· Fachbeitrag · Umsatzsteuer
Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen von Personenzusammenschlüssen: BMF klärt Details
| Mit dem „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ ist 2020 in § 4 Nr. 29 UStG eine Steuerbefreiung für sonstige Leistungen von selbstständigen Personenzusammenschlüssen an ihre Mitglieder eingeführt worden. Jetzt hat sich endlich das BMF dazu geäußert, wie die neuen Regelungen in der Praxis von der Finanzverwaltung angewendet werden. |
Die Regelung des § 4 Nr. 29 UStG
Befreit sind nach § 4 Nr. 29 UStG „sonstige Leistungen von selbständigen, im Inland ansässigen Zusammenschlüssen von Personen, deren Mitglieder eine dem Gemeinwohl dienende nichtunternehmerische Tätigkeit oder eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausüben, die nach den Nummern 11b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder 27 von der Steuer befreit ist, gegenüber ihren im Inland ansässigen Mitgliedern, soweit diese Leistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeiten verwendet werden und der Zusammenschluss von seinen Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordert, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt“.
Der unionsrechtliche Hintergrund der Neuregelung
Die Steuerbefreiung beruht auf Artikel 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL. Dieser befreit „Dienstleistungen, die selbstständige Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt“.
Die Zielsetzung der Neuregelung
Ziel der Regelung ist es nach Ansicht des BMF, bestimmte ‒ dem Gemeinwohl dienende ‒ Tätigkeiten von der Umsatzsteuer zu befreien, um dadurch mangels Vorsteuerabzug höhere Kosten zu vermeiden, die entstehen würden, wenn diese Leistungen umsatzsteuerpflichtig wären. Zudem soll durch die Befreiung ein Wettbewerbsnachteil für Einrichtungen vermieden werden, die zu klein sind, um die entsprechenden Leistungen selbst zu erbringen oder sie im Rahmen einer Organschaft erbringen zu lassen (BMF, Schreiben vom 19.07.2022, Az. III C 3 ‒ S 7189/20/10001 :001, Abruf-Nr. 230404).
Welche Zusammenschlüsse sind begünstigt?
Der Begriff „Zusammenschluss“ verlangt keine bestimmte Rechtsform. Also kann es sich um beliebige gesellschaftsrechtliche Zusammenschlüsse handeln.
In Frage kommen nach Auffassung des BMF u. a.
- Personen- und Kapitalgesellschaften,
- Genossenschaften,
- Vereine (eingetragene und nicht eingetragene),
- Zweckverbände, Berufsverbände, Anstalten des öffentlichen Rechts andere juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR).
Nicht in Frage kommen aber Stiftungen. Hier handelt es sich um keine Personenzusammenschlüsse. Es müssen sich mindestens zwei Mitglieder zusammenschließen; eine bloße Vereinbarung zur Kostenteilung genügt nicht.
Zusammenschluss muss eigenständiger Unternehmer sein
Der Zusammenschluss muss umsatzsteuerlich selbstständig sein. Es muss sich um einen von den jeweiligen Mitgliedern verschiedenen Steuerpflichtigen handeln. Der Zusammenschluss muss also ein eigenständiger ‒ steuerpflichtiger ‒ Unternehmer i. S. v. § 2 Abs. 1 UStG sein. Nicht verlangt ist die völlige Steuerbefreiung der Mitglieder. Es genügt, dass der Tätigkeitsbereich, für den sie die Leistung beziehen, steuerbefreit oder nicht steuerbar ist.
Wichtig | Das gilt also insbesondere für den ideellen Tätigkeitsbereich von Vereinen und für steuerbefreite Zweckbetriebe gemeinnütziger Körperschaften. Nicht erforderlich ist, dass der Zusammenschluss selbst dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Er kann und soll ja Leistungen an seine Mitglieder erbringen, die an sich nicht steuerbefreit sind.
Auch zuschussfinanzierte Leistungserbringer sind begünstigt
Die Mitglieder müssen nicht unbedingt Leistungen im Sinne des Umsatzsteuerrechts erbringen. Begünstigt sind auch Tätigkeiten, die nicht steuerbar sind. Das betrifft insbesondere Einrichtungen, die ganz oder teilweise zuschussfinanziert arbeiten und ihre Leistungen damit unentgeltlich erbringen.
Welche Leistungen sind begünstigt?
Die Mitglieder müssen eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht steuerpflichtig und damit nicht vorsteuerabzugsfähig sind. Befreit sind nur die Leistungen für Zwecke der begünstigten Tätigkeiten der Mitglieder. Der Zusammenschluss muss seine Leistungen an ein Mitglied oder mehrere seiner Mitglieder erbringen ‒ aber nicht ausschließlich. Die steuerbefreiten Leistungen der Mitglieder sind zudem beschränkt auf die in den Nummern 11b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder 27 des § 4 UStG genannten Fälle.
Leistung muss Gemeinwohl dienen
Die Mitglieder müssen eine dem Gemeinwohl dienende nicht steuerbare Leistung oder eine nach § 4 Nr. 11b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder 27 UStG steuerbefreite Leistung erbringen. Außerdem müssen die bezogenen steuerfreien Leistungen für Tätigkeiten verwendet werden, die dem Gemeinwohl dienen.
Das BMF nennt keine Anwendungsfälle im Bereich gemeinnütziger oder mildtätiger Zwecke. Es verweist dagegen auf nicht unternehmerische Tätigkeiten der Kommunen, der Länder und des Bundes; außerdem auf die nicht unternehmerischen Tätigkeiten der Religionsgemeinschaften, insbesondere die Erfüllung des Verkündigungsauftrags.
PRAXISTIPP Der häufigste denkbare Fall wird das Analoge für andere Sparten sein. Also die Bereitstellung von Technik für Mitgliedsorganisationen, z. B. im Kulturbereich (etwa Ton-, Licht- und Bühnentechnik) oder für Bildungsträger (Lernmedien und Lernmaterial). |
Das Unmittelbarkeits-Kriterium
Die von einem Personenzusammenschluss an das jeweilige Mitglied erbrachte sonstige Leistung muss das Mitglied unmittelbar verwenden, um die begünstigten Zwecke auszuführen. D. h. die Leistungen müssen unmittelbar zu Tätigkeiten beitragen, die dem Gemeinwohl dienen und zu diesem Zweck eingesetzt werden.
Allgemeine Verwaltungsleistungen sind nicht begünstigt
Nicht befreit sollen deswegen allgemeine Verwaltungsleistungen sein. Dazu gehören für das BMF:
- Buchführung und Tätigkeiten bei Erstellung und Verarbeitung von Rechnungen
- Datenverwaltung
- Rechtsberatung
- Tätigkeiten im Supportbereich (z. B. Backoffice-Tätigkeiten, Telefonzentrale, Fahrbereitschaft, Ablage- und Registrierungstätigkeiten)
- Allgemeine Reinigungs- und Verpflegungsleistungen
- Allgemeine Aufgaben im Bereich von Organisation, Personalwesen/-gestellung, Vertrieb
- Raumüberlassung
Hier stellt sich die Frage, welche Leistungen dann überhaupt begünstigt sind. In Frage käme insbesondere die Personalüberlassung. Zwar wäre auch eine Auslagerung von Kerntätigkeiten begünstigt. Diese sind aber ‒ das ist Voraussetzung für die Steuerbefreiung ‒ schon beim Mitglied steuerbefreit.
PRAXISTIPP | Bei gemeinnützigen Leistungsempfängern ist das dort von Bedeutung, wo die Gemeinnützigkeit Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist und der Zusammenschluss nicht gemeinnützig ist. Hier wären insbesondere die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22a (Bildung), Nr. 22b (Sport) und Nr. 23 (Erziehung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen) zu nennen. |
Ausschluss von Wettbewerbsverzerrungen
Die Befreiung kann nicht angewandt werden, wenn dadurch anderen Marktteilnehmern, die gleichartige steuerpflichtige Leistungen erbringen, ein Wettbewerbsnachteil entsteht. Das ist für das BMF der Fall, wenn
- der Zusammenschluss unter Ausnutzung erheblicher Synergieeffekte die gleichen Leistungen in erheblichem Umfang an Nichtmitglieder erbringt,
- die Verlagerung von externen beliebigen, insbesondere nicht auf die Bedürfnisse seiner Mitglieder zugeschnittenen Dienstleistungen auf den Personenzusammenschluss erfolgt, obwohl derartige Leistungen ohne Weiteres auch von anderen Marktteilnehmern angeboten werden könnten oder
- bei dem Zusammenschluss im Ergebnis allein die Optimierung der umsatzsteuerlichen Vorbelastungen im Vordergrund steht.
Dabei ist aber grundsätzlich davon auszugehen, dass die Bildung eines Zusammenschlusses als solches nicht zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führt. Eine Wettbewerbsverzerrung liegt insbesondere auch dann nicht vor, wenn keine Auswirkungen auf den Kundenstamm der Mitglieder entstehen.
Entgelt darf nur Kosten decken
Die Steuerbefreiung setzt weiter voraus, dass das für die Leistung vereinbarte oder entrichtete Entgelt lediglich in einem genauen Kostenersatz besteht. Dabei sind sämtliche Kosten umlagefähig, die der Zusammenschluss im Interesse der Mitglieder trägt. Dazu gehören Sach- und Personalkosten sowie externe Finanzierungskosten.
Eine genaue Erstattung der anfallenden Kosten liegt vor, wenn der Personenzusammenschluss seinen Mitgliedern die Leistungen zu Selbstkosten anbietet bzw. ihm nur die tatsächlich anfallenden Kosten erstattet werden und das jeweilige Mitglied den auf seinen Anteil entfallenden Betrag an den Gesamtkosten trägt. Die Höhe des vom Mitglied zu tragenden Anteils an den Gesamtkosten ist verursachergerecht auf die Mitglieder umzulegen und kann insbesondere am Umfang oder der Häufigkeit der Inanspruchnahme der sonstigen Leistung bemessen werden.
Auch eine Aufteilung der Kosten nach der Anzahl der Mitglieder oder der Höhe der Beteiligung am Zusammenschluss ist möglich. Ein pauschaler Aufschlag auf die tatsächlichen Ausgaben für die Erbringung der Leistung ist hingegen nicht.
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Der Zusammenschluss erhebt zur Deckung des Finanzbedarfs jährlich auf der Basis des durchschnittlichen Umsatzes eine Umlage von den Mitgliedern und gewährt Rückzahlungen, wenn die Umlage zu hoch angesetzt war. Ein solches Verfahren ist unschädlich für die Steuerbefreiung. |
Eine genaue Kostenerstattung liegt auch vor, wenn der Zusammenschluss den jeweiligen Anteil des Mitglieds an den gemeinsamen Kosten im verkürzten Abrechnungsweg in dessen Namen direkt mit einem Dritten abrechnet.
FAZIT | Es ist wohl bezeichnend, dass das BMF keine Anwendungsfälle im gemeinnützigen Sektor nennt ‒ obwohl die Regelung auf Tätigkeiten abhebt, die dem Gemeinwohl dienen. Das Schreiben lehrt zudem, dass die Finanzverwaltung die Steuerbefreiung in § 4 Nr. 29 UStG sehr restriktiv auslegt. Es ist davon auszugehen, dass hier erst die Rechtsprechung weitere Anwendungsfälle liefert. |