06.06.2008 | Praxiswissen für den Vorstand
Minderjährige im Verein: Antworten auf alle rechtlichen Fragen
Kinder und Jugendliche sind für viele Vereine eine wichtige Zielgruppe. Da sie aber nicht oder nur beschränkt geschäftsfähig sind, entstehen eine Reihe rechtlicher Fragen bei der Mitgliedschaft Minderjähriger. Der Verein muss in seinem Tagesgeschäft zwischen volljährigen Vereinsmitgliedern und Minderjährigen unterscheiden, da sich für den Verein bei den verschiedenen Altersstufen jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben.
Rechtliche Grundlagen
Bei Minderjährigen (also Personen vor Vollendung des 18. Lebensjahrs) muss unterschieden werden zwischen
- Geschäftsunfähigen (unter 7 Jahren) und
- beschränkt Geschäftsfähigen (7- bis 17-Jährige).
Andere Altersgrenzen sind für die Mitgliedschaft ohne Belang, können aber in anderer Hinsicht für den Verein von Bedeutung sein (zum Beispiel bei Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes).
Geschäftsunfähige Kinder
Kinder unter sieben Jahren sind geschäftsunfähig. Sie können keine rechtlich verbindlichen Willenserklärungen abgeben (§ 105 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) und damit selbst keine Rechtsgeschäfte abschließen. Im Rechtsverkehr müssen immer die gesetzlichen Vertreter für sie handeln. In der Regel sind das beide Elternteile (§ 1626 BGB). Ausschlaggebend ist hier, wer das Sorgerecht ausübt.
Sowohl beim Beitritt zum Verein als auch bei der Ausübung der Mitgliederrechte müssen also immer die gesetzlichen Vertreter für den Geschäftsunfähigen handeln. Für den Verein bedeutet das, dass er es im Umgang mit geschäftsunfähigen Mitgliedern ausnahmslos mit den Eltern zu tun hat.
Beschränkt geschäftsfähige Kinder
Als beschränkt geschäftsfähig gilt, wer das 7. Lebensjahr, aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat (§ 106 BGB). Diese Jugendlichen können Rechtsgeschäfte eingehen. Diese sind aber von der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter abhängig. Die Zustimmung kann vorab oder im Nachhinein erteilt werden.
Ein Vertrag, der ohne Einwilligung der Eltern abgeschlossen wurde, gilt als „schwebend unwirksam“. Das heißt: Die abgegebene Willenserklärung (und somit auch das Rechtsgeschäft) ist solange nichtig, bis die Eltern das Rechtsgeschäft genehmigen. Wird keine Genehmigung erteilt, ist das abgeschlossene Rechtsgeschäft unwirksam (§ 108 Absatz1 BGB). Von diesem Grundsatz gibt es zwei Ausnahmen:
- Rechtsgeschäfte, die einen lediglich rechtlichen Vorteil für den Jugendlichen darstellen. Das gilt typischerweise für Schenkungen.
- Der sogenannte Taschengeld-Paragraph (§ 110 BGB). Danach erfordern Rechtsgeschäfte nicht die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter, „wenn der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind“. Da die Beitragspflichten in aller Regel Dauerleistungen sind, wird aber auch diese Taschengeldregelung für die Mitgliedschaft ohne Bedeutung sein.
Haben die gesetzlichen Vertreter die Zustimmung zum Vereinsbeitritt erteilt, können beschränkt geschäftsfähige Minderjährige ihre Mitgliederrechte grundsätzlich selbst ausüben. Die Eltern können sich das Bestimmungsrecht aber auch generell oder von Fall zu Fall vorbehalten. Sie üben dann die Mitgliedschaftsrechte für den Minderjährigen aus (zum Beispiel Teilnahme an der Mitgliederversammlung oder Stimmrecht).
Vereinsgründung, Vereinsbeitritt und -ausschluss
Geschäftsunfähige können einem Verein nur durch ihre Eltern beitreten. Das gilt auch für die Beteiligung an der Gründung. Geschäftsunfähige können also Gründungsmitglied sein. Die dafür erforderlichen Erklärungen müssen aber von den Eltern abgegeben werden. Dies bedeutet, dass die Eltern ein Aufnahmegesuch für den Jugendlichen stellen bzw. die Beitrittserklärung unterschreiben müssen.
Beschränkt geschäftsfähige Jugendliche können dagegen selbst eine Beitrittserklärung unterschreiben. Da die Vereinsmitgliedschaft jedoch nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil für den Jugendlichen darstellt (siehe oben), müssen die Eltern ihre Einwilligung zum Mitgliedschaftsvertrag zwischen Jugendlichem und Verein erteilen. Anders als bei den Geschäftsunfähigen kann das aber auch im Nachhinein geschehen.
Unser Tipp: Wegen der rechtlichen Unsicherheiten solcher „schwebend unwirksamen“ Beitrittserklärungen sollte der Verein von vornherein auf der Unterschrift der Eltern auf dem Beitrittsformular bestehen.
Wird ein minderjähriges Mitglied aus dem Verein ausgeschlossen, haben die gesetzlichen Vertreter das Recht, in das Verfahren einbezogen zu werden. Das betrifft insbesondere die Anhörung des Mitglieds und gilt unabhängig von eventuellen Satzungsregelungen. Nutzen Vertreter ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht, bleibt der Ausschluss wirksam.
Unser Tipp: Damit die Eltern das Vertretungsrecht wahrnehmen können, sollten sie – und nicht nur der Minderjährige – über den Ausschluss informiert werden. Alle Unterlagen, die für das Ausschlussverfahren von Bedeutung sind, müssen ihnen zugänglich gemacht werden.
