· Fachbeitrag · Praxisführung
Gehaltskalkulationen für angestellte Zahnärzte: Was ist zu beachten? (mit Praxisbeispielen)
von Maike Klapdor, KlapdorKollegen Dental-Konzepte, Münster,www.klapdor-dental.de
| Praxisinhaber, die über ein Anstellungsverhältnis mit einem zahnärztlichen Kollegen nachdenken, stehen vor der Frage einer angemessenen Vergütungsgestaltung. Einerseits soll sich der Kollege fair bezahlt fühlen, andererseits muss sich der Schritt auch für die Arbeitgeberpraxis wirtschaftlich lohnen. Dieser Beitrag erläutert, welche Aspekte bei der Gehaltsfindung eine Rolle spielen, und stellt zwei Praxisbeispiele vor. |
Keine allgemeingültige Rechenformel für Gehaltskalkulationen
Um es gleich vorweg zu nehmen: Eine allgemeingültige Rechenformel für Gehaltskalkulationen gibt es nicht. Die kann es auch nicht geben, weil zahlreiche Parameter zur berücksichtigen sind, die zum Teil in Wechselwirkungen stehen. Dieser Beitrag erläutert, welche Aspekte bei der Gehaltsfindung aus Sicht des Arbeitgebers eine Rolle spielen, und stellt zwei Praxisbeispiele vor.
Bestandsaufnahme für das Anstellungsverhältnis
Zunächst empfiehlt sich eine grundlegende Bestandsaufnahme aller für das Anstellungsverhältnis relevanten Daten und Situationsfacetten:
1. Was sind meine Motive für das Anstellungsverhältnis?
Das kann beispielsweise sein (ohne den Anspruch auf Vollständigkeit):
- persönliche Entlastung (zum Beispiel weil das Patientenvolumen groß ist oder Wunsch nach mehr Freizeit besteht);
- das Angebot erweiterter Öffnungszeiten (zum Beispiel Abendsprechstunden als Service für den Patienten oder als Reaktion auf eine entstandene Wettbewerbssituation; Vermeidung von urlaubsbedingten Schließungszeiten; höhere Ausnutzung der Praxisinvestitionen etc. );
- die Absicht eigener Spezialisierung;
- die frühzeitige Einbindung eines potenziellen Nachfolgers;
- unerwartet kam eine sympathische Bewerbung per Post oder aus dem persönlichen Umfeld hat jemand Interesse bekundet;
- die Praxis soll wachsen, um den späteren Eintritt des eigenen Kindes vorzubereiten (Platzhalter);
- Praxiswachstum, weil Potenziale am Standort gesehen werden oder persönliche Motive für den Aufbau einer großen Praxis vorhanden sind);
- systematische Weiterentwicklung des Praxisbetriebs hin zu einer Mehrbehandlerpraxis mit Spezialistenkonzept;
- ein Mitarbeiter hat gekündigt und der Nachfolger wird gesucht;
- die Chance der Übernahme einer zweiten Praxis aus der Umgebung - die als attraktiv eingeschätzt wird oder die „man einfach kaufen musste“.
Vielleicht mögen einige Motive zum Schmunzeln anregen. Fakt ist jedoch, dass in vielen Praxen Anstellungsverhältnisse bestehen, deren Zustandekommen eher „aus dem Bauch heraus“ entschieden wurde - ohne das Vorhandensein einer betriebswirtschaftlichen Planung geschweige denn eines Gesamtkonzepts. Davon ist dringend abzuraten, denn solche Entscheidungen können viel Geld kosten. Die Motivlage konkret zu hinterfragen ist wichtig für die Gehaltsverhandlung (dazu weitere Ausführungen in den Beispielen).
2. Hat die Praxis ausreichend Patienten bzw. Behandlungspotenzial, um den angestellten Kollegen auszulasten?
Diese Frage sollte mit schonungsloser Klarheit beantwortet werden. Für größere Praxen, die routiniert erfolgreich mit angestellten Zahnärzten arbeiten und deren Patienten Behandlerwechsel gewohnt sind, stellt sich die Thematik meistens nicht. Alle anderen Praxen brauchen eine nüchterne Analyse, um zu wirtschaftlich tragfähigen Ergebnissen kommen zu können. Leitfragen sind:
- Wie ist die Entwicklung der Patientenfallzahlen über die letzten 12 Quartale?
- Wie ist der Verlauf der Neupatientenzahlen über die letzten 12 Quartale?
- Wie voll ist das Terminbuch? Gibt es Lücken? Wie viele Wochen sind die in der Praxis tätigen Behandler ausgebucht?
