Einkommensteuer
Das Damoklesschwert der „Liebhaberei“– wann wird der Verlustabzug versagt?
von Rechtsanwalt und Steuerberater Thomas Schmidt, Kanzlei Dr. Schmidt und Partner, Koblenz/Dresden/Oberhausen/Weimar
Einer der großen „Knackpunkte“ im Einkommensteuerrecht ist die Einstufung einer beruflichen Tätigkeit durch das Finanzamt als „Liebhaberei“. Denn dann werden die Ausgaben steuerlich nicht anerkannt. Nachfolgend wird aufgezeigt, wann „Liebhaberei“ drohen kann.
Die grundsätzliche Problematik der „Liebhaberei“
Hinter dem Schlagwort „Liebhaberei“ steckt die Frage, ob aus einer Tätigkeit ein Überschuss erzielt werden kann oder nicht, sprich ob eine Gewinnerzielungsabsicht gegeben ist. Diese ist zwingende Voraussetzung für die steuerliche Absetzbarkeit von Ausgaben.
Grundsätzlich gilt: Keine Abziehbarkeit von Ausgaben ohne Einnahmen. Naturgemäß ist jedoch in Anlaufphasen einer Tätigkeit von diesem Grundsatz abzuweichen: Auch wenn mehr Ausgaben als Einnahmen anfallen, dürfen in Anlaufphasen Verluste steuerlich geltend gemacht werden. Entscheidend bei der Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht ist die Gesamtsicht über einen festgelegten Zeitraum hinweg.
Nach neuester Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 6. November 2001, Az: IX R 97/00) ist bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ein Prognosezeitraum von maximal 30 Jahren zu Grunde zu legen, der von der Finanzverwaltung allerdings nur für die Totalüberschussprognose bei Ferienwohnungen anerkannt wird (BMF-Schreiben vom 14. Oktober 2002, Az: IV C 3 - S 2253 - 77/02). Bei übrigen Mietimmobilien ist die Dauer der voraussichtlichen Nutzung maßgebend, wobei grundsätzlich ein – für Steuerpflichtige durchaus vorteilhafter – Prognosezeitraum von 100 Jahren zu Grunde zu legen ist. Innerhalb dieses Prognosezeitraums muss spätestens per saldo ein Totalüberschuss erzielt werden. Ist davon nicht auszugehen, wird „Liebhaberei“ angenommen und es werden folglich keine Verluste anerkannt. Diese Zukunftsprognose stellt das Finanzamt in der Regel bereits dann an, wenn erstmals Ausgaben im Zusammenhang mit der Tätigkeit geltend gemacht werden, und überprüft sie dann regelmäßig.
„Liebhaberei“ kann vor allem in den folgenden drei Zusammenhängen eine wichtige Rolle spielen:
1. Echte „Liebhaberei“
Die echte „Liebhaberei“ wird da zu vermuten sein, wo mehr Hobby sowie persönliche Neigung als Gewinnerzielung und Wirtschaftlichkeit Motive einer Tätigkeit sind. Typische Beispiele sind Blumenzucht, Jagd, künstlerische Tätigkeit, Pferdezucht sowie gelegentliche Yachtvermietung. Soweit aus diesen Tätigkeiten kein Gewinn erwartet werden kann – was die Regel ist –, sind Aufwendungen hierfür nicht abzugsfähig. Wo persönliche Neigung im Vordergrund steht, kann eine Gewinnerzielungsabsicht objektiv ausgeschlossen werden.
2. Übliche berufliche Tätigkeiten als „Liebhaberei“
Selbst bei Tätigkeiten, die an sich nur schwer als „Liebhaberei“ bezeichnet werden können, kann dieser finanzbehördlich geprägte Begriff eine Rolle spielen. Gewerbebetriebe oder freiberufliche Tätigkeiten, bei denen keine Gewinnerzielungsabsicht erkannt werden kann, da über längere Zeit nur Verluste erzielt werden, können vom Finanzamt ebenfalls als „Liebhaberei“ eingestuft werden. „Liebhaberei“ kann so zum Beispiel bei einer neben dem Hauptberuf geführten Modeboutique, einer Kunstgalerie, einem Oldtimer-Handel und sogar bei einem erfolglosen Rechtsanwalt angenommen werden, wenn über einen längeren Zeitraum hinweg kein Gewinn erzielt wird. Auch hier werden Verluste nach Ablauf einer Anlauffrist in der Regel nicht mehr anerkannt.
Allerdings ist in diesem Zusammenhang kürzlich ein interessantes Urteil des Bundesfinanzhofs veröffentlicht worden (Urteil vom 15. Mai 2002, Az: X R 3/99): Schuldzinsen für einen Betriebskredit sind auch nach dem von der Finanzverwaltung angenommenen Übergang eines Gewerbebetriebs (hier: ein Schmuckladen) zur Liebhaberei als nachträgliche Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn und soweit die zu Grunde liegenden Schulden nicht durch eine mögliche Verwertung von Aktivvermögen (Einrichtung, Bankkonto etc.) beglichen werden können. Diesbezüglich werden die gleichen Kriterien wie bei einer Betriebsaufgabe angesetzt.
3. Vermietung als „Liebhaberei“
Bei der Vermietung von Immobilien – insbesondere bei Ferienimmobilien, aber auch bei der verbilligten Vermietung an Angehörige oder der nur kurzzeitigen Vermietung – kann unter gewissen Umständen ebenfalls die Vermutung der „Liebhaberei“ nahe liegen. Nach dem Kauf einer Immobilie fallen regelmäßig Kosten zur Unterhaltung und Erhaltung der Immobilie an. Vor allem Zinsen und Abschreibungen führen in der Regel zu Verlusten. Selbst wenn Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (VuV) erzielt werden, ist in den meisten Fällen zunächst ein Übergewicht der Aufwendungen für die Immobilie festzustellen. Erst nach einem relativ langen Zeitraum wird ein positives Gesamtergebnis vorliegen. Nachfolgend soll der Fall der Vermietung einer Ferienwohnung etwas näher beleuchtet werden.
Kommt es bei der Vermietung einer Ferienwohnung zu Verlusten, hängt der Abzug der Werbungskosten von dem Verhältnis der Fremd- zur Eigennutzung ab.
Vollständige Fremdnutzung
Wird die Ferienimmobilie ausschließlich zur Vermietung bereitgehalten und liegt keine Selbstnutzung vor, ist – laut Bundesfinanzhof – ohne weitere Prüfung eine Gewinnerzielungsabsicht anzunehmen und die Werbungskosten sind vollständig absetzbar (BFH, Urteil vom 6. November 2001, Az: IX R 97/00). Die Finanzverwaltung macht hier in ihrem Schreiben vom 14. Oktober 2002 allerdings eine Einschränkung: Gibt es Beweisanzeichen, die gegen eine Überschusserzielungsabsicht sprechen, ist diese auch bei dauernder Fremdvermietung der Ferienwohnung zu prüfen. Beispiele: Die Jahre mit ausschließlicher Vermietung und gelegentlicher Selbstnutzung wechseln sich ab; die Anzahl der Vermietungstage liegt unter dem Durchschnitt der saisonalen Vermietung am Ferienort etc.
Gleichzeitige Fremd- und Eigennutzung
Liegt sowohl Fremd- als auch Eigennutzung der Ferienimmobilie vor, spielen Nutzungs- und Leerstandszeiten in Bezug auf die steuerliche Absetzbarkeit von Verlusten eine entscheidende Rolle. Im Umgang mit Leerstandszeiten gilt nach neuer BFH-Rechtsprechung folgender Grundsatz, der auch vom Bundesfinanzministerium geteilt wird: Aufwendungen, die auf Leerstandszeiten entfallen, sind entsprechend dem zeitlichen Verhältnis der Selbstnutzung zur tatsächlichen Vermietung aufzuteilen. Der Anteil der Aufwendungen, der dann auf Vermietung entfällt, ist steuerlich absetzbar.
In unserem Beispiel sind 73 Prozent der Aufwendungen als Werbungskosten absetzbar, sofern sich auf einen Prognosezeitraum von 30 Jahren gerechnet ein Totalüberschuss ergibt. Die genaue Prognoserechnung sollte zusammen mit dem Steuerberater erstellt werden.
Fazit und Tipp: Alle Tätigkeiten, die nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch auf Grund privater Interessen oder Neigungen betrieben werden, können vom Finanzamt auf den Sachverhalt der „Liebhaberei“ hin überprüft werden. Es ist daher immer ratsam, die Gewinnerzielungsabsicht an Hand von Dokumenten – wie Werbung, Anzeigen, Quittungen, Kontoauszügen und Ähnlichem – objektiv belegen zu können. Bewahren Sie daher alles auf, was auch nur ansatzweise Gewinnerzielungsabsicht indiziert. Zudem sollte im Vorfeld – am besten zusammen mit dem Steuerberater – eine Prognoserechnung der erwarteten Einnahmen und Werbungskosten aufgestellt werden, denn die Beweislast für einen erwarteten Gewinnüberschuss trägt der Steuerpflichtige. Im Zweifel sollte für „liebhabereiverdächtige“ Tätigkeiten lieber Eigenkapital statt Fremdkapital eingesetzt werden – für den Fall, dass die Schuldzinsen steuerlich nicht anerkannt werden.
Quelle: Zahnärzte-Wirtschaftsdienst - Ausgabe 01/2003, Seite 21