom SV eingeholtes verbindliches Kaufangebot eines Autohändlers zugrunde. Es lautete auf „7.000 EUR (inkl. MwSt.)“. Der VR hat den Netto-WBW abzüglich des Bruttorestwerts von 7.000 EUR und einer SB erstattet. Der nicht vorsteuerabzugsberechtigte VN meint, es könne nur der Nettorestwert abgezogen werden. Seine Klage auf Zahlung des Differenzbetrags war vor dem AG erfolgreich. Begründung: Bei einem Privatmann zählt nur der Nettobetrag. Das LG weist die Klage ab, lässt aber wegen OLG Koblenz VersR 09, 1613 die Revision zu. Der BGH hebt das Urteil auf und verweist die Sache an das LG zur weiteren Sachaufklärung zurück.
Maßgebend für die Bestimmung des anrechenbaren Restwerts ist, so der BGH, allein der Betrag, der dem VN im Fall einer Veräußerung des Unfallfahrzeugs am Ende verbleibt. Zu unterscheiden sei der umsatzsteuerpflichtige VN von dem nicht umsatzsteuerpflichtigen. Ersterem verbleibe nur der Nettokaufpreis, die MwSt. gehe an das Finanzamt; maßgebend sei danach nur der Netto-Restwert. Unterliege der VN nicht der Umsatzsteuerpflicht, erübrige sich die Unterscheidung zwischen Netto- und Bruttoerlös. Der anzurechnende Restwert sei allein der Betrag, den der VN als Kaufpreis tatsächlich erlösen könne.
Frage also: Was hätte der Anbieter dem Kl. tatsächlich gezahlt? Entscheidend ist das Kaufangebot: „7.000 EUR incl. MwSt.“. Zwei Auslegungen sind lt. BGH möglich. Erstens: „Ich zahle dir in jedem Fall die 7.000 EUR, egal, ob die MwSt. in der Rechnung ausgewiesen wird oder nicht.“ Zweitens: „7.000 EUR zahle ich nur bei einem umsatzsteuerpflichtigen Verkauf, andernfalls nur den Nettobetrag von 5.882,35 EUR“. Der BGH wirft dem LG vor, diese Auslegungsfrage nicht genügend geklärt und beachtliches Parteivorbringen/Beweisangebote verfahrensfehlerhaft nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen zu haben.
Praxishinweis
In Kaskosachen sensibilisiert das BGH-Urteil in einer Frage, die bislang nicht im Fokus gestanden hat. Wie sind Ankaufangebote von Restwertaufkäufern zu verstehen? Der voneinander abweichende Parteivortrag im vorliegenden Fall zeigt, dass die Auslegung von Kaufangeboten unterschiedlich sein kann.
Auch bei der Regulierung von Haftpflichtschäden herrscht oft Streit darüber, ob der Netto-Restwert oder - woran die Versicherer interessiert sind - der höhere Brutto-Restwert anzurechnen ist. Streitanfällig sind vor allem Leasingautos und finanzierte Kfz, wenn die Eigentümer, nicht aber die Besitzer umsatzsteuerpflichtig sind. Ausgangspunkt ist, dass der Schädiger/Haftpflicht-VR die Höhe des Restwerts als eine ihm günstige Tatsache darzulegen und zu beweisen hat. Er muss also die Anrechnungsvoraussetzungen für den höheren Bruttobetrag beweisen. Der Geschädigte hat nur eine sekundäre Darlegungslast.
Nach den Erläuterungen zu 9.2.1 der IfS-Richtlinien wird der Restwert in den Schadensgutachten „üblicherweise als Endpreis (inkl. ggf. anfallender Umsatzsteueranteile) angegeben“. Tatsächlich sind die Haftpflichtschaden-Gutachten uneinheitlich. Mal heißt es „Restwert, steuerneutral“, mal „der Restwert ist inkl. MwSt. angegeben“, mitunter wird nach brutto und netto differenziert.
Eine Privatperson muss, da die Veräußerung kein umsatzsteuerpflichtiger Vorgang ist, keine MwSt. abführen. Also ist sie nicht herauszurechnen. So gesehen ist die Aussage zutreffend, der Restwert sei bei einer Privatperson stets „brutto“ anzusetzen (Krischer VersR 09, 1613). Was sie bekommen kann (fiktive Veräußerung), hängt von der Auslegung des Angebots ab, wie der BGH in der vorliegenden Kasko-Entscheidung zu Recht betont.
Gehört der Unfallwagen dagegen zum Betriebsvermögen, fällt bei der Veräußerung MwSt. an. Da sie dem FA geschuldet ist, ist hier der Netto-Restwert in die Totalschadensabrechnung einzustellen (OLG Düsseldorf 6.5.14, I- 1 U 34/13, Abruf-Nr. 143227: Pkw im Privatleasing; Thür. OLG VA 09, 128; OLG Dresden SP 14, 230). Von „steuerneutral“ kann bei dieser Konstellation nicht die Rede sein. Dieser Begriff sei nicht mit „netto“ gleichzusetzen; vielmehr besage er nur, dass steuerliche Aspekte nicht berücksichtigt sind. Er lasse damit ausdrücklich offen, von wem eine ggfs. anfallende (Umsatz-) Steuer zu tragen ist, so OLG Düsseldorf a.a.O.
Nach zutreffender Ansicht (OLG Düsseldorf, OLG Thür., a.a.O.) ist der Netto-Restwert auch bei fiktiver Totalschadensabrechnung - ohne reale Veräußerung - maßgebend, wenn das Unfallfahrzeug zum Betriebsvermögen eines umsatzsteuerpflichtigen Geschädigten gehört (ebenso AG Ulm 4.4.14, 4 C 2363/12, Abruf-Nr. 141387).
Weiterführender Hinweis
- Zur sog. Differenzkasko-Klausel bei Leasingfahrzeugen (A. 2.6.1 Buchst. d AKB) aktuell BGH 8.10.14, IV ZR 16/13, Abruf-Nr. 172621.