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  • · Fachbeitrag · Gemeinnützigkeit

    Bürokratieentlastungsgesetz regelt wirtschaftliche Hilfebedürftigkeit in Katastrophenfällen neu

    | Wann eine Notlage gemäß § 53 Nr. 2 S. 3 AO angenommen werden kann und wie sich in dem Zusammenhang der Nachweis der Hilfebedürftigkeit gestaltet, wird künftig durch Neufassung des § 53 AO klarer geregelt sein. Die Änderungen finden sich im Bürokratieentlastungsgesetz IV, dem der Bundesrat am 27.09.2024 zugestimmt hat. |

    Das ist die bisherige Regelung

    Vereine verfolgen gemäß § 53 AO mildtätige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, hilfebedürftige Personen selbstlos zu unterstützen. § 53 AO unterscheidet zwischen persönlicher und wirtschaftlicher Hilfebedürftigkeit. Grundsätzlich gilt für die wirtschaftliche Hilfebedürftigkeit gemäß § 53 Nr. 2 AO: Personen sind wirtschaftlich hilfebedürftig, wenn ihre Bezüge nicht höher sind als das Vierfache bzw. Fünffache des Sozialhilferegelsatzes. Vorhandenes Vermögen muss für den Unterhalt verwendet werden.

     

    Bei Personen, deren wirtschaftliche Lage aus besonderen Gründen zu einer Notlage geworden ist, dürfen die Bezüge oder das Vermögen die in § 53 Nr. 2 AO genannten Grenzen übersteigen. Damit gelten Personen unabhängig ihrer Einkommens- bzw. Vermögenslage als wirtschaftlich hilfebedürftig, wenn und soweit sich ihre wirtschaftliche Lage aus besonderen Gründen als Notlage darstellt.

     

    Problematisch ist jedoch die Definition wirtschaftlicher Hilfebedürftigkeit im Gemeinnützigkeitsrecht. Das gilt sowohl für die Frage,

    • wann besondere Gründe für eine Notlage gemäß § 53 Nr. 2 S. 3 AO bestehen als auch,
    • wie die Nachweise dazu zu erbringen sind.

     

    In der Praxis hat sich dies bei der Flutkatastrophe 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gezeigt. Durch einen Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) erfolgte eine Klarstellung des Bundesfinanzministeriums (BMF, Schreiben vom 05.02.2024, Az. IV D 1 ‒ S 0062/23/10003 :001, Abruf-Nr. 240120). Dieser Anwendungserlass wird nun inhaltlich durch die Neuregelung des § 53 AO gesetzlich verankert.

    Das ändert sich durch die Neuregelung

    Die Regelung in § 53 Nr. 2 S. 3 AO wird ersetzt durch die neue Nr. 3. Danach dürfen ‒ wie bisher ‒ unabhängig von deren Einkommen und Vermögen Personen unterstützt werden, „deren wirtschaftliche Lage aus besonderen Gründen zu einer Notlage geworden ist. Als besondere Gründe gelten insbesondere Katastrophen, die durch Erlass des Bundesministeriums der Finanzen oder einer obersten Finanzbehörde der Länder festgestellt wurden. In diesen Fällen reicht es für den Nachweis der Hilfebedürftigkeit aus, wenn die durch die Katastrophe entstandene Notlage sowie die Mehraufwendungen glaubhaft gemacht werden.“

     

    Das sind die besonderen Gründe für eine Notlage

    Die Neuregelung stellt klar, dass besondere Gründe für eine Notlage insbesondere Katastrophen sind. Dieser Katastrophenstatus wird durch Erlass des BMF oder einer obersten Landesfinanzbehörde festgestellt. Diese Erlässe kommen schon bisher regelmäßig und meist auch recht zeitnah von den genannten Finanzbehörden, neu ist die gesetzliche Verankerung.

