31.01.2025 · IWW-Abrufnummer 246142
Landesarbeitsgericht München: Urteil vom 16.05.2024 – 9 Sa 538/23
Tenor: 1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 14.11.2023, Az. 13 Ca 593/23 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:
Tatbestand
1
Die Parteien streiten in der Berufung noch um Entgeltfortzahlung und die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 AGG.
2
Der Kläger ist seit dem 01.05.2002 bei der Beklagten als Lagermitarbeiter mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von zuletzt Euro 3.612,94 beschäftigt. Die Beklagte ist ein Distributor für Komponenten der Elektroindustrie.
3
In der Zeit vom 22.08.2022 bis zum 09.09.2022 hatte der Kläger Urlaub und befand sich in Tunesien. Mit E-Mail vom 07.09.2022 teilte er der Beklagten mit, er sei bis zum 30.09.2022 krankgeschrieben (Anl. B2, Bl. 49 der Akten). Beigefügt war ein ärztliches Attest vom 07.09.2022 in französischer Sprache (Anl. K3, Bl. 9 der Akten). Nach seiner Rückkehr war der Kläger vom 04.10.2022 (Dienstag) bis zum 08.10.2022 mit Erstbescheinigung krankgeschrieben. Der Kläger teilte der Beklagten mit, dass es sich bei der nunmehrigen Arbeitsunfähigkeit um eine Erkrankung im Zusammenhang mit der Bandscheibe gehandelt habe. Mit Schreiben vom 13.10.2022 teilte die Beklagte dem Kläger mit, bei dem Attest vom 07.09.2022 handele es sich nicht um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Der Kläger legte daraufhin eine weitere Bescheinigung vom 17.10.2022 mit einer beglaubigten Übersetzung vor (Bl. 12, 13 der Akten), in der der behandelnde Arzt bestätigte, er habe den Kläger am 07.09.2022 untersucht. Weiter hieß es (Übersetzung aus dem Französischen):
4
5
Die Beklagte akzeptierte auch dieses medizinische Zertifikat nicht (Schreiben vom 22.11.2022, Anl. K6, Bl. 14 der Akten). Sie gewährte dem Kläger keine Entgeltfortzahlung für den Zeitraum 07.09.2022 bis 30.09.2022..
6
Bereits in den Jahren 2017, 2019 und 2020 war der Kläger ebenfalls im direkten zeitlichen Zusammenhang mit seinem beantragten Urlaub arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen (Fehlzeitenübersicht des Klägers für die Jahre 2016-2023, Anl. B3, Blatt 50 der Akten). Während der Krankschreibung im Anschluss an den Sommerurlaub war der Kläger wegen der Entfernung von Nierensteinen und anschließender Komplikationen im Krankenhaus gewesen.
7
Der Kläger erhob Klage zum Arbeitsgericht München, die er unter dem 26.05.2023 um einen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 AGG erweiterte.
8
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für September 2022, da er tatsächlich im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Sein Arzt habe ausdrücklich Arbeitsunfähigkeit und Reiseverbot attestiert. Bereits das ärztliche Attest vom 07.09.2022 lasse die bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers klar erkennen. Ebenso wie bei der Arbeitsunfähigkeit ab 04.10.2022 habe es sich um die Folgeerkrankung eines Bandscheibenvorfalles gehandelt. Die Beklagte erkläre nicht, wie der Kläger als Lagermitarbeiter bei strenger häuslicher Ruhe und bei dem ärztlichen Rat, in Tunesien weder zu reisen und noch sich zu bewegen, eine Arbeitsleistung hätte erbringen sollen.
9
Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 15 AGG. Es liege eine Benachteiligung in Bezug auf seine ethnische Herkunft vor, weil die Beklagte grundsätzlich Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen deutscher Arbeitnehmer im Fall von in Deutschland attestierter Arbeitsunfähigkeit anerkenne. Damit seien im Ausland erkrankte ausländische Arbeitnehmer benachteiligt, da ein ausländischer Arbeitnehmer eine ungünstigere Behandlung erfahre als andere Arbeitnehmer des Betriebs. Die Frist des § 15 Abs. 4 AGG sei gewahrt, denn die Beklagte verweigere bis heute die Erfüllung des bestehenden Entgeltfortzahlungsanspruchs aus nicht nachvollziehbaren Gründen. Wenn ein noch nicht abgeschlossener Zustand vorliege, beginne die Ausschlussfrist nicht vor dessen Beendigung zu laufen. Eine Entschädigung in Höhe eines Bruttomonatsgehalt sei geboten.
10
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
11
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum 01.09.2022 bis zum 30.09.2022 einen Betrag i.H.v. Euro 1.583,02 netto, nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.10.2022, zu bezahlen.
12
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum 01.09.2022 bis zum 30.09.2022 einen Betrag in Höhe von Euro 213,30 brutto, nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.11.2022, zu bezahlen.
13
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 3.612,94 netto zu bezahlen.
14
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt Klageabweisung.
15
Die Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger habe keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den streitgegenständlichen Zeitraum. Es lägen Tatsachen vor, die geeignet seien, den Beweiswert der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung zu erschüttern. In der Bescheinigung vom 07.09.2022 werde nur bescheinigt, dass der Kläger angeblich 24 Tage häusliche Ruhe benötige und sich während dieser Zeit nicht bewegen oder reisen dürfe, die Richtigkeit der Übersetzung unterstellt. Dass es sich um eine mit einer Arbeitsunfähigkeit verbundene Krankheit handele, werde bestritten und sei nicht ersichtlich. Auch die Angaben der erläuternden Bescheinigung vom 17.10.2022 führten zu keiner anderen Beurteilung. Es sei nicht nachvollziehbar, wie ein Arzt am 07.09.2022 beurteilen könne, dass der Kläger bis zum 30.09.2022 arbeitsunfähig krank sein solle, insbesondere wenn die Diagnose auf Rückenschmerzen gestützt werde. Der Kläger trage auch nicht vor, dass die Rückenschmerzen derart gravierend gewesen seien, dass der Arzt Medikamente habe verschreiben müssen.
16
Bei einer Krankschreibung von 24 Tagen wäre es vermutlich naheliegender gewesen, den Kläger in ein Krankenhaus einzuliefern. Die Krankschreibung für 24 Tage scheine bei Rückenschmerzen wenig plausibel, was stark auf ein Gefälligkeitsattest hindeute. Ein verständiger Arzt hätte den Patienten zunächst maximal eine Woche krankgeschrieben und ihn anschließend erneut zur Untersuchung aufgefordert. Widersprüchlich seien auch die Angaben zu den Diagnosen in den Attesten (schwere Ischialbeschwerden im engen Lendenwirbelkanal - beidseitige Lumboischialgie).
17
Auffällig sei insbesondere, dass der Kläger kurz vor Ablauf des beantragten Urlaubszeitraums plötzlich erkrankt sei und mitteile, die Rückreise nicht antreten zu können. Eine Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit ab dem 07.09.2022 werde bestritten. Nachdem der Kläger bereits in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Urlaubszeiträumen Krankheitszeiten aufgewiesen habe, werde der Verdacht verstärkt, dass das Vorgehen des Klägers System habe. Ein Anspruch auf Zahlung der Anwesenheitsprämie bestehe nicht. Mit der erneuten Erstbescheinigung ab dem 04.10.2022 sei indiziert, dass es sich bei der behaupteten vorangehenden Arbeitsunfähigkeit nicht um einen Bandscheibenvorfall gehandelt haben könne.
18
Ein Anspruch auf Entschädigung nach § 15 AGG bestehe bereits dem Grunde nach nicht. Eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen der ethnischen Herkunft sei nicht gegeben. Der Anspruch scheitere auch bereits an der Frist des § 15 Abs. 4 AGG. Die beantragte Entgeltfortzahlung habe die Beklagte bereits mit Schreiben vom 20.11.2022 abgelehnt. Der Kläger trage völlig unsubstantiiert vor und komme seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nach. Es sei insbesondere nicht zutreffend, dass die Beklagte grundsätzlich Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen deutscher Arbeitnehmer im Falle von in Deutschland attestierten Arbeitsunfähigkeit anerkenne und ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht.
19
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle liege nicht vor, da die Beklagte den Beweiswert der ärztlichen Atteste erschüttert habe. Zweifel an deren Richtigkeit ergäben sich daraus, dass der Kläger unmittelbar vor Beendigung des genehmigten Urlaubs im Ausland erkrankt sei und bereits in der Vergangenheit Arbeitsunfähigkeitszeiten im Zusammenhang mit Urlaub aufgewiesen habe. Die Atteste seien in sich nicht schlüssig, weil die Krankheitsursache unterschiedlich benannt werde. Selbst wenn der Kläger Rückenschmerzen gehabt habe, sei die Krankschreibung für einen Zeitraum von mehr als einer Woche mehr als ungewöhnlich. Auch der Umstand, dass der Kläger bereits am 08.09.2022 ein neues Rückreiseticket für den 29.09.2022 gebucht habe, bestätige die Vermutung, dass der Kläger von vornherein beabsichtigt habe, seinen Auslandsaufenthalt durch die behauptete Arbeitsunfähigkeit eigenmächtig zu verlängern. Erschüttert sei der Beweiswert auch dadurch, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt vorgetragen habe, die Rückenschmerzen seien so gravierend, dass der Arzt beispielsweise Medikamente gegen Schmerzen verschreiben musste. Auch weise es auf ein Gefälligkeitsgutachten hin, dass der Arzt bei ein und derselben Diagnose eine erläuternde Bescheinigung ausstelle.
20
Nach Erschütterung des Beweiswertes habe der Kläger nicht weiter substantiiert dargelegt, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei.
21
Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Anwesenheitsprämie, da er im September 2022 unentschuldigt gefehlt habe.
22
Auch ein Anspruch auf Entschädigung bestehe nicht. Es sei bereits kein Diskriminierungstatbestand zu erkennen. Jedenfalls wäre ein etwaiger Anspruch gemäß § 15 Abs. 4 AGG verfallen. Die zweimonatige Frist des § 15 Abs. 4 AGG habe mit der Zurückweisung der Entgeltfortzahlung am 22.11.2022 begonnen.
23
Gegen dieses Urteil vom 14.11.2023, dem Kläger zugestellt am 27. November 2023, legte dieser am 27.12.2023 Berufung ein, die er mit einem am 20.02.2024 eingegangenen Schriftsatz begründete. Die Berufungsbegründungsfrist war bis zum 20.02.2024 verlängert worden.
24
Der Kläger macht geltend, das Arbeitsgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Das Arbeitsgericht gehe zu Unrecht davon aus, der Kläger sei mehrfach im Anschluss an seinen Erholungsurlaub im Ausland erkrankt gewesen. Dem Kläger sei nicht erinnerlich, dass er jemals zuvor im Ausland während seines Urlaubs erkrankt sei. Auch die Beklagte habe nichts Anderes vorgetragen. Der Beklagten sei auch bekannt, dass die Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Anschluss an den Sommerurlaub 2017 ihren Grund in einer Entfernung eines Nierensteins mit Komplikationen und Krankenhausaufenthalten gehabt habe.
25
Völlig unzutreffend sei, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum bloß "Rückenschmerzen" gehabt habe. Bei der streitgegenständlichen Arbeitsunfähigkeit handle es sich um eine Folgeerkrankung eines Bandscheibenvorfalls, den der Kläger bereits mehrfach erlitten habe. Er könne deshalb laut ärztlichem Attest Gewichte über 10 kg nicht mehr heben.
26
Der Kläger leide an einer chronischen Wirbelsäulenerkrankung mit ständigen Schmerzen im Lendenwirbelbereich. Wenn dies akut werde, wie im streitgegenständlichen Zeitraum, leide der Kläger an unerträglichen Schmerzen und könne sich kaum noch bewegen. Aus diesem Grund sei dem Kläger für 24 Tage strenge häusliche Ruhe verordnet worden. Der Kläger habe weiterer Schmerzmittel nicht bedurft, da er stets Schmerzmittel in ausreichendem Umfang mitführe.
27
Die Beklagte habe die Lohnfortzahlung ohne inhaltliche Begründung verweigert. Ein schlichtes Bestreiten mit Nichtwissen genüge hinsichtlich der vorgelegten Atteste nicht. Sie erkläre nicht, wie ein Lagermitarbeiter, der nicht reisefähig sei und sich nicht bewegen könne, arbeitsfähig sein könne.
28
Nachdem die Beklagte dem Kläger mitgeteilt hatte, dass das vorgelegte Attest nicht genügen würde, habe der Kläger beim behandelnden Arzt angefragt, ob er aufgrund der seinerzeitigen Erkrankung und der seinerzeitigen Diagnose vor dem Hintergrund der persönlichen Untersuchung am 07.09.2022 arbeitsfähig gewesen sei. Der behandelnde Arzt habe daraufhin nochmals mit Schreiben vom 17.10.2022 mitgeteilt, dass der Kläger auf der Grundlage der Untersuchung vom 07.09.2022 nicht arbeitsfähig und nicht reisefähig gewesen sei. Auch nach Einreichung dieses Attests habe die Beklagte mit Schreiben vom 22.11.2022 die Entgeltfortzahlung verweigert.
29
Die Beklagte habe Zweifel an dem ärztlichen Attest nicht ansatzweise dargelegt. Der Kläger sei vorher nicht im Ausland arbeitsunfähig geworden. Auch eine unterschiedliche Benennung von Krankheitsursachen liege nicht vor. Auch sei die Krankheitsdauer nicht unangemessen gewesen. Die Beurteilung müsse auch einem tunesischen Arzt zuerkannt werden. Aus der Buchung des Rückreisetickets am 08.09.2022 ergebe sich nicht, dass der Kläger von Beginn an vorgehabt habe, erst verspätet zurückzureisen. Der Kläger sei dem ärztlichen Rat gefolgt. Schmerzmittel führe der Kläger aufgrund seiner chronischen Erkrankung stets in ausreichender Menge mit sich. Auch Anzeichen für ein Gefälligkeitsattest lägen nicht vor. In jedem Fall habe der Kläger seine Beschwerden unter Benennung der Krankheitsursachen näher dargelegt sowie die Verhaltensempfehlung des Arztes offengelegt. Weiter habe er seine Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden.
30
Der Entschädigungsanspruch sei nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen. Die Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft sei nicht spätestens mit der Zurückweisung der Entgeltfortzahlung und der Ablehnung des ärztlichen Attestes abgeschlossen. Der Kläger habe erst im laufenden Verfahren mit dem Schriftsatz vom 20.04.2023 positive Kenntnis erlangt, dass der Beklagten auch in anderen Fällen Anhaltspunkte, die auf ein eigenmächtiges Verlängern des Sommerurlaubs durch Einreichen ausländischer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hindeuten, vorlägen. Soweit dem Kläger bekannt, habe die Beklagte einzig beim Kläger eine Lohnfortzahlung aufgrund einer ausländischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verweigert.
31
Dem Kläger sei ein weiterer Fall bekannt, in dem die Beklagte den Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einer ausländischen Mitarbeiterin angezweifelt habe.
32
Die Beklagte habe im Fall einer ausländischen Mitarbeiterin den Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitbescheinigungen angezweifelt. Allerdings sei die Krankschreibung dort nicht für eine Erkrankung im Ausland erfolgt.
33
Angemessen sei eine Entschädigung in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes. Der Kläger beantragt:
34
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 14.11.2023, Az. 13 Ca 593/23, abgeändert.
35
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum 01.09.2022 bis 30.09.2022 einen Betrag in Höhe von Euro 1.583,02 netto, nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.10.2022, zu bezahlen.
36
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 3.612,94 netto zu bezahlen.
37
Die Beklagte beantragt:
38
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
39
Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Sie rügt bereits die Unzulässigkeit der Berufung infolge einer unzureichenden Auseinandersetzung mit dem Ersturteil. Das Urteil beschäftige sich nicht mit der entscheidenden Feststellung des Erstgerichts, dass der Kläger ein Rückreiseticket für den 29.09.2022 gebucht habe, obwohl er angeblich bis zum 30.09.2022 Reiseverbot gehabt habe. Auch habe sich der Kläger nicht Punkt für Punkt mit den Gründen des Ersturteils auseinandergesetzt.
40
Es lägen genügend Umstände vor, um das ärztliche Attest zu erschüttern. Es sei nicht nachvollziehbar, wie ein Arzt am 07.09.2022 beurteilen könne, dass der Kläger bis zum 30.09.2022 arbeitsunfähig sei. Auch trage der Kläger nicht vor, dass die Schmerzen derart gravierend waren, dass Medikamente verschrieben wurden. Bei einer Krankschreibung von 24 Tagen wäre es vermutlich naheliegender gewesen, den Kläger in ein Krankenhaus einzuliefern. Ein verständiger Arzt hätte den Patienten zunächst maximal eine Woche krankgeschrieben. Auch sei die Diagnose beidseitige Lumboischialgie nicht mit der Prognose des Attests in Einklang zu bringen. Die Vorlage der erