· Zahnärztemarkt
Sind investorenbetriebene Z-MVZ Teil der (Versorgungs-)Lösung oder Teil des Problems?
von Dipl. Volkswirt Katja Nies, praxisbewertung-praxisberatung.com
| Das IGES Institut aus Berlin hat im Oktober 2020 sein Gutachten mit dem Titel „Investorenbetriebene MVZ (i-Z-MVZ) in der vertragszahnärztlichen Versorgung. Entwicklungen und Auswirkungen“ veröffentlicht. Die Beantwortung von zwei Fragen steht bei diesem Gutachten im Vordergrund: „Trägt die Gründung von i-Z-MVZ zu einer Verbesserung oder zumindest Sicherung der wohnortnahen, flächendeckenden und bedarfsgerechten zahnärztlichen Versorgung bei?“ Und: „Sind im Vergleich zu den herkömmlichen Praxisformen (Einzelpraxen, BAG) Unterschiede in der Qualität und Wirtschaftlichkeit der zahnmedizinischen Versorgung zu erkennen?“ |
Hintergrund
Aufgrund des seit Mitte 2015 besorgniserregenden Eindringens von Fremdinvestoren in den Zahnärztemarkt, verursacht durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (Details unter iww.de/zp > Abruf-Nr. 43547392), wurden besondere Regelungen für die Gründung von zahnärztlichen MVZ (Z-MVZ) durch Krankenhäuser im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das am 11.05.2019 in Kraft trat, niedergelegt (Details unter iww.de/zp > Abruf-Nr. 45913145). Hiermit sollte dem Vehikel „Aufkauf eines sanierungsbedürftigen Krankenhauses“, das dann als MVZ-Trägergesellschaft dient, eine Grenze gesetzt werden. Ein Z-MVZ kann von einem Krankenhaus seitdem nur noch gegründet werden, wenn der Versorgungsanteil der dann insgesamt von dem Krankenhaus gegründeten bzw. betriebenen Z-MVZ in dem betreffenden Planungsbereich eine bestimmte Grenze nicht überschreitet.
Aber reichen diese Vorgaben, um Investoren von Z-MVZ-Gründungen abzuhalten? Und tragen die bestehenden Z-MVZ zur Verbesserung der Versorgung bei? Wie können die Eigentümerstrukturen besser erkannt werden? Diese und weitere Fragen wollte die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) beantwortet wissen und hat zwei Gutachten beauftragt.
Die wichtigsten Ergebnisse werden im Folgenden beleuchtet, wobei der Schwerpunkt auf dem Gutachten des IGES Instituts liegen wird. Das Gutachten basiert auf den Daten der Versorgungsstrukturstatistik der KZBV, einer von der KZBV durchgeführten Sondererhebung zu MVZ, den Bedarfsplanungsdaten der KZVen sowie den Abrechnungsdaten der KZVen.
Entwicklung der Z-MVZ von 2015 bis 2019
Seit Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes Mitte 2015 und damit der Gründung von fachgruppengleichen Medizinischen Versorgungszentren nimmt sowohl die Anzahl der Z-MVZ als auch die Anzahl der i-Z-MVZ kontinuierlich zu.
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2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | |
Z-MVZ | 76 | 230 | 437 | 658 | 904 |
Davon: i-Z-MVZ | 11 | 33 | 47 | 110 | 186 |
Prozentualer Anteil | 14,5 % | 14,3 % | 10,8 % | 16,7 % | 20,6 % |
Die Analysen zur Entwicklung der Versorgungsstrukturen zeigen zudem zwei Charakteristika, in denen sich i-Z-MVZ (und Z-MVZ) zu den herkömmlichen Einzelpraxen und BAG unterscheiden: In den einzelnen Praxisstandorten sind durchschnittlich mehr Zahnarztstellen zu verzeichnen, die überwiegend mit angestellten Zahnärzten besetzt sind. Und insbesondere bei i-Z-MVZ werden mehrere Standorte gerne zu Ketten zusammengeschlossen. Über die bisher größte Zahnarztkette Dr. Z. mit ihren 23 Standorten musste allerdings im August 2020 das Insolvenzverfahren eröffnet werden.
