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  • 17.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122537

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 14.06.2012 – 5 K 117/11

    1. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG für Umsatzerlöse eines Integrationsprojektes i.S.d. § 68 Abs. 3 Buchst. c AO erfordert, dass im Zeitpunkt der Verwirklichung der Erlöse die 40 prozentige Beschäftigungsquote des § 68 Abs. 3 Buchst. c AO erfüllt ist.


    2. Ausnahen hiervon gelten auch für eine Anlaufphase zum Aufbau des Integrationsunternehmens nicht.


    3. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ist als Ausnahmetatbestand eng auszulegen.


    Niedersächsisches Finanzgericht
    5. Senat
    Urteil vom 14.06.2012

    5 K 117/11

    Tatbestand

    Streitig ist, ob die Klägerin einen Zweckbetrieb im Sinne des § 68 Nr. 3 Buchst. c der Abgabenordnung (AO) unterhielt und die Umsatzerlöse dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen.

    Bei der Klägerin handelt es sich um eine am … gegründete gemeinnützige GmbH. Satzungszweck sind schwerpunktmäßig Maßnahmen auf dem Gebiet der Behinderten- und Jugendhilfe, insbesondere die berufliche Qualifizierung und soziale Betreuung schwer vermittelbarer arbeitsloser und behinderter Menschen. Diese Zwecke sollten u.a. durch Betreiben von Integrationsunternehmen im Sinne des § 68 Nr. 3 Buchst. c AO verwirklicht werden.

    Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) erteilte der Klägerin eine „vorläufige Bescheinigung“, dass sie ihrer Satzung nach ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken im Sinne der § 51 ff AO diene. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insofern auf die Bescheinigung vom 21.09.2007 (Körperschaftsteuerakte, Vorheftung -nicht paginiert-) Bezug genommen.

    Ab 01.08.2007 pachtete die Klägerin das … und führte von diesem Zeitpunkt an das zuvor von der „… gGmbH“ im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes betriebene Seminarhotel fort.

    Am 03.08.2007 bewilligte das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie – Integrationsamt – Leistungen aus Mitteln der Ausgleichsabgabe zum Aufbau eines Integrationsunternehmens mit sieben Arbeitsplätzen, davon mindestens 2, höchstens 3 Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insofern auf den Bewilligungsbescheid vom 03.08.2007 (Halbhefter „Integrationsprojekt“, Heftung „Anlage 2“ -nicht paginiert-) Bezug genommen.

    Die ersten Anstellungen schwerbehinderter Mitarbeiter im Sinne des § 132 Abs. 1 des Neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) erfolgten im Jahr 2008; so wurden zwei Personen ab 01.02.2008 und eine weitere Person ab 01.05.2008 beschäftigt.

    Im Folgenden entstand Streit unter den Beteiligten, ob die Klägerin bereits nach Aufnahme ihres Geschäftsbetriebes im August 2007 oder aufgrund des Überschreitens der 40%-Grenze des § 68 Nr. 3 Buchst. c AO im Mai 2008 erst ab dem Veranlagungszeitraum 2008 einen Zweckbetrieb unterhielt und ob die Umsatzerlöse des Streitjahres dem ermäßigten Steuersatz unterfallen.

    Der Beklagte unterwarf die Umsatzerlöse aus dem Betrieb des Seminarhotels im Streitjahr dem Regelsteuersatz. Der Einspruch gegen den Umsatzsteueränderungsbescheid vom 26.11.2009 hatte nur insoweit Erfolg, als der Beklagte die Umsatzsteuer aus den Bruttoerlösen nicht herausgerechnet hatte. Insofern erging am 25.11.2010 ein Änderungsbescheid, durch den die Umsatzsteuer auf … € herabgesetzt wurde. Den weitergehenden Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsbescheid vom 15.02.2011 als unbegründet zurück.

    Die Klägerin habe das Seminarhotel im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben im Sinnes § 14 AO betrieben, der keinen Zweckbetrieb im Sinne der §§ 65 bis 68 AO darstelle. Insbesondere seien im Streitjahr die Voraussetzungen des § 68 Nr. 3 Buchst. c AO noch nicht erfüllt, da diese Vorschrift eine im Streitjahr nicht erreichte Beschäftigungsquote Schwerbehinderter von mindestens 40% erfordere.

    Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin im Jahr 2007 durch Vorstellungsgespräche, Praktika und Trainingsmaßnahmen mit behinderten Menschen Vorbereitungshandlungen für das Integrationsprojekt durchgeführt habe und ihr eine gewisse Anlauffrist zu gewähren sei. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe zwar durch Urteil vom 23.07.2003 - I R 29/02 entschieden, dass bereits Tätigkeiten einer neugegründeten Körperschaft zur Vorbereitung steuerbegünstigter Satzungszwecke ausreichen könnten, um tätigkeitsbezogene Voraussetzungen der Steuerbefreiung zu erfüllen. Vorliegend habe die Klägerin aber neben den Vorbereitungshandlungen durch die Fortführung des Seminarhotels eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt, die nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 68 Nr. 3 Buchst. c AO erfüllt habe.

    Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung die Klägerin Folgendes vorträgt:

    2007 habe sie - parallel zur Fortführung des übernommenen Seminarhotels - intensive Bemühungen unternommen, schwerbehinderte Mitarbeiter im Sine des §132 Abs. 1 SGB IX zu gewinnen. So seien Gespräche mit dem Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit und dem Integrationsfachdienst … geführt, Stellenanzeigen in Zeitungen geschaltet, Vorstellungsgespräche geführt sowie Trainingsmaßnahmen und Praktika durchgeführt worden. Hieraus ergebe sich ihr Bemühen, möglichst schnell die Voraussetzungen eines Integrationsbetriebes zu erfüllen. Im Mai 2008 sei es ihr gelungen, die 40%-Quote schwerbehinderter Beschäftigter des § 68 Nr. 3 Buchst. c AO zu erreichen.

    Wegen des zeitlichen Ablaufs der Bemühungen von der Bewerberauswahl bis zur Einstellung wird auf die Anlagen K 13.1 (Bl. 74 GA) und K 13.2 (Bl. 75 GA) Bezug genommen.

    Soweit der Beklagte meine, die Klägerin habe 2007 keinen Zweckbetrieb im Sinne des § 68 Nr. 3 Buchst. c AO unterhalten, überzeuge die Begründung dieser Auffassung nicht. Aus § 68 Nr. 3 Buchst. c AO ergebe sich nicht, dass die 40%-Grenze bereits bei Beginn der Tätigkeit einer Einrichtung oder zu Beginn eines Veranlagungszeitraums erfüllt sein müsse. Die Vorschrift bestimme lediglich, dass ein steuerbegünstigtes Integrationsprojekt vorliege, „wenn“ mindestens 40% der Beschäftigten begünstigte schwerbehinderte Menschen seien. Der Gesetzeswortlaut könne bei natürlicher Betrachtung sowohl temporal (in dem Sinne, dass „wenn“ für „sobald“, „ab dem Zeitpunkt“ bzw. „nachdem“ stehe) oder konditional (im Sinne von „insofern“, „insoweit“ oder „falls“) verstanden werden.

    Das FA vertrete die erste Auffassung, lasse es dann aber für die Begünstigung eines gesamten Veranlagungszeitraums genügen, wenn ab einem Zeitpunkt innerhalb dieses Veranlagungszeitraums die Beschäftigungsquote erfüllt sei.

    Bei der konditionalen Auslegung müsse die 40%-Quote bei einer Einrichtung irgendwann erreicht werden, um diese insgesamt als Integrationsprojekt ansehen zu können. Der Gesetzeswortlaut lasse dann aber die Auslegung zu, dass in einem solchen Fall die Eigenschaft als Integrationsprojekt auf den Beginn der Tätigkeit zurückwirke. Diese Auffassung vertrete die Klägerin.

