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  • 13.12.2018 · IWW-Abrufnummer 206151

    Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 27.06.2017 – 26 U 109/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Hamm


    Tenor:

    Auf die Berufung des Klägers wird das am 18. Juni 2013 verkündete Urteil der Zivilkammer I des Landgerichts Detmold abgeändert.

    Der Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 112,48 € nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Februar 2012 zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die weitergehenden Berufungen der Parteien werden zurückgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    In dem Rechtsstreit

    3

    hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2017 durch

    4

    für R e c h t erkannt:

    5

    Auf die Berufung des Klägers wird das am 18. Juni 2013 verkündete Urteil der Zivilkammer I des Landgerichts Detmold abgeändert.

    6

    Der Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 112,48 € nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Februar 2012 zu zahlen.

    7

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    8

    Die weitergehenden Berufungen der Parteien werden zurückgewiesen.

    9

    Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

    10

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    11

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    12

    Gründe:

    13

    Die Klägerin - eine privatärztliche Verrechnungsstelle - hat aus abgetretenem Recht in der Hauptsache zahnärztliches Honorar in Höhe von 10.610,24 € für diagnostische Maßnahmen im Vorfeld einer dann nicht mehr durchgeführten Implantatbehandlung gegen den am ##.##.1937 geborenen Beklagten geltend gemacht. Die Parteien haben darüber gestritten, ob die Abtretung des Honorars durch den Zahnarzt Dr. M wirksam ist und die Forderung in dieser Höhe entstanden ist. Darüber hinaus hat der Beklagte hilfsweise mit einem vermeintlichen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 5.000 € wegen einer vermeintlich rechtswidrigen Strahlenexposition aufgerechnet.

    14

    Das Landgericht hat der Klage teilweise - in Höhe von 2.859,93 € - stattgegeben.

    15

    Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung das erstinstanzliche Zahlungsbegehren in voller Höhe weiter und beantragt entsprechend in der Hauptsache die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer 7.750,31 € nebst Zinsen.

    16

    Der Vergütungsanspruch sei durch Unterzeichnung der diversen schriftlichen Unterlagen vor dem Behandlungsbeginn dem Grunde nach entstanden und wirksam an die Klägerin abgetreten worden. Er bestehe auch der Höhe nach. Insoweit trägt die Klägerin zu den jeweiligen Gebührenpositionen im Einzelnen vor.

    17

    Der Beklagte erstrebt mit seiner Berufung die vollständige Klageabweisung.

    18

    Er ist weiterhin der Auffassung, dass eine wirksame Abtretung nicht gegeben sei. Überdies sie die Vergütung überhöht berechnet worden. Hilfsweise erklärt er weiterhin die Aufrechnung mit einem Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 5.000,00 €

    19

    Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung zweier schriftlicher Gutachten durch den zahnärztlichen Sachverständigen Prof. Dr. P, die der Sachverständige sodann mündlich erläutert hat. Wegen des Ergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 27.06.2017 verwiesen.

    20

    Die Klägerin hat dem Zedenten Dr. M den Streit verkündet. Dieser ist dem Rechtsstreit nicht beigetreten.

    21

    Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere des genauen Wortlautes der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird auf die angefochtene Entscheidung und die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    22

    II.

    23

    Die Berufung des Beklagten ist im erkannten Umfang begründet. Im Übrigen sind beide Berufungen unbegründet.

    24

    Der Klägerin stehen gegen den Beklagten gem. § 611 BGB abgetretene Honoraransprüche nur in Höhe von 112,48 € zu.

    25

    Der Senat stützt sich dabei auf die schriftlichen Begutachtungen durch den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. P und seine Ausführungen bei der Anhörung durch den Senat. Der Sachverständige hat den Sachverhalt unter Berücksichtigung sämtlicher Behandlungs- und Abrechnungsunterlagen vollständig ausgewertet und seine Feststellungen und Bewertungen dem Senat widerspruchsfrei und überzeugend dargelegt.

    26

    Im Einzelnen gilt insbesondere Folgendes:

    27

    1.

    28

    Die streitgegenständliche Honorarforderung ist durch den Dienstleistungsvertrag vom 07./09.12.11 von Dr. M an die Klägerin abgetreten worden.

    29

    Der Beklagte hat eine unter dem 24.12.2011 datierende Einverständniserklärung abgegeben. Nach seinen Angaben ist ihm tatsächlich kurz vor Weihnachten 2011 ein Schreiben wegen Abrechnungsformalitäten übersandt worden. Darüber hinaus hat der Beklagte bei seiner Anhörung bestätigt, dass die Unterschrift von ihm stammt. Der Beklagte muss sich dann diese Erklärung entgegenhalten lassen. Seine Behauptung, dass gleichwohl das nicht die Erklärung sei, die er unterzeichnet habe, erscheint als bloße durch nichts belegte Ausflucht. Jedenfalls hat der Beklagte das gesetzte Beweiszeichen nicht widerlegt.

    30

    Die Einverständniserklärung ist auch nicht wegen Verstoßes gegen die §§ 4, 4a BDSG i.V.m. § 134 BGB i.V.m. § 203 Abs.1 Nr.1 StGB unwirksam.

    31

    Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Abtretung einer zahnärztlichen Honorarforderung an eine Abrechnungsstelle unwirksam, wenn der Patient in diese Abtretung nicht eingewilligt hat (vgl. BGH-Urteil v. 10.07.1991 - VI ZR 296/90 -, Juris-Veröffentlichung unter Rz.22). Für eine wirksame Einwilligung ist erforderlich, dass der Einwilligende eine im Wesentlichen zutreffende Vorstellung davon hat, worin er einwilligt, und Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung zu überblicken vermag (vgl. BGH-Urteil v. 20.05.1991 - VIII ZR 240/91 -, Juris-Veröffentlichung unter Rz.38). Dazu gehört zumindest die Kenntnis, welcher Abrechnungsstelle die Forderung abgetreten wird, sowie, dass dem Zessionar zur Durchsetzung der Forderung die notwendigen Kenntnisse in Form der Behandlungsunterlagen zur Verfügung gestellt werden (vgl. BGH-Urteil v. 10.10.2013 - III ZR 325/12 -, Juris-Veröffentlichung unter Rz.10).

    32

    Diesen Anforderungen genügt die Einverständniserklärung. Sie benennt zum Einen die Klägerin und zum Anderen die Weitergabe der notwendigen Informationen, insbesondere der Daten aus der Patientenkartei.

    33

    Ob die Einwilligung hinsichtlich der Weiterabtretung an refinanzierende Banken wirksam ist, ist für die Wirksamkeit der Abtretung an die Klägerin unerheblich (vgl. BGH-Urteil v. 10.10.2013 - III ZR 325/12 -, Juris-Veröffentlichung unter Rz.12).

    34

    2.

    35

    Die Hauptforderung besteht in Höhe von 112,48 €.

    36

    a.

    37

    Die Privatvereinbarungen zur Gebührenhöhe mit einem Kostenvolumen von 11.503,08 € sind wirksam zustande gekommen.

    38

    b.

    39

    Gleichwohl besteht ein Anspruch nur in der ausgeurteilten Höhe. Insoweit wird zunächst auf die schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen in beiden Gutachten und seine mündlichen Erläuterungen vor dem Senat verwiesen. Insbesondere gilt:

    40

    aa.

    41

    Lediglich die Pos. 800 am 31.10.11 mit 112,48 € ist von dem Sachverständigen zutreffend als berechtigt angesehen worden.

    42

    bb.

    43

    Im Übrigen besteht kein Honoraranspruch, weil die berechneten Leistungen teils nicht wie berechnet erbracht und teils zur Unzeit erbracht wurden. Insbesondere soweit der Sachverständige die Leistungen als medizinisch zur Zeit der Leistungserbringung nicht indiziert oder fachlich sogar nicht vertretbar angesehen hat, liegt keine Notwendigkeit der Leistungserbringung vor. Abrechnungsfähig sind grundsätzlich aber nur notwendige Leistungen §1 Abs.2 GOZ.

    44

    Dazu ist darauf hinzuweisen:

    45

    (1)

    46

    Die Position Ä34 ist zu Unrecht in Ansatz gebracht worden. Die Krankenunterlagen lassen keine Implantatplanung im Sinne dieser Gebührenziffer erkennen. Auch die Position Ä3 ist nicht anzusetzen, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht dokumentiert sind.

    47

    (2)

    48

    Hinsichtlich der Positionen Ä 298, Ä 4785, Ä5370, Ä5377, 411, 1019 beanstandet der Sachverständige zu Recht, dass diese Leistungen zum Zeitpunkt ihrer Erbringung nicht indiziert gewesen sind. Zuvor hätte eine Behandlung der parodontalen Situation mit entzündlichen Veränderungen an den Wurzelspitzen mit Erfolg durchgeführt werden müssen.

    49

    (3)

    50

    Nicht abrechenbar ist auch die Gebührenziffer Ä5000.

    51

    Der Streitverkündete hat umfangreich geröntgt, obwohl zu diesem Zeitpunkt Voraufnahmen hätten hinzugezogen werden können und müssen, um diese zur Auswahl konkreter Zielaufnahmen zu verwenden. Der Sachverständige konnte nicht feststellen, dass bei einer solchen Vorgehensweise überhaupt weitere Aufnahmen erforderlich geworden wären.

    52

    (4)

    53

    Die mit LA20 berechnete Laserbehandlung hätte nicht kurz nach der Zahnreinigung durchgeführt werden dürfen, sondern erst ca. 8 Tage später nach dem Abheilen der Vorbehandlung.

    54

    (5)

    55

    Die chirurgischen Eingriffe der Pos. 409, 410 in der ersten Sitzung waren kontraindiziert, weil zuvor keine hinreichende Diagnostik, Mundhygieneinstruktion, professionelle Zahnreinigung, Kontrolle und Erhebung eines differenzierten Parodontalstatus erfolgt waren.

    56

    cc.

    57

    Keine Abrechenbarkeit besteht, soweit der Streitverkündete Analogpositionen geschaffen hat, bei denen keine Vergleichbarkeit gegeben gewesen ist.

    58

    Dies betrifft die Pos. 518 und 519.

    59

    dd.

    60

    Nicht abrechenbar sind Gebühren für Leistungen, für die die technischen Voraussetzungen gar nicht vorgelegen haben.

    61

    Die Anfertigung des DVT gem. Pos 1019 und 900 erforderte Schablonen für die Positionierung von Bohrungen. Diese Schablonen sind nicht gefertigt worden.

    62

    Dr. M hatte für die Erbringung der Leistung für Pos. Ä5380 lt. Herstellerinformation nicht das dafür geeignete Gerät. Mit ihm war die notwendige quantitative Bestimmung des Mineralgehaltes nicht möglich, so auch die Bedienungsanleitung. Dr. M fehlte auch die Qualifikation, die man erst durch 50 Untersuchungen unter Anleitung erhielt.

    63

    ee.

    64

    Auf Gebühren, deren Leistungsinhalt nach den Behandlungsunterlagen oder nach der Beschaffenheit der Modelle nicht gegeben ist, besteht kein Anspruch.

    65

    Das betrifft die Pos. 802, 804, 805.

    66

    Die Abrechnung dieser Positionen erfordert entsprechende Arbeiten mit Modellen, die weder entsprechend erstellt und nicht dokumentiert sind.

    67

    ff.

    68

    Auch die Pos. Ä5098 ist nicht berechtigt. Dr. M hat lediglich einen DVT-Datensatz für einen 2D-Ausdruck verwendet, während die Gebührenziffer eine gesonderte Aufnahme mit separater zweckbezogener Einstellung auf einem anderen Gerät erfordert.

    69

    gg.

    70

    Die Pos. 407 ist nicht abrechenbar, weil laut Krankenunterlagen keine Konkremententfernung erfolgt ist. Die einschlägige Gebührenziffer 405 konnte nicht abgerechnet werden, weil die Pos. 409 und 410 beansprucht worden sind.

    71

    hh.

    72

    Die Abrechnung einer Verbandplatte ist nicht berechtigt. Der verwendete Peripak-Wundverband stellt keine Verbandplatte im Sinne der Gebührenposition Ä2700 dar.

    73

    Aus den genannten Gründen sind die genannten Positionen nicht abrechenbar. Von daher kann dahingestellt bleiben, ob weitere Bedenken nach Grund oder Höhe bestehen.

    74

    3.

    75

    Der verbleibende Anspruch ist nicht durch die Aufrechnung des Beklagten mit einem Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 5.000,00 € untergegangen.

    76

    Der Senat ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht der Überzeugung, dass jedenfalls die Geringfügigkeitsschwelle für die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes nicht überschritten ist.

    77

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs.2 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 711, 543 ZPO.

    78

    Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.

    RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 611 ; BGB § 398