· Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung
Verschärfte Anforderungen an Geschädigte mit eigener Sachkunde
Hinsichtlich des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrags genügt der Geschädigte regelmäßig seiner Darlegungs- und Beweislast durch Vorlage der Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Fachunternehmens. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des Rechnungsbetrags durch den Schädiger reicht dann nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe infrage zu stellen (BGH 15.10.13, VI ZR 528/12, Abruf-Nr. 133678). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Kein Verkehrsunfall mit Fahrzeugschaden, sondern mit Fahrbahnverschmutzung: Strittig ist eine Rechnung über 3.113 EUR, ausgestellt von einem Straßenreinigungs-Fachunternehmen. Beauftragt worden war es von der zuständigen Straßenmeisterei, nachdem ein bei der Bekl. haftpflichtversicherter Lkw bei einem Unfall Öl, Kraftstoff und Kühlmittel verloren hatte. Die Bekl. hat die Erstattung des Rechnungsbetrags u.a. mit der Begründung verweigert, die durchgeführten Arbeiten (sog. Nassreinigungsverfahren) seien nicht notwendig gewesen, außerdem seien die abgerechneten Preise sittenwidrig überteuert. Nach Beweisaufnahme zum Schadensumfang hat das AG der Klage stattgegeben. Die Berufung blieb erfolglos. Auf die vom LG zugelassene Revision hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
Der BGH folgt dem LG in weiten, hier nicht interessierenden Teilen, beanstandet jedoch den Umgang mit dem Zu-teuer-Einwand. Für das LG sind die in Rechnung gestellten Beseitigungskosten der i.S.d. § 249 Abs. 2 BGB „erforderliche“ Aufwand. Dagegen hat der BGH durchgreifende Bedenken. Die in Auftrag gegebenen Arbeiten seien zwar zweckmäßig und angemessen gewesen, auch die Wahl von Firma und Verfahren sei nicht zu kritisieren. Für fehlerhaft hält der BGH indes die Ansicht des LG, die Behauptung der Bekl., die Rechnungspreise seien überteuert, sei im Schadenersatzprozess nicht zu prüfen. Da eine bestimmte Vergütung nicht vereinbart worden sei, habe die Reinigungsfirma nur die übliche Vergütung verlangen können, hilfsweise eine angemessene bzw. eine nach § 315 BGB billige. Die Zahlung eines höheren Betrags wäre nicht erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 BGB. Der BGH fügt hinzu: Einer mit technischen Fachleuten besetzten Fachbehörde sei im Rahmen einer subjektbezogenen Schadensbetrachtung abzuverlangen, dafür Sorge zu tragen, dass sich keine von den Reinigungsunternehmen diktierte unangemessene Preisgestaltung etabliere. Abschließend geht der BGH auf die Erwägungen des LG zum „Werkstattrisiko“ ein. Für diesen Gesichtspunkt sieht er angesichts der beim Geschädigten vorhandenen Sachkunde keinen Raum.
Praxishinweis
Nach den Autovermietern und den Sachverständigen nun die Straßenreinigungsunternehmen? Seit Jahren besteht zwischen den Nassreinigungsfirmen und den hinter den Schädigern stehenden VR Streit über Notwendigkeit und Umfang der jeweils in Rechnung gestellten Leistungen.
Die schadensrechtliche Kernbotschaft der BGH-Entscheidung, die über den konkreten Fall hinaus von allgemeiner Bedeutung ist, ist im Leitsatz der Entscheidung nicht enthalten. Sie findet sich in den Anschlusssätzen unter Tz. 29/30. Der Grundsatz von der Autonomie des Schadenrechts, von der Unabhängigkeit vom Vertragsrecht gilt nicht uneingeschränkt. Sofern eine übliche Vergütung existiert und damit konkludent bzw. stillschweigend vereinbart ist, soll sie der (alleinige?) Maßstab des Erforderlichen sein. Bislang wurde der VI. ZS vielfach dahin verstanden, dass die Ersatzfähigkeit („Erforderlichkeit“) nicht von der Üblichkeit nach § 632 Abs. 2 Alt. 2 BGB abhängt. Eine Stütze hat diese Sichtweise in so manchen Entscheidungen (z.B. VersR 07, 560 Tz. 14). Für Abschleppkosten hat das OLG Celle jüngst entschieden: voller Rechnungsbetrag, sofern deutliches Überschreiten des Üblichen nicht erkennbar (9.10.13, 14 U 55/13, Abruf-Nr. 133275). Der Schwarze Peter wird dem VR zugeschoben, der sich einen etwaigen Ersatzanspruch ja abtreten lassen könne (wovon der bekl. VR keinen Gebrauch gemacht hat, weshalb er sich jetzt, so das LG dunkel, nicht auf Treu und Glauben berufen könne).
Außerhalb des Mietwagenkostenersatzes, für den seit Ende 2004 ein Sondermodell gilt, wird die Erkennbarkeit meist (nur) mit der Schadenminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB in Verbindung gebracht. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten haben ihren Platz indessen schon auf der Erforderlichkeitsebene, was bekanntlich für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast von enormer Bedeutung ist. Schlüsselbegriff ist für den BGH die „subjektbezogene Schadensbetrachtung“. Den Laien damit zu schützen, findet außerhalb der Versicherungswirtschaft allgemeine Zustimmung. Doch auch umgekehrt kann ein Schuh daraus werden, was Geschädigte mit eigener Expertise zur Vorsicht mahnt, wenn sie nach einem Haftpflichtschaden Aufträge zur Schadensbeseitigung erteilen. Dass der BGH auch Behörden in die Pflicht nimmt, ist angesichts des notorisch unterentwickelten Kostenbewusstseins in diesem Bereich ausdrücklich zu begrüßen. Wie eine technische Dienststelle wie eine Straßenmeisterei oder ein Bauamt die ihr abverlangte „Preiskontrolle“ konkret bewerkstelligen soll, sagt der BGH freilich nicht.
Bleibt für den Schadenersatzprozess die Frage, welche Anforderungen an das Bestreiten der Erforderlichkeit des Rechnungsbetrages zu stellen sind, wenn der Geschädigte unter Vorlage der Rechnung konkret abrechnet. Ein „einfaches“ Bestreiten genügt laut BGH nicht. Aber was konkret muss der Schädiger/VR vortragen, um mit seinem Einwand „überhöhte Preise“ gehört zu werden? Konkurrenzangebote braucht er nicht vorzulegen, erst recht kein Privatgutachten. Nutzt er diese Konkretisierungsmöglichkeiten, ist er allemal auf der sicheren Seite. Dies aber auch schon dann, wenn er die Rechnungspreise lediglich als „unüblich“, oder als „marktwidrig überhöht“ bezeichnet. Besondere Anforderungen an die Konkretisierung des Sachvortrags stellt der BGH nicht, weder im Entscheidungsfall noch sonst (zu Mietwagenkosten s. NJW 06, 1726 Tz. 16).
Weiterführender Hinweis
- Zu den realen Möglichkeiten einer „Preiskontrolle“ einer Autobahnmeisterei: OLG Düsseldorf 17.12.13, I-1 U 41/13, Abruf-Nr. 140164; zum Thema „übliche Vergütung“ auch LG Karlsruhe 20.12.13, 9 S 671/09, Abruf-Nr. 140090.