Beitragspflicht
Die Beitragspflichten betreffen immer das Mitglied selbst. Das gilt auch für den Minderjährigen. Er – und nicht sein gesetzlicher Vertreter – ist Vertragspartner des Vereins geworden und hat somit seine Pflichten aus dem Vertrag zu erfüllen.
Beitragsschuldner ist also nicht der gesetzliche Vertreter. Das kann auch die Satzung nicht anders regeln. Sie kann nur die Aufnahme von beschränkt Geschäftsfähigen davon abhängig machen, dass der gesetzliche Vertreter für Beiträge des Mitglieds haftet (Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 13.9.1999, Az: 15 W 195/99). Eine Zahlungsverpflichtung muss sich aus dem Aufnahmeantrag ergeben. Es sei denn, der gesetzliche Vertreter unterwirft sich als Nichtmitglied durch eigenen Vertrag der Satzung.
Unser Tipp: Es empfiehlt sich deshalb unbedingt eine entsprechende Klausel im Beitrittsformular, die Eltern für die Beiträge in Haftung nimmt:
Musterklausel in der Beitrittserklärung
„Als gesetzlicher Vertreter erkläre ich mein Einverständnis, für die aus der Mitgliedschaft entstehenden Beitragsverpflichtungen einzustehen.“ |
Mitgliederversammlung und Stimmrecht
Wie die anderen Mitgliederrechte steht dem Minderjährigen auch das Teilnehmerrecht an der Mitgliederversammlung, das Rede- und Antragsrecht sowie das Stimmrecht persönlich zu.
Im allgemeinen kann man annehmen, dass der gesetzliche Vertreter mit der Zustimmung zum Vereinsbeitritt auch allen Handlungen zustimmt, die im Rahmen der Mitgliedschaft anfallen. Grundsätzlich kann das minderjährige Mitglied die Mitgliedschaftsrechte also selbst wahrnehmen. Diese Zustimmung des gesetzlichen Vertreters kann aber jederzeit widerrufen werden. Die Eltern können also das Stimmrecht nach Belieben selbst ausüben, wenn die Satzung das nicht ausschließt. Das gilt sowohl allgemein als auch für einzelne Versammlungen oder Abstimmungen.
Minderjährige im Vorstand
Ein Geschäftsunfähiger – also ein Kind unter 7 Jahren – kann nicht Vereinsvorstand werden, weil er keine rechtswirksame Willenserklärung abgeben kann. Anders ist es beim beschränkt Geschäftsfähigen. Er kann Vorstandsmitglied werden. Dazu benötigt er aber – wie beim Vereinsbeitritt – die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter.
Unser Tipp: Natürlich wird ein 10-jähriger nicht in der Lage sein, das Vorstandsamt auszufüllen. Deswegen sollte die Satzung unter Umständen ein Mindestalter als Voraussetzung für das passive Wahlrecht festlegen. Dabei muss nicht zwingend die Volljährigkeit vorausgesetzt werden. So könnte die Satzung die Kandidatur ab 16 Jahren erlauben. Sinnvoll wird das vor allem für Mitglieder des erweiterten Vorstands sein, aber auch für andere Ämter wie zum Beispiel die Leitung von Jugendabteilungen.
Sonderregelungen für Jugendliche in der Satzung
Trifft die Satzung für Minderjährige keine Sonderregelungen, haben sie die gleichen Mitgliedschaftsrechte wie volljährige Mitglieder – auch wenn diese je nach Fall von den gesetzlichen Vertretern ausgeübt werden.
Beschlussrecht kann genauso ausgeschlossen werden ...
Die Satzung kann aber für Minderjährige einen Sonderstatus definieren. Meist beschränkt sich das auf den Ausschluss des Stimmrechts. Das ist deswegen sinnvoll, weil dann nicht geprüft werden muss, ob die Zustimmung der Eltern vorliegt. Wie alle Eingriffe in die Mitgliederrechte sind aber solche Einschränkungen nur rechtsgültig, wenn sie per Satzung geregelt werden. Vereinsordnungen – wie zum Beispiel eine Geschäftsordnung der Mitgliederversammlung oder eine Wahlordnung – genügen nicht.
Die Fassung rechtssicherer Beschlüsse kann aber auch dadurch vereinfacht werden, dass die Satzung das Stimmrecht grundsätzlich auf die gesetzlichen Vertreter überträgt.
... wie das Rede- und Antragsrecht
Ebenfalls ausschließen kann die Satzung das Rede- und Antragsrecht für Minderjährige. Da damit aber keine rechtlichen Folgen verbunden sind und folglich keine Einbindung der gesetzliche Vertreter nötig ist, wird eine solche Regelung kaum von Vorteil sein. Eine angemessene Jugendarbeit im Verein wird im Gegenteil dahin gehen, wenigstens ein Mitreden zu erlauben, wenn schon die Mitbestimmung verweigert wird.
Anders als das Stimmrecht kann die Teilnahme an der Mitgliederversammlung dagegen nicht generell versagt werden. Trifft die Satzung keine Regelung, haben damit faktisch auch die Eltern ein Teilnahmerecht. Die Satzung kann aber bestimmen, dass nur die Eltern teilnehmen dürfen.
Das Gleiche gilt für das Minderheitenrecht nach § 37 BGB. Bei der Berechnung der Mindestmitgliederzahl zur Einberufung einer Mitgliederversammlung müssen die Stimmen der Minderjährigen (eventuell vertreten durch die Eltern) also mitgezählt werden.
Übergang in die Volljährigkeit
In der Regel werden aus „Jugendmitgliedern“ mit Erreichen der Volljährigkeit automatisch Vollmitglieder. Die Satzung kann aber auch vorsehen, dass die Mitgliedschaft mit Erreichen des 18. Lebensjahres erlischt, die Vollmitgliedschaft also eigens beantragt werden muss.