Regionale Verteilung der Zahnarztstellen
Über ganz Deutschland betrachtet waren in den Jahren 2015 bis 2019 die jeweiligen Zahnarztstellen auf die verschiedenen Praxisformen wie folgt verteilt.
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2015 | 2019 | |
Zahnarztstellen, absolut | 66.144 | 66.583 |
Davon, prozentual: | ||
Einzelpraxen | 66,4 % | 65,5 % |
BAG | 32,9 % | 29,3 % |
Z-MVZ | 0,3 % | 4,1 % |
i-Z-MVZ | 0,1 % | 0,9 % |
Auch wenn der Anteil der Zahnarztstellen in den i-Z-MVZ von 43 Stellen auf 591 Zahnarztstellen gestiegen ist, ist ihr Anteil immer noch sehr gering. Zusätzlich wurde gezeigt, dass in Einzelpraxen und BAG 76 Prozent der Zahnarztstellen von Vertragszahnärzten besetzt sind, und im Gegensatz dazu in den Z-MVZ nur 14 Prozent und in den i-Z-MVZ sogar nur 2 Prozent. Entsprechend höher ist der jeweilige Anteil an angestellten Zahnärzten.
Bei einem kritischen Blick auf das Untersuchungsergebnis zur regionalen Verteilung der Zahnarztstellen überrascht es nicht, dass sich das Angebot der i-Z-MVZ, aber auch aller Z-MVZ hauptsächlich auf Großstädte mit einer überdurchschnittlich jungen, gesunden und einkommensstarken Bevölkerung konzentriert. 30 Prozent aller i-Z-MVZ sind in 8 überwiegend großstädtischen Planungsbereichen, die nur 2 Prozent aller Planungsbereiche ausmachen, angesiedelt. Dahingegen entspricht die regionale Verteilung von Einzelpraxen und BAG in etwa der proportionalen Verteilung der Bevölkerung. Zudem wird konstatiert, dass in den eher strukturschwachen und wahrscheinlich demnächst von Unterversorgung bedrohten Regionen weder die Z-MVZ, noch die i-Z-MVZ bisher einen nennenswerten Beitrag zur wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung beitragen.
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Kreistyp 1kreisfreie Großstädte | Kreistyp 2städtische Kreise | Kreistyp 3ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen | Kreistyp 4dünn besiedelte ländliche Kreise | |
Einwohner (83 Mio.) | 29 % | 39 % | 17 % | 15 % |
Einzelpraxen (43.618) | 35 % | 35 % | 16 % | 14 % |
BAG (19.507) | 33 % | 38 % | 15 % | 14 % |
Z-MVZ (2.720) | 54 % | 28 % | 9 % | 8 % |
i-Z-MVZ (593) | 67 % | 20 % | 7 % | 7 % |
Die Finanzinvestoren steigen in den Markt über den Kauf eines (meist kleinen und gar nicht an der zahnärztlichen Versorgung teilnehmenden) Krankenhauses ein und können dann, ohne jeden regionalen Bezug zum ursprünglich erworbenen Krankenhaus, in lukrativen großstädtischen Lagen i-Z-MVZ gründen.
Unterschiede im Leistungsgeschehen und in der Abrechnung
Zwei Leistungsbereiche und deren Abrechnungsgeschehen wurden von den Autoren der IGES-Studie näher beleuchtet: die konservierend-chirurgischen Leistungen (KCH) sowie der Zahnersatzleistungen (ZE). Es wurden zwei Untersuchungsgruppen (UG 1 und UG 2) gebildet, in denen strukturell ähnliche Planungsbereiche zusammengefasst sind, und über die Jahre 2015-2019 betrachtet. Ohne näher auf die Einzelheiten der Untersuchung einzugehen, kann als Ergebnis u. a. festgehalten werden, dass i-Z-MVZ (Z-MVZ weisen ähnliche Auffälligkeiten auf) im Vergleich, insbesondere zu Einzelpraxen, durchgängig höhere Umsätze generieren:
- bei den konservierend chirurgischen Leistungen vor allem durch Mengenausweitungen in fast allen Kategorien. In 2019 rechneten z. B. i-Z-MVZ zwischen 14 Prozent (UG 1) und 25 Prozent mehr Punkte je KCH-Fall ab.