- Mit welchen Patienten/Therapien soll sich der neue Kollege befassen?
Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Antwortkategorien:
- a) Eine Vollauslastung des angestellten Zahnarztes - für die geplante Wochenarbeitszeit - ist innerhalb einer kurzen Zeitspanne (maximal zwei Monate) aus vorhandener Substanz der Praxis realistisch organisierbar inklusive Herstellung notwendiger Rahmenbedingungen (vorausschauende Terminierung, Patientenführung, Einbindung des restlichen Praxisteams etc.) In diesem Fall kann die Vergütung direkt auf Basis der erwarteten Vollauslastung kalkuliert werden. Es empfiehlt sich eine Konstruktion mit umsatzabhängiger Vergütungskomponente (siehe weiterer Text).
- Zu hinterfragen ist, ob diese Vollauslastung tatsächlich ein Honorarplus für die Praxis ist oder ob es teilweise zu Honorarverschiebungen - zulasten des Inhabers oder anderer Kollegen, das kann auch Prophylaxe-Kräfte betreffen - kommen wird. Letzteres passiert insbesondere, wenn die Praxis über zu wenig Behandlungszimmer oder zu wenig (qualifizierte) Assistenzkräfte verfügt oder ein Gesamtkonzept fehlt. Verschiebungen sind nicht dramatisch, können im Gegenteil ja auch beabsichtigt sein. Wichtig ist allerdings, diesen Aspekt „auf dem Schirm“ zu haben.
- b) Eine Vollauslastung ist nicht in Sicht - aber der Praxisinhaber will unbedingt den Angestellten haben. Dann wird ein Maßnahmenpaket gebraucht, das die Vollauslastung bewirkt (Marketing, Aufbau Spezialisierung etc.) oder es gibt eine Vereinbarung, die auf andere Intentionen ausgerichtet ist (z. B. Unterstützung im Alltag, kollegialer Austausch etc.). Zentral wichtig sind in dieser Situation Transparenz, Aufgabenklarheit und Zieldefinitionen für alle Beteiligten. Sachgerecht ist in diesem Fall die Vereinbarung eines Fixgehalts (ohne umsatzabhängige Vergütungskomponente), damit für beide Parteien Planungssicherheit garantiert ist. Sofern auf Dauer eine Vollauslastung des Angestellten angestrebt ist, braucht die Praxis eine laufende Erfolgskontrolle der eingeleiteten Maßnahmen. Zu gegebener Zeit erfolgt dann die Umstellung auf eine Gehaltskonstruktion mit umsatzabhängiger Vergütungskomponente.
3. Welche Praxis-Ressourcen bekommt der angestellte Zahnarzt?
Die Ressourcen sind für die Gehaltsfindung ein elementarer Kalkulationsbaustein aus Sicht des Arbeitgebers. Direkt zurechenbare Positionen sind
- zur Verfügung gestellte Behandlungszimmer;
- gegebenenfalls für den neuen Kollegen speziell angeschaffte Geräte (zum Beispiel ein Implantationsset, ein OP-Mikroskop etc.);
- zur Verfügung gestellte Personalressourcen (Assistenzen etc.);
- vom Arbeitgeber bezahlte Fortbildungen (können alternativ auch Teil der Gehaltsvereinbarung sein);
- höherer Praxisaufwand (Materialverbrauch, Kosten für die Abrechnungsgesellschaft, höhere Buchhaltungs- und Steuerberaterkosten etc.)
Ferner gibt es Aufwandspositionen, die im Kontext der erfolgreichen Einbindung eines angestellten Zahnarztes in die Praxis steigen, die aber nicht direkt zurechenbar sind, z. B. Verwaltungspersonal, Büromaterial, Weihnachtsfeier, Betriebsausflug, Software-Lizenzen, Marketing, Aufwand für Bewerbungsverfahren, Mitnutzung in der Praxis vorhandener Geräte und Instrumente etc.
Zwischenmenschliches und Fachliches spielt auch immer eine große Rolle. Es wird unterstellt, dass die persönlich und fachlich passende Person für die zu besetzende Stelle gefunden und der Praxisinhaber seinen Führungsaufgaben im Kontext des Anstellungsverhältnisses umsichtig gerecht wird.
Erstes Beispiel: Dr. Fels, 58 Jahre alt - etablierte Einzelpraxis
- Motiv des Inhabers ist die Einstellung eines Zahnarztes zur persönlichen Entlastung, um mehr Freizeit zu haben. Sekundärmotiv ist die Gewinnung eines Interessenten für die geplante Praxisabgabe in etwa fünf Jahren.