    Auch der Gesichtspunkt der Abschnittsbesteuerung spreche nicht gegen diese Auslegung. Offenbar scheine auch der BFH in seinem Urteil vom 23.07.2003 - I R 29/02 dieser zweiten Auffassung zuzuneigen. Der BFH gehe in dem Entscheidungsfall davon aus, dass bereits Tätigkeiten einer neugegründeten Körperschaft, die die Verwirklichung der steuerbegünstigten Satzungszwecke nur vorbereiteten, ausreichten, um die tätigkeitsbezogenen Voraussetzungen der Steuerbefreiung zu erfüllen. Es genüge, wenn das Handeln der Körperschaft auf die Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sei und den Bestimmungen der Satzung entspreche. § 63 AO unterscheide hinsichtlich der tatsächlichen Geschäftsführung nicht zwischen vorbereitenden und solchen Handlungen, durch die ein Satzungszweck bereits verwirklicht werde.

    Die Tätigkeit der Klägerin gehe aus diesem Blickwinkel betrachtet sogar weit über die vom BFH geforderten Aktivitäten hinaus. So seien vorliegend nicht nur vorbereitende Maßnahmen im engeren Sinne zur Herstellung eines Integrationsbetriebs wie die Neuschaffung eines Geschäftsbetriebes und Einstellung schwerbehinderter Mitarbeiter unternommen worden. Von Beginn der Geschäftstätigkeit an im Jahr 2007 seien bei der Klägerin bereits schwerbehinderte Mitarbeiter in dem übernommenen Seminarhotel tätig geworden. Der spätere Integrationsbetrieb und damit der Satzungszweck sei insoweit bereits aktiv verwirklicht worden, auch wenn die geforderte Beschäftigungsquote noch nicht erreicht worden sei. Nach den Wertungen des BFH müsse daher der Betrieb der Klägerin bereits im gesamten Jahr 2007 als gemeinnütziger Zweckbetrieb angesehen werden. Da vorliegend unstreitig sein dürfte, dass die gesamte Tätigkeit bzw. das gesamte Bemühen der Klägerin bereits im Veranlagungszeitraum 2007 darauf gerichtet gewesen sei, die geforderte 40%-Beschäftigungsquote zur erreichen und dieses Bemühen im Mai 2008 zum gesetzlich geforderten Erfolg geführt habe, unterfalle die Klägerin bereits im Veranlagungszeitraum 2007 dem § 68 Nr. 3 c AO.

    Im Übrigen entfalte bereits der „Feststellungsbescheid über die Anerkennung der Gemeinnützigkeit“ vom 21.09.2007 Vertrauensschutz für den Veranlagungszeitraum 2007.

    In betragsmäßiger Hinsicht habe der Beklagte zu Unrecht Erlöse in Höhe von … € dem Regelsteuersatz unterworfen; tatsächlich seien - ausgehend von Bruttoerlösen von … € - Nettoerlöse von … € dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen.

    Im Übrigen vertrete die Klägerin die Auffassung, dass – entgegen der Ansicht des Beklagten in der Einspruchsentscheidung – auch die erweiterten Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 3 UStG gegeben sind. Wegen der Einzelheiten wird insofern auf die Schriftsätze vom 26.04.2011 Seite 10 – 14 (Bl. 23 – 27 GA) und vom 28.07.2011 Seite 5 und 6 (Bl. 71 und 72 GA) Bezug genommen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Umsatzsteuer 2007 unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides vom 26.11.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25.11.2010 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 15.02.2011 auf 2.467,58 € herabzusetzen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf den Einspruchsbescheid.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Der Umsatzsteuerbescheid vom 26.11.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25.11.2010 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 21.12.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

    Die Umsatzerlöse aus dem Betrieb des Seminarhotels unterliegen dem Regelsteuersatz, nicht dem ermäßigten Steuersatz.

    Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ermäßigt sich die Umsatzsteuer u.a. für die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO), außer es handelt sich um Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt Satz 1 nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 AO bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht.

    Die Steuerermäßigung in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG beruht auf Art. 98 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystemrichtlinie). Danach können die Mitgliedstaaten nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien einen ermäßigten Steuersatz anwenden. In Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie sind unter Nr. 15 steuerpflichtige Leistungen durch von den Mitgliedstaaten anerkannte gemeinnützige Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit genannt.

    Neben der unionsrechtlichen Grundlage ist bei der Auslegung von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG zu berücksichtigen, dass grundsätzlich der normale Steuersatz gilt und der ermäßigte Steuersatz die Ausnahme ist. Dementsprechend sind Tatbestandsmerkmale, die zu dieser Ausnahme führen, eng auszulegen (vgl. EuGH-Urteil vom 18.01.2001 Rs. C-83/99, „Kommission/Spanien“, BFH/NV Beilage 2001, 124; BFH-Urteil vom 23.02.2012 V R 59/09, DB 2012, 1308).

    Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist gemäß § 14 AO eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Schließt ein Steuergesetz eine Steuervergünstigung insoweit aus, als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sinne des § 14 AO unterhalten wird, so verliert die Körperschaft gemäß § 64 Abs. 1 AO die Steuervergünstigung für die dem Geschäftsbetrieb zuzuordnenden Besteuerungsgrundlagen (Einkünfte, Umsätze, Vermögen), soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kein Zweckbetrieb (§§ 65 bis 68 AO) ist. Nach § 65 AO ist ein Zweckbetrieb gegeben, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO), die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO) und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr. 3 AO). Gem. § 68 Nr. 3 Buchst. c AO sind Zweckbetriebe auch Integrationsprojekte im Sinne des § 132 Abs. 1 SGB IX, wenn mindestens 40 % der Beschäftigten besonders betroffene schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 132 Abs. 1 SGB IX sind. Nach § 132 Abs. 1 SGB IX sind Integrationsprojekte unter anderem rechtlich und wirtschaftlich selbständige Unternehmen (Integrationsunternehmen) zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, deren Teilhabe an einer sonstigen Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Grund von Art oder Schwere der Behinderung oder wegen sonstiger Umstände voraussichtlich trotz Ausschöpfens aller Fördermöglichkeiten und des Einsatzes von Integrationsfachdiensten auf besondere Schwierigkeiten stößt.

    Für Integrationsprojekte bedarf es keiner förmlichen Anerkennung. Gemäß § 134 SGB IX können Integrationsprojekte aus Mitteln der Ausgleichsabgabe Leistungen für Aufbau, Erweiterung, Modernisierung und Ausstattung einschließlich einer betriebswirtschaftlichen Beratung und für besonderen Aufwand erhalten. Die Tatsache der Gewährung solcher Mittel stellt daher ein gewisses Indiz dafür dar, dass ein Unternehmen die Voraussetzungen eines Integrationsprojektes im Sinne des § 68 Nr. 3 Buchst. c AO erfüllt.

    Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze liegen die Voraussetzungen für eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG nicht vor. Die Klägerin unterhielt im Streitjahr keinen Zweckbetrieb im Sinne des § 68 Nr. 3 Buchst. c AO, weil sie im Streitjahr das Seminarhotel nicht als Integrationsprojekt im Sinne des § 132 Abs. 1 SGB IX mit einer Beschäftigungsquote von mindestens 40 % besonders betroffener schwerbehinderter Menschen im Sinne des § 132 Abs. 1 SGB IX betrieben hat.

    Maßgebend dafür ist, dass die Klägerin im Streitjahr - was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist - keine Behinderten im Sinne des § 132 Abs. 1 SGB IX beschäftigte.

    Unerheblich für die Anwendung des Regelsteuersatzes auf die Hotelumsätze im Streitjahr ist der Umstand, dass die Klägerin vom Zeitpunkt ihrer Gründung am 25.07.2007 zielgerichtet und planvoll darauf hinarbeitete, die Tatbestandsvoraussetzungen eines Zweckbetriebes im Sinne des § 68 Nr. 3 Buchst. c AO zu erfüllen und diese tatsächlich auch ab Mai 2008 erfüllte.

    § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG macht für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes durch Bezugnahme u. a. auf den vorliegend allein in Betracht kommenden § 68 Nr. 3 Buchst. c AO das Erreichen einer Beschäftigungsquote von mindestens 40% Schwerbehinderter im Sinne des § 132 Abs. 1 SGB IX zur Bedingung. Diese Bedingung hat die Klägerin im Streitjahr (noch) nicht erfüllt.

    Einer weiten Auslegung der Vorschrift über ihren ausdrücklichen Wortlaut hinaus in dem von der Klägerin begehrten Sinne, dass umsatzsteuerlich von einem Zweckbetrieb im Sinne des § 68 Nr. 3 Buchst. c AO für eine - zeitlich wie auch immer zu beschränkende - Anlaufphase vor Erreichen der gesetzlich normierten Beschäftigungsquote auszugehen sei, steht bereits entgegen, dass Tatbestandsmerkmale, die zu dieser Ausnahme von der Anwendungen des normalen Umsatzsteuersatzes führen, grundsätzlich eng auszulegen sind.

    Gegen eine weite Auslegung spricht auch das Gebot der Wettbewerbsneutralität.

    So verbietet der Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Umsatzsteuer, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Vielmehr ist auf solche Waren oder Dienstleistungen ein einheitlicher Steuersatz anzuwenden (vgl. EuGH-Urteil vom 23.10.2003 Rs. C-109/02, „Kommission/Deutschland“ Slg. 2003, I-12691, BFH/NV Beilage 2004, 37)

    Dementsprechend ist bei allen Hotelbetreibern in … und Umgebung, die - wie die Klägerin im Streitjahr - ein Hotel nicht unter den erschwerenden Bedingungen des § 68 Nr. 3 Buchst. c AO betrieben haben, der normale Umsatzsteuersatz anzuwenden.

    Schließlich folgt die Bejahung der Zweckbetriebseigenschaft entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus der Anwendung der Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils vom 23.07.2003 - I R 29/02 (BFHE 203, 251, BStBl. II 2003, 930). Nach dieser Entscheidung des 1. Senates des BFH reichen Tätigkeiten einer neu gegründeten Körperschaft, die die Verwirklichung der steuerbegünstigten Satzungszwecke nur vorbereiten - wie z.B. der Aufbau einer Vereinsorganisation, das Einsammeln von Mitteln zur Erfüllung der Satzungszwecke - aus, um die tätigkeitsbezogenen Voraussetzungen der (Körperschaft-) Steuerbefreiung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz i.V.m. den §§ 52 f AO zu erfüllen.

    Dahinstehen kann, ob diese Rechtsgrundsätze uneingeschränkt auf das Umsatzsteuerrecht übertragbar sind. Jedenfalls folgt aus diesen Rechtsgrundsätze nicht, dass die in diesem Verfahren umsatzsteuerlich zu beurteilenden Hotelleistungen der Klägerin im Rahmen eines Zweckbetriebes im Sinne des § 68 Nr. 3 Buchst. c AO erbracht wurden. Denn es handelt sich vorliegend - anders als im Entscheidungsfall des BFH - nicht um Vorbereitungshandlungen im Hinblick auf eine künftige Tätigkeit, sondern um Leistungen des ab 01.08.2007 von der Klägerin fortgeführten und im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes geführten Hotels. Dass die Klägerin daneben Maßnahmen ergriff, um den Hotelbetrieb - durch Akquisition und Qualifizierung von Arbeitnehmern - in ein Integrationsunternehmen mit einer Beschäftigungsquote von mindestens 40 % Schwerbehinderter im Sinne des § 132 SGB IX umzustrukturieren, ändert nichts daran, dass es sich bei den vorliegend zu beurteilenden umsatzsteuerpflichtigen Leistungen nicht um Handlungen zur Vorbereitung eines Geschäftsbetriebes, sondern um solche im Rahmen eines laufenden Geschäftsbetriebes handelt.

    Nach alledem war die Klage abzuweisen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Revision wird gem. § 115 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

    RechtsgebieteAO, UStG, KStG, SGBVorschriften§ 68 Nr 3 Buchst c AO, § 12 Abs 2 Nr 8 Buchst a UStG 2005, § 5 Abs 1 Nr 9 S 1 KStG 2002, § 52 AO, §§ 52ff AO, § 132 SGB 9