     

    Offen bleibt jedoch, welche anderen Fälle es neben Katastrophen gibt, bei denen die Einkommensgrenzen ebenfalls nicht gelten. Vorstellbar sind persönliche Unglücksfälle und ähnliche Ereignisse. Hier ist aber anders als in Katastrophenfällen keine vereinfachte Nachweispflicht vorgesehen. Das ist problematisch, weil auch hier regelmäßig schnelle Hilfe gefordert ist und der Nachweis des Bedarfs und des anrechenbaren Einkommens und Vermögens ebenfalls eine rasche Unterstützung erschweren kann.

     

    Erleichterungen bei der Nachweispflicht im Katastrophenfall

    Wenn der Katastrophenfall durch das BMF/die obersten Landesfinanzbehörden festgestellt wurde, müssen die entstandene Notlage sowie die Mehraufwendungen nur „glaubhaft gemacht werden“. Es sind also keine Einzelnachweise oder konkrete Kostenaufstellungen erforderlich. Dadurch ‒ so die Gesetzesbegründung ‒ können steuerbegünstigten Körperschaften schnell und unbürokratisch Hilfe leisten.

     

    Es wird also eine grobe Erfassung der Schäden und des daraus entstehenden Bedarfs genügen, weil genauere Aufstellungen ‒ insbesondere der Kosten ‒ kurzfristig sowieso nicht möglich sein werden.

     

    Wichtig | Höhere Beträge werden ohnehin erst für die Sanierung oder den Wiederaufbau von Gebäuden erforderlich sein. Kurzfristig werden größere Aufwendungen vor allem dazu dienen, Gebäude u. ä. vor dem Einsturz zu bewahren. Damit können Hilfseinrichtungen das unmittelbar Existenznotwendige in jedem Fall ohne Rücksicht auf die tatsächliche wirtschaftliche Hilfebedürftigkeit leisten.

    Das gilt für (künftige) Leistungen Dritter

    Sofern Leistungen von dritter Seite, auf die ein Anspruch besteht, zeitlich verzögert geleistet werden, sind die betroffenen Personen für den dadurch entstehenden Überbrückungszeitraum als hilfebedürftig anzusehen. Das stellt die Gesetzesbegründung klar.

     

    Solche Leistungen können insbesondere Versicherungsleistungen oder direkte staatliche Hilfen sein. Die dadurch entstehenden Liquiditätseinbußen oder sonstige erlittene Nachteile können somit von steuerbegünstigten Körperschaften bspw. durch die Auszahlung zinsloser Darlehen oder vorübergehende unentgeltliche Nutzungsüberlassungen ausgeglichen werden. Diese Regelung findet sich bereits im Wortlaut des (geänderten) AEAO.

     

    Der Fall verzögerter Auszahlungen, insbesondere von Versicherungsleistungen, wird dabei recht häufig vorkommen. Vielfach wird auch unklar sein, ob und in welchem Umfang überhaupt geleistet wird.

     

    PRAXISTIPP | Für Hilfseinrichtungen bedeutet das, dass sie Geldleistungen im Zweifel unter Rückzahlungsvorbehalt leisten sollten. Die Zahlungen sollten also zunächst als Darlehen gegeben werden, die nicht zurückgezahlt werden müssen, wenn die Leistungen Dritter ausbleiben.

     

    Unproblematisch werden dagegen in der Regel Sachleistungen sein (z. B. Nahrungsmittel, Kleidung, Möbel oder die Bereitstellung von Wohnraum), weil sie meist im Rahmen des unbedingt Erforderlichen bleiben.

     

    Wichtig | Unterstützungsleistungen müssen aber immer an bedürftige Personen gehen. Leistungen, die sich auf die betriebliche oder berufliche Tätigkeit von Unternehmen oder Selbständigen beziehen, sind ‒ auch in Katastrophenfällen ‒ nicht begünstigt (LfSt Rheinland-Pfalz, Schreiben vom 27.07.2021, Az. S 1915 A ‒ St 33).

    Die Neuregelung auf einen Blick

    Die Übersicht fasst die Neuregelung zur Hilfebedürftigkeit bei einem Katastrophenfall nochmal zusammen.

     

     

    Quelle: Ausgabe 11 / 2024 | Seite 16 | ID 50217958