- Behandlungspotenzial: Die Praxis ist mit 650 Fällen pro Quartal konstant gut aus-, aber nicht überlastet. Dr. Fels hofft, dass durch die Einstellung des jüngeren Kollegen auch verstärkt neue Patienten auf seine Praxis aufmerksam werden, plant aber - außer der Aktualisierung seiner Homepage - keine weiteren Marketingaktivitäten.
- Ressourcen: Die Praxis hat drei Behandlungszimmer, wovon eines zu rund 70 Prozent von der Prophylaxe genutzt wird. Die Assistenzkräfte sind voll ausgelastet. Dr. Fels stellt zusammen mit Zahnarzt Neu eine weitere Teilzeitkraft für 25 Stunden pro Woche ein. Die Zahnärzte behandeln parallel. Dr. Fels arbeitet Zahnarzt Neu engagiert in die Praxisstandards ein und zieht sich danach ein wenig zurück (mehr Urlaub und Verkürzung der Wochenarbeitszeit um fünf Stunden).
Dr. Fels vereinbart mit Zahnarzt Neu eine Wochenarbeitszeit von 36 Stunden und ein monatliches Fixgehalt von 4.000 Euro. Mit der neuen Assistenzkraft verständigt er sich auf 1.000 Euro brutto. Die Praxis zahlt 12 Gehälter pro Jahr.
- a) Im ersten Jahr der Zusammenarbeit führt diese Konstellation zu einem Honorarzuwachs (= Umsatz abzüglich Fremdlabor) von durchschnittlich 7.000 Euro pro Monat (= 84.000 Euro für das gesamte Jahr).
- b) Im zweiten Jahr steigt der Umsatz um weitere 3.000 Euro pro Monat, also auf insgesamt 120.000 Euro für das ganze Jahr.
Die Gewinnermittlung von Dr. Fels entwickelt sich wie folgt:
Dr. Fels | Vor Einstellung von ZA Neu | Zukunftsjahr A | Zukunftsjahr B |
Erwirtschaftetes Praxis-Honorar (Umsatz minus Fremdlabor) | 384.000 | 384.000 | 384.000 |
Honorarzuwachs nach der Einstellung von ZA Neu | - | 84.000 | 120.000 |
Summe Honorar | 384.000 | 468.000 | 504.000 |
Variable Kosten: Materialaufwand, Abrechnungsgesellschaft, Buchhaltung etc. (12 Prozent der Honorare pauschalisiert) | 46.080 | 56.160 | 60.480 |
Personalkosten: | |||
Stammbelegschaft | 120.000 | 120.000 | 120.000 |
ZA Neu 4.000 Euro pro Monat + 22 Prozent Nebenkosten | - | 58.560 | 58.560 |
Stuhlassistenz 1.000 Euro pro Monat + 22 Prozent Nebenkosten | - | 14.640 | 14.640 |
Sonstige Kosten (moderate Steigerungen) | 47.920 | 55.000 | 58.000 |
Gewinn | 170.000 | 163.640 | 192.320 |
Auch wenn die Relationen augenscheinlich nicht passen können (4.000 Euro Gehalt für Zahnarzt Neu plus Arbeitgeber-Nebenkosten plus Assistenz-Gehalt - bei nur 7.000 bzw. 10.000 Euro Umsatzzuwachs) ist die Lösung aus Sicht von Dr. Fels ideal. Würde sich Dr. Fels nicht zurückziehen, gäbe es Engpässe in den Behandlungszimmern mit Effizienzeinbußen im Gesamtbetrieb.
Zweites Beispiel: Dr. Feuer, 48 Jahre alt, etablierte Praxis mit zwei angestellten Zahnärzten
- Motiv: Dr. Feuer will einen jungen Zahnarzt als Nachfolger für einen Mitarbeiter einstellen, der gekündigt hat und in eine andere Stadt umzieht.
- Behandlungspotenzial ist durch den Weggang des bisherigen Stelleninhabers - er erreichte 240.000 Euro pro Monat - gegeben. Die Praxis wird in der Region empfohlen, betreibt Marketing, erfreut sich konstant hoher Neupatientenzahlen und hat einen Terminvorlauf von rund vier Wochen.
- Ressourcen: Die Praxis ist hervorragend organisiert und auf einen Mehrbehandlerbetrieb ausgelegt. Der Bewerber Pfiffig kann nahtlos einsteigen.
Er hat allerdings deutlich höhere Gehaltsvorstellungen als der bisherige Stelleninhaber. Zahnarzt Pfiffig verweist auf seine lange Berufserfahrung, sehr gutes Kontaktvermögen zum Patienten und argumentiert mit höheren Honoraren - er geht von 360.000 Euro pro Jahr (Monatsdurchschnitt 30.000 Euro) aus -, die er erwirtschaften wird, was für Dr. Feuer doch auch lukrativ sei.
Dr. Feuer hat bislang seinen angestellten Zahnärzten ein Fixum von monatlich 3.500 Euro bezahlt - zuzüglich einer umsatzabhängigen Vergütung von 25 Prozent, die einsetzt, sobald das Honorar 168.000 Euro pro Jahr überschreitet. So kam der ausscheidende Kollege auf 42.000 Euro Fixum plus 18.000 Euro Umsatzbeteiligung = 60.000 Euro Jahresgehalt. Die Vorstellungen von Pfiffig liegen bei 5.000 Euro Fixum plus Umsatzbeteiligung von 33 Prozent ab 192.000 Jahreshonorar.
Dr. Feuer ist von Pfiffig überzeugt, scheut jedoch das höhere Risiko. Nach einer Verhandlungsstrecke verständigen sich die Parteien auf folgenden Kompromiss: 5.000 Euro Fixum plus 30 Prozent Umsatzbeteiligung für erzielte Honorare über 192.000 Euro Jahreswert plus weitere 6 Prozentpunkte (dann 36 Prozent) für erzielte Honorare über 276.000 Euro Jahreswert. Damit ist für Dr. Feuer das Risiko begrenzt, falls Pfiffig seine ehrgeizigen Ziele nicht erreichen sollte. Pfiffig erreicht in etwa seine ursprüngliche Gehaltsvorstellung, wenn er die 360.000 Euro tatsächlich generiert. Im ersten Jahr ist Pfiffig nicht ganz bei der Sache und kommt „nur“ auf den Vorgängerwert von 240.000 Euro. Im zweiten Jahr gelingt es ihm, seine Honorarziele in voller Höhe von 360.000 Euro zu realisieren. Daraus ergibt sich dieses Zahlenwerk:
Dr. Feuer | Vor Personalwechsel | Zukunftsjahr A | Zukunftsjahr B | |
Erwirtschaftetes Honorar (Zahnärzte + Prophylaxe) des bleibenden Personalstamms - ohne Fremdlabor | 900.000 | 900.000 | 900.000 | |
Honorar Stellenabgeber | 240.000 | - | - | |
Honorar Zahnarzt Pfiffig | - | 240.000 | 360.000 | |
Summe Honorar | 1.140.000 | 1.140.000 | 1.260.000 | |
Variable Kosten: Materialaufwand, Abrechnungsgesellschaft, Buchhaltung etc. (12 Prozent der Honorare pauschalisiert) | 136.800 | 136.800 | 151.200 | |
Personalkosten: bleibender Personalstamm | 380.000 | 380.000 | 380.000 | |
Personalkosten: Stellenabgeber 60.000 Euro pro Jahr + 22 Prozent Nebenkosten | 73.200 | - | - | |
Personalkosten: Zahnarzt Pfiffig Fixum | 5.000 Euro/Monat | 60.000 | 60.000 | |
Personalkosten - Zahnarzt Pfiffig Umsatzbeteiligung 1. Stufe | 30 Prozent ab 192.000 Euro | 14.400 | 50.400 | |
Personalkosten - Zahnarzt Pfiffig Umsatzbeteiligung 2. Stufe | + 6 Prozent ab 276.000 Euro | - | - | 5.040 |
Nebenkosten Gehalt Zahnarzt Pfiffig 22 Prozent (Beitragsbemessungsgrenze ist zu beachten) | - | 15.708 | 15.708 | |
Sonstige Kosten (moderate Steigerungen) | 200.000 | 200.000 | 210.000 | |
Gewinn | 350.000 | 333.092 | 387.652 |
Die Gehaltsverhandlung war klug: Dr. Feuer profitiert von der Einsatzfreude von Zahnarzt Pfiffig und hat gleichzeitig sein Risiko begrenzt. Anderenfalls hätte er im Zukunftsjahr A noch deutlich höhere Gewinneinbußen erlebt.
FAZIT | Die Praxisfälle geben einen kleinen Einblick in das Feld der Möglichkeiten. Insbesondere aus Arbeitgebersicht ist es wichtig, sich sehr genau zu überlegen, was im Kern gewollt ist, und die denkbaren Vergütungsvarianten für die eigene Praxis konkret durchzurechnen, bevor Verträge unterschrieben werden. |