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  • 03.12.2010 | Strafrecht

    Veruntreuung von Vereinsvermögen: Wann macht sich der Vorstand strafbar?

    Kommt es im Verein zu Auseinandersetzungen um die korrekte Mittelverwendung, wird nicht selten der Vorwurf der „Untreue“ laut. Eine solche Anschuldigung hat Gewicht, weil - soweit sie berechtigt ist - zu einer eventuellen Schadenersatzpflicht des Vorstands ein strafrechtlich relevantes Vergehen hinzukäme. Erfahren Sie deshalb nachfolgend, wann sich der Vorstand wirklich strafbar macht, weil er mit den ihm anvertrauten Vereinsvermögen nicht richtig umgeht.  

    Was ist Untreue?

    Hier lohnt zunächst ein Blick in das Strafgesetzbuch (StGB). Der „Untreue-Paragraf“ § 266 lautet wie folgt:  

    Wortlaut § 266 StGB:

    „Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“  

     

    Untreue liegt damit - allgemein gefasst - vor, wenn eine nach außen - also gegenüber Dritten - wirkende Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis besteht und eine im Innenverhältnis übernommene Vermögensbetreuungspflicht verletzt wird. Vereinfacht gesagt: Der Täter missbraucht seine Pflichten als Vermögensverwalter und schädigt dadurch den Eigentümer des Vermögens (hier den Verein). Das Delikt besteht also in der Schädigung des Vermögens. Damit muss - anders als bei Betrugsdelikten - keine Bereicherung des Täters oder eines Dritten verbunden sein.  

    Wer im Verein kann betroffen sein?

    Im Verein ergibt sich die Berechtigung und die Pflicht zur Vermögensbetreuung aus der Satzung. Sie betrifft damit in der Praxis fast ausschließlich Organmitglieder.  

     

    Kaum Relevanz bei einfachen Mitgliedern

    Einfache Mitglieder könnten nur in Ausnahmefällen Täter eines Untreuedelikts sein. Hier kämen als vergleichbare Vermögensdelikte eher Unterschlagung oder Betrug in Frage. Auch als Mitglieder des Organs Mitgliederversammlung können einfache Mitglieder keine Untreue begehen (durch entsprechende Beschlussfassung), weil die Mitgliederversammlung keine fremden Vermögensinteressen wahrnimmt.  

    Der Vorstand als Hauptbetroffener

    Zunächst liegt die Verwaltung des Vereinsvermögens im Aufgabenbereich des Vorstands - genauer des vertretungsberechtigten Vorstands. Es kommt dabei nicht darauf an, dass der Vorstand ins Vereinsregister eingetragen ist. Die Vermögensbetreuungspflicht beginnt mit der Annahme des Vorstandsamts und endet mit der Niederlegung oder Abberufung. Neben dem Vorstand kommen als Täter eines Untreuedeliktes in Frage:  

     

    • Der Notvorstand.
    • Der besondere Vertreter nach § 30 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB], soweit zu seinen Aufgaben - zumindest in Teilen - auch die Vermögensverwaltung gehört.
    • Die Liquidatoren und der Insolvenzverwalter - nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aber nicht mehr der Vorstand.

     

    Vorstandsmitglieder, die nicht vertretungsberechtigt sind, können keine Haupttäter eines Untreuevergehens sein. Durch die Beteiligung an entsprechenden Beschlüssen, die die BGB-Vorstände dann umsetzen, kommen sie aber als Tatgehilfen in Frage.  

    Die Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands

    Die Berechtigung und Verpflichtung zur Verwaltung des Vereinsvermögens ergibt sich aus Satzung und Gesetz. Die Satzung muss dabei keine eigenen Vorschriften zur Vermögensbetreuung enthalten, sie folgt aus den gesetzlichen Vorgaben (§ 26 und 27 Absatz 3 BGB in Verbindung mit §§ 664 bis 670). Die Satzung kann hier aber Einschränkungen treffen.  

     

    Hauptsächlich ergeben sich die Vermögensbetreuungspflichten des Vorstands aus der Satzung, dem konkreten Satzungszweck und dem damit definierten Vereinsinteresse. Weitere Vorgaben können sich aus einer Finanzordnung ergeben; besondere Aufgaben einzelner Vorstandsmitglieder auch aus einer Ressortaufteilung. Bei hauptamtlichen Vorstandsmitgliedern können zudem noch Verhaltenspflichten aus dem Anstellungsvertrag von Belang sein. Auch aus Beschlüssen der Mitgliederversammlung ergeben sich Verhaltenspflichten, die zu Untreue führen können, wenn der Vorstand dagegen verstößt.  

    Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht

    Untreue setzt voraus, dass das Vereinsvermögen insgesamt gemindert wurde. Beim Vorwurf der Fehlverwendung musst deshalb immer geprüft werden, ob nicht im Gegenzug ein Vermögenszuwachs eintrat oder die Fehlverwendung ohne Folgen für das Vermögen geblieben ist.  

     

    Beispiel

    Verwendet der Vorstand zweckgebundene Spenden anders als vom Spender verlangt, liegt kein Vermögensschaden vor, wenn der Spender keine Rückzahlung verlangt. Der Tatbestand der Untreue ist dann nicht erfüllt.  

     

    Untreue erfordert vorsätzliches oder bedingt vorsätzliches Handeln

    Ein Untreuedelikt liegt nur vor, wenn der Täter - zumindest bedingt - vorsätzlich handelt. Er muss es also ernsthaft für möglich halten, dass sein Verhalten das Vereinsvermögen gefährden oder schädigen kann und muss dies billigend in Kauf nehmen. Fahrlässigkeit genügt dagegen nicht für eine Untreue. Diese läge vor, wenn der Täter zwar die Gefahr kennt, aber darauf vertraut, dass nichts passieren wird. Im Einzelfall ist hier eine Abgrenzung naturgemäß schwierig.  

     

    Der Vorsatz wird vor allem dann in Zweifel stehen, wenn der Täter nicht eigennützig handelt, also durch die Untreue weder sich noch ihm nahestehende Personen begünstigt.  

     

    Untreue mit eigenem Vorteil

    In aller erster Linie sind es deshalb Pflichtwidrigkeiten zu eigenen Gunsten, die den Tatbestand der Untreue erfüllen:  

     

    • Der Vorstand zahlt sich Vergütungen aus, obwohl er laut Satzung ehrenamtlich tätig ist.
    • Der Vorstand zahlt sich für Tätigkeiten für den Verein ein deutlich überhöhtes Honorar.
    • Der Schatzmeister eines Vereins entnimmt Mittel aus der Kasse für private Einkäufe.

     

    Wichtig: Bei gemeinnützigen Vereinen führen überhöhte Vergütungen grundsätzlich zu einem Untreuetatbestand, weil die Satzung sie im Rahmen der Selbstlosigkeitsklausel verbietet. Diese steuerliche Vorschrift bindet auch zivil- und strafrechtlich.  

     

    Untreue ohne eigenen Vorteil

    Auch ohne eigenen Vorteil kann aber eine Untreue vorliegen, wenn durch satzungswidriges Handeln ein Vermögensschaden eintritt:  

     

    Beispiele

    • Der Vorstandsvorsitzende eines Fußballvereins zahlt aus Vereinsmitteln Bestechungsgelder an fremde Spieler, um den Spielausgang zu beeinflussen. Hier liegt ein schwerer Regelverstoß vor und damit ein satzungswidriges Verhalten (Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 27.2.1975, Az: 4 StR 571/74).
    • Der Vorstand eines Tierschutzvereins hat mit weit über den Finanzverhältnissen des Vereins liegenden Mitteln ein fremdes Vorhaben finanziert (Bau einer Reitsportanlage), das nur zum kleineren Teil auch Vereinszwecken dienen soll. Auch hier liegt ein satzungswidriges Verhalten vor, weil sich Verfügungen des Vereinsvorsitzenden im Rahmen des Satzungszwecks und im Rahmen dessen halten müssen, was der Verein nach seinen Satzungszwecken zu leisten in der Lage ist (BGH, Urteil vom 5.2.1991, Az: 1 StR 623/90).
     

     

    Beachten Sie: Auch gescheiterte Versuche zur Vermögensmehrung - bei riskanten Kapitalanlagen - können zur Untreue führen.  

    Beispiel

    Der Verwaltungsleiter einer Stiftung, dem nur die laufende Geschäftsführung übertragen war, legt Rücklagen in der Hoffnung auf Gewinn spekulativ an und verliert dabei hohe Summen (BGH, Urteil vom 11.10.2000, Az: 3 StR 336/00).  

     

    Freizeichnung durch Zustimmung der Mitgliederversammlung

    Ist unklar, ob eine Vermögensverfügung problematisch ist, kann sich der Vorstand durch einen Beschluss der Mitgliederversammlung freistellen lassen. Unter Umständen ist hier laut Satzung auch ein anderes Organ zuständig (zum Beispiel ein Verwaltungsrat).  

     

    Praxishinweis

    Der Vorstand sollte besonders bei Vermögensanlagen mit Verlustrisiko die Zustimmung der Mitgliederversammlung einholen. In diesem Zusammenhang sollte er sich auch von zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen freistellen lassen.  

     

     

    Wichtig: Eine stillschweigende Duldung bedeutet noch keine Genehmigung. So kann der Untreuetatbestand erfüllt sein, obwohl die Mitgliederversammlung von überhöhten Vergütungen wusste und dem Vorstand trotzdem die Entlastung erteilte.  

     

    Die Einwilligung der Mitgliederversammlung ist außerdem nicht in jedem Fall wirksam. Das gilt insbesondere bei Gesetzesverstößen (zum Beispiel Verwendung der Mittel zur Bestechung eines Behördenmitarbeiters) und Verstößen gegen die Satzung (satzungsdurchbrechende Beschlüsse).  

    Besonderheiten bei gemeinnützigen Vereinen

    Der Vermögensschaden, der für eine Untreuehandlung erforderlich ist, kann sich bei gemeinnützigen Organisationen auch mittelbar ergeben; nämlich dann, wenn die eigentliche Vermögensverwendung zu keinem direkten Vermögensverlust führt, aber die Aberkennung der Gemeinnützigkeit zur Folge hat. Die so entstehenden Nachteile (Wegfall von Steuervergünstigungen, Steuernachzahlungen) führen dann zu einem Vermögensschaden, bei dem der Tatbestand der Untreue erfüllt sein kann (Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 29.4.1999, Az: 2 Ws 71/99).  

     

    Dass hier ein Untreuetatbestand wirklich nachgewiesen werden kann, dürfte aber die Ausnahme sein. Überwiegend werden Fehler, die zum Entzug der Gemeinnützigkeit führen, ja aus Unkenntnis der steuerlichen Problemstellung gemacht. Es fehlt also der Vorsatz.  

     

    Beachten Sie: Für die Steuerhaftung des Vorstands genügt aber grobe Fahrlässigkeit. Und diese liegt bei Verstößen gegen gemeinnützigkeitsrechtliche Vorgaben regelmäßig vor.  

     

    Quelle: Ausgabe 12 / 2010 | Seite 10 | ID 140600