- bei den Zahnersatzleistungen durch eine Umsatzausweitung bei den Neuversorgungen (weniger Reparaturen von bereits vorhandenem Zahnersatz) und bei den Neuversorgungen durch Abrechnung höherer Festzuschussbeträge sowie GOZ-Honorare.
Die Ergebnisse stützen unter dem Strich die Vermutung, dass die in einem i-Z-MVZ tätigen Zahnärzte im Vergleich zu ihren Kollegen in herkömmlichen Einzelpraxen und BAG renditeorientierter arbeiten (müssen). Allerdings schreiben die Autoren der Studie auch, dass dies in vielen untersuchten Aspekten auch für Z-MVZ gilt bzw. sich die Ergebnisse ähneln.
Begrenzungen, wie durch das TSVG erhofft?
Da das TSVG erst im Mai 2019 in Kraft getreten ist und das I. Quartal 2020 das zuletzt erfasste Quartal des Gutachtens ist, lassen sich noch keine verlässlichen Daten bezüglich der Wirksamkeit veröffentlichen. Es geht aber aus dem IGES-Gutachten klar hervor, dass die Beschränkungen aller Voraussicht nach nicht wie gewünscht wirken werden. Durch die Vorgaben im TSVG kann ein Krankenhaus theoretisch unter Beachtung der ihm vorgegebenen Grenzen je Planungsbereich im gesamten Bundesgebiet i-Z-MVZ gründen und eine Kette bilden. Dies kritisiert auch Prof. Dr. iur. habil. Helge Sodan in seinem im Oktober 2020 veröffentlichten Rechtsgutachten mit dem Titel „Medizinische Versorgungszentren in der vertragszahnärztlichen Versorgung. Zur Einführung eines MVZ-Registers sowie zur Eignung insbesondere von investorenbetriebenen medizinischen Versorgungszentren“. Er schreibt: „Die bestehende Regelung in § 95 Abs. 1b SGBV berücksichtigt die Gefahr einer Kettenbildung von zahnärztlichen MVZ nicht. Sie knüpft an die einzelnen Planungsbereiche an, ohne übergeordnete Zusammenhänge in den Blick zu nehmen.“ Er empfiehlt deshalb den Aufbau eines zahnärztlichen MVZ-Registers nach dem Vorbild des Zahnarztregisters, das ‒ neben den bisher im Rahmen eines Zulassungsverfahrens üblichen Informationen ‒ Angaben über die Beteiligung von Investoren und deren (renditeorientierte) Absichten enthalten sollte. So erhielte man eine Möglichkeit, hinter die oftmals komplizierten Schachtelkonstruktionen der Finanzinvestoren blicken zu können, um die Absichten bzw. Gefahren besser einschätzen und dementsprechend handeln zu können.
Übrigens hat die KZBV in ihrem Newsletter 12/2020 vom 16.11.2020 auf die beiden oben dargestellten Gutachten hingewiesen und geschrieben, dass trotz der Regelungen des in 2019 in Kraft getretenen TSVG die Gefahren durch investorenbetriebene Z-MVZ weiter bestehen und fordert schon in der Überschrift: „Zahnärztliche Versorgung gehört nicht in die Hände von Investoren!“
FAZIT | In Deutschland ist der Anteil der (i-)Z-MVZ noch gering, in Europa betrug der Marktanteil von Dentalketten bereits im Jahr 2018, bezogen auf die Anzahl der Zahnärzte, z. B. 35 Prozent in Finnland, 24 Prozent in Großbritannien und 25 Prozent in Spanien. Wenn man die o. a. Gutachten, die im Auftrag der KZBV erstellt wurden, liest, kann man abschließend das Resümee ziehen: „Wehret den Anfängen!“ Wobei man gerade im Hinblick auf die Ergebnisse der IGES-Studie kritisch festhalten muss, dass auch einige der weniger erfreulichen Ergebnisse genauso auf Z-MVZ, die nicht in Fremdinvestorenhand sind, zutreffen. |