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  • · Fachbeitrag · Sozialversicherung

    Neues vom LSG Baden-Württemberg: Trainer und Übungsleiter sind meist nicht selbstständig tätig

    | Viele Sportvereine beschäftigen Trainer und Übungsleiter auf Honorarbasis - also als selbstständig Tätige. Gerade im Mannschaftssport ist das aber in den meisten Fällen eine Fehleinschätzung, die teuer werden kann. Das lehrt eine neue Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg, aus der Vereine die richtigen Konsequenzen ziehen sollten. |

    Verein beschäftigt saisonweise Trainer für Handballabteilung

    Im konkreten Fall ging es um einen Verein, der in seiner Handball- und Baseballabteilung saisonweise Trainer beschäftigt. Der Prüfer der Deutschen Rentenversicherung Bund hatte die Trainer als abhängig Beschäftigte eingestuft. Dagegen legte der Verein Widerspruch ein. Aus seiner Sicht sprachen folgende Umstände für eine selbstständige Tätigkeit der Trainer:

     

    • Sie konnten Trainingsinhalt und Trainingszeiten frei bestimmen.
    • Das Entgelt war nicht sonderlich hoch. Es wurde auch weder Kranken- noch Urlaubsgeld gezahlt.
    • Die Trainer hatten eigene Arbeitsmittel eingesetzt (spezielle Schläger und Handschuhe).
    • Es bestand keine zeitliche Bindung der Trainer an den Verein. Sie hätten ihre Tätigkeit jederzeit beenden können.
    • Es war Einzel- und Kleingruppentraining individuell vereinbart - auch hinsichtlich Zeit, Ort, Inhalt und Zusammensetzung des Trainings.

    LSG verneint selbstständige Tätigkeit

    Nach Auffassung des LSG waren die Trainer aber nicht selbstständig tätig. Das Gericht stellt dabei zwei Aspekte ins Zentrum: die Eingliederung in die organisatorischen Vorgaben des Vereins und das fehlende unternehmerische Risiko des Trainers (LSG Baden-Württemberg Urteil vom 30.7.2014, Az. L 5 R 4091/11, Abruf-Nr. 144208).

     

    Kriterium „unternehmerisches Risiko“

    Der LSG konnte nicht erkennen, dass die Trainer ein unternehmerisches Risiko trugen, wie es für einen Selbstständigen typisch ist. Maßgebendes Kriterium dafür ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist.

     

    Allerdings sei ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen.

     

    Im konkreten Fall lehnte das LSG die Annahme eines unternehmerischen Risikos aus folgenden Gründen ab:

     

    • Der wirtschaftliche Erfolg der Trainingseinheit kam unmittelbar dem Verein zugute, nicht dem Trainer.

     

    • Ein Trainer ist abhängig davon, dass sein Training von den Vereinsmitgliedern akzeptiert wird. Die Abhängigkeit reicht aber nicht aus, ein Unternehmerrisiko zu unterstellen. Es handelt sich hier um ein bloßes Arbeitsplatzrisiko.

     

    • Die Arbeitsleistung der Trainer wurde mit festen Beträgen pauschal vergütet. Eine für die Tätigkeit eines Selbstständigen typische Chance auf Gewinnsteigerung, etwa durch Erhöhung der Teilnehmerzahl an den angebotenen Sportkursen oder eine eigene Preisgestaltung in Form von Teilnehmergebühren, gab es nicht.

     

    • Den Trainern wurde vom Verein für die eingesetzten eigenen Sportgeräte ein Aufwendungsersatz gezahlt.

     

    • Last but not least hatten die Trainer die Infrastruktur des Vereins genutzt, ohne dass ihnen dafür eigene Kosten entstanden waren.

     

    Kriterium „Eingliederung in die organisatorischen Vorgaben des Vereins“

    Wesentliches Kriterium für eine abhängige Beschäftigung - so das LSG mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - ist die Eingliederung in die zeitlichen und örtlichen Planungen des Vereins. Das machte das Gericht an folgenden Kriterien fest:

     

    • Der Übungsleiter war an die Trainingszeiten und Hallenbelegungspläne des Vereins gebunden. Damit konnte er seine Tätigkeit nicht völlig frei gestalten.

     

    • Die einzelnen Sportveranstaltungen blieben Teil der Betriebsorganisation des Vereins, auch wenn die einzelnen Trainingszeiten teilweise individuell abgesprochen wurden.

     

    • Die eigenverantwortliche Gestaltung von Trainingsinhalten durch den Übungsleiter spricht nicht für eine Selbstständigkeit. Denn der Verein bedient sich der qualifizierten Übungsleiter ja gerade deshalb, um deren Kenntnisse und Fähigkeiten zur einer eigenständigen Gestaltung und Durchführung des vom Verein angebotenen Trainings zu nutzen.

     

    • Die Übungsstunden wurden in den Sportstätten des Vereins durchgeführt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Sportanlagen Eigentum des Vereins sind oder von ihm nur angemietet werden.

     

    Die zeitliche Gestaltung von Trainingsangeboten war zwar durchaus vom „Konsumverhalten“ der Vereinsmitglieder und deren Wünsche hinsichtlich Zeit, Ort und Dauer des Trainings mitbestimmt worden. Das ändert aber nach Auffassung des LSG nichts daran, dass die einzelnen Sportveranstaltungen Teil der Betriebsorganisation des Vereins blieben.

     

    Kriterium „Nebenbeschäftigung“

    Dass die Trainertätigkeit nur als Nebenbeschäftigung erfolgt und der Übungsleiter nicht auf das daraus erzielte Entgelt wirtschaftlich angewiesen war, führt nach Auffassung des LSG ebenfalls nicht dazu, eine selbstständige Tätigkeit annehmen zu können. Weder die Schutzbedürftigkeit der betroffenen Person noch der rechtliche Wille der Vertragsparteien ist ausschlaggebend für die Einstufung der Tätigkeit.

    Konsequenz für Mannschaftssportvereine

    Das Urteil zeigt, dass insbesondere in Mannschaftssportarten regelmäßig keine selbstständige Tätigkeit von Trainern und Übungsleitern möglich ist. Das gilt im Übrigen auch für die Sportler. Die Ausstattung (Plätze, Hallen) und der Koordinationsaufwand, der für Training und Wettkampf erforderlich ist, schließt eine selbstständige Tätigkeit fast immer aus.

     

    Selbstständige Tätigkeit so gut wie ausgeschlossen

    Gleiches gilt für die Bedingung, innerhalb der Organisationsstruktur eines Sportvereins Trainingszeiten völlig frei zu bestimmen. Das kann ein Trainer schon deshalb nicht, weil die Mitglieder ein Interesse daran haben, dass es verlässliche Trainingszeiten für das Mannschaftstraining gibt.

     

    Eine Abstimmung des Einsatzes nach den zeitlichen Möglichkeiten der Trainer genügt nicht, weil das Training dennoch innerhalb der vom Verein vorgegebenen Mannschafts- und Trainingsstrukturen erfolgt. Dass auch Einzelabsprachen der Trainer untereinander über Vertretungen oder mit der Mannschaft hinsichtlich des Trainingsorts (Halle, Freigelände, Wald) oder gegebenenfalls zusätzlicher Trainingseinheiten getroffen werden, löst den einzelnen Trainer nicht aus vorgegebenen Strukturrahmen des Vereins.

     

    PRAXISHINWEIS | Selbständige Sportlehrer - so das LSG - würden für die Inanspruchnahme der Trainingsstätten an den jeweiligen Eigentümer Mieten oder Nutzungsgebühren entrichten. Sie würden also insoweit eine eigene wirtschaftliche Betätigung entfalten.

     

    Voraussetzung für selbstständige Trainertätigkeit im Mannschaftssport

    Selbst das LSG führt an, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass Trainer selbstständig tätig sind. Das ist aber auf wenige Fälle beschränkt, die für die Praxis in Mannschaftssportvereinen recht untypisch sein dürften.

     

    Ein als selbstständig geltender Trainer müsste vor allem folgende Voraussetzungen erfüllen:

     

    • Er plant das Training, ohne in Zeitvorgaben und Sportstättenbelegungspläne des Vereins eingebunden zu sein bzw. darauf Rücksicht nehmen zu müssen.
    • Er kümmert sich selbst um die Bereitstellung von Sportgeräten, Hallen oder Plätzen, ohne dabei zwingend auf die Ressourcen des Vereins zurückzugreifen und trägt die dabei entstehenden Kosten.

     

    • Seine Vergütung ist erfolgsabhängig. Er wird also nach der Zahl der Teilnehmer bezahlt, erhält nur Siegprämien oder Ähnliches. Nach Möglichkeit kann er seine Vergütung mit den Teilnehmern frei vereinbaren.

     

    • Es erhält keinen eigenen Aufwandsersatz für Reisekosten oder von ihm eingesetzte Sportgeräte und -kleidung.

     

    Das bedeutet, dass der Trainer wesentliche organisatorische Leistungen erbringt, die sonst typischerweise beim Sportverein liegen.

     

    PRAXISHINWEIS | Wegen der geringeren organisatorischen Voraussetzungen stehen die Chancen für eine selbstständige Tätigkeit bei Trainern in Einzelsportarten (zum Beispiel Fitness- und Aerobic-Trainer, Tennislehrer oder Golftrainer) besser als bei Mannschaftssportarten. Auch hier kommt es aber sehr auf die Gestaltung des Einzelfalls an.

     
    • Beispiel

    Das LSG Nordrhein-Westfalen hat einem Golflehrer die Selbstständigkeit bestätigt. Wesentliche Kriterien dafür waren (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.06.2004, Az. L 5 KR 180/01, Abruf-Nr. 144402):

    • Der Golflehrer konnte die Trainingszeiten mit den Teilnehmern frei abstimmen.
    • Er trug das Risiko dafür, Schüler zu finden und dass bei schlechtem Wetter Trainingsstunden ausfielen.
    • Er war nicht an die Nutzung des vereinseigenen Platzes gebunden.
    • Er stellte selbst Schläger und Bälle zur Verfügung.
    • Er unterrichtete nicht nur Vereinsmitglieder.
    • Er konnte die Vergütung mit den Golfschülern frei vereinbaren. Hier war er nur so weit eingeschränkt, als Vereinsmitglieder keine höheren Preise zahlen sollten als Nichtmitglieder.
     

     

    FAZIT | Nach der Einschätzung des LSG Baden-Württemberg dürfen Trainer in Mannschaftssportarten nur in Ausnahmefällen als selbstständig gelten. Geht die Vergütung über den Freibetrag von 2.400 Euro im Jahr hinaus, hat der Verein die entsprechenden Melde- und Beitragspflichten bei der Sozialversicherung. Bis 650 Euro pro Monat kommt dabei noch eine Abrechnung auf Minijob-Basis in Frage. Dann gelten auch die Bestimmungen des Mindestlohngesetzes. Die Vergütung muss also mindestens 8,50 Euro pro Stunde betragen, und die Arbeitszeiten müssen dokumentiert werden.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Beitrag „Sozialversicherungspflicht von Sportlern: Das spricht für eine abgabenfreie Selbstständigkeit“, VB 10/2014, Seite 11
    Quelle: Ausgabe 05 / 2015 | Seite 4 | ID 43300037