· Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung
Schwerpunktthema: Der Ersatz von Abschleppkosten im Haftpflichtschadensfall
von VRiOLG a.D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen
|Die mit unverminderter Vehemenz vorgetragene Kürzungsoffensive der Haftpflichtversicherer hat jetzt auch die Position „Abschleppkosten“ erreicht. Mehrere aktuelle Entscheidungen geben Veranlassung, das bisher eher stiefmütterlich behandelte Thema näher zu beleuchten.|
Arbeitshilfe / Grundsätzliches in 10 Punkten |
1. Bergungs-, Abschlepp-, Stand- und Entsorgungskosten: Dem Abschleppen i.e.S. kann das Bergen des Unfallfahrzeugs an der Unfallstelle vorausgehen. Dem Abschleppen nachgelagert ist das Abstellen/Verwahren des Unfallfahrzeugs, entweder auf dem Betriebsgelände des Abschleppunternehmens oder in einer - davon getrennten - Werkstatt. Zur Entsorgung und den dabei anfallenden Kosten s. Notthoff in: Ludovisy/Eggert/Burhoff, 5. Aufl., Teil 4. Rn. 941/942. 2. Anspruchsgrundlagen sind die §§ 7, 18 StVG, § 823 BGB. 3. Kausalität: Problem bei Mehrfachkollisionen, z.B. Kettenauffahrunfall. Sofern das Fahrzeug bereits nach Eintritt des Frontschadens abschleppreif war, sind die Kosten fdür das Abschleppen nicht kausal auf das Auffahren des (bekl.) Hintermanns zurückzuführen und schon deshalb nicht zu erstatten (AG Ingolstadt 13.2.08, 15 C 2181/07, Abruf-Nr. 120816). Dass das Abschleppen erst im Hinblick auf den Heckschaden erforderlich wurde, muss der Geschädigte beweisen (§ 287 ZPO). 4. Schadensbemessung: Die Kosten für das Abschleppen eines unfallbeschädigten Fahrzeugs gehören zu dem nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand, wenn das Abschleppen zur Instandsetzung oder Ersatzbeschaffung erforderlich und zweckmäßig ist. Im Totalschadensfall ist das Abschleppen des Unfallwracks der erste Schritt zur Verwertung. Der BGH unterstellt auch sie dem Wirtschaftlichkeitsgebot und damit § 249 Abs. 2 BGB. 5. Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB): Zwischen „Erforderlichkeit“ i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB und Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB richtig zu trennen, macht auch bei der Position „Abschleppkosten“ einige Schwierigkeiten (keine BGH-Rspr.). Wenn Gerichte in Abschleppkosten-Urteilen von „Schadensminderung(spflicht)“ sprechen, kann das eine wie das andere gemeint sein. Wichtig ist die Unterscheidung für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. 6. Darlegungs- und Beweislast: Für die „Erforderlichkeit“ i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB trägt sie der Geschädigte. Dagegen ist der Schädiger/VR darlegungs- und beweispflichtig, wenn er geltend macht, der Geschädigte habe gegen seine Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB verstoßen. Abgefedert wird diese Last durch eine sekundäre Darlegungslast des Geschädigten. 7. Abschleppkosten im Kaskofall: Der Kasko-VR übernimmt im Fall der Beschädigung die Kosten für das Abschleppen vom Schadenort bis zur nächstgelegenen für die Reparatur geeigneten Werkstatt, wenn nicht ein Dritter zum Ersatz der Abschleppkosten verpflichtet ist (A.2.7.2 AKB 2008). Siehe auch A. 3.5.2 und A. 3.5.3. 8. Quotenvorrecht: In den Schutzbereich der Kaskoversicherung fallen auch die Abschleppkosten, sie gelten als kongruent (st. Rspr., z.B. OLG Frankfurt a.M. 8.2.11, 22 U 162/08, Abruf-Nr. 112828). |
9. Rechtsbeziehung Geschädigter/Abschleppunternehmen: Abgeschlossen wird ein Frachtvertrag (OLG Düsseldorf NZV 01, 290; AG Darmstadt NZV 09, 609). Er ist jederzeit kündbar, z.B. wenn das Unternehmen vor dem Abschleppen einen Vorschuss verlangt (AG Darmstadt a.a.O.). Ein Abschleppvertrag zwischen Werkstatt und Abschleppunternehmen kann Schutzwirkungen zugunsten des Eigentümers entfalten (OLG Koblenz NZV 07, 463). 10. Zessionen/Aktivlegitimation: Abschleppunternehmen, die aus einer Zession vorgehen, haben zwei Probleme: Erstens die Bestimmtheit/Bestimmbarkeit (dazu BGH VA 11, 129) und zweitens das RDG (dazu BGH VA 12, 41). Zur Abtretung an Erfüllungs statt zugunsten eines Abschleppdienstes BGH 2.12.11, V ZR 30/11, Abruf-Nr. 120255. |
Arbeitshilfe / Brennpunkte in der Regulierungspraxis nach Fallgruppen |
Nur selten wird über die Notwendigkeit des Abschleppens gestritten. Zentraler Streitpunkt ist dagegen selbst bei Inlandsunfällen das Wohin: „Heimatwerkstatt vs. Werkstatt vor Ort“. Zur Rechtslage bei einem Auslandsunfall s. Länderüberblick bei Neidhart in: Ludovisy/Eggert/Burhoff, a.a.O., Teil 11, Rn. 42 ff. 1. Abschleppen wohin? Bei diesem Zielkonflikt kommt es zunächst entscheidend darauf an, ob es sich um einen Reparatur- oder um einen Totalschadensfall handelt. Der häufig von der Polizei ausgewählte und angeforderte Abschleppdienst stellt den Unfallwagen im Zweifel auf seinen eigenen Hof (Standgeld winkt) oder auf das Gelände einer ortsnahen Werkstatt oder Verwertungsfirma. End- oder nur Durchgangsstation? Anders gefragt: Muss der Schädiger/VR auch das Abschleppen in die Heimatwerkstatt des Geschädigten bezahlen? Antwort: Wenn überhaupt, nur bei einem Reparaturschaden, nein bei offensichtlichem Totalschaden (LG Stuttgart 15.6.11, 8 O 434/11, Abruf-Nr. 112428; AG Pforzheim 22.1.10, 8 C 131/09, Abruf-Nr. 101803). Im Einzelnen:
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2. Höheprobleme Weitere Probleme kann es bei der Höhe der Kosten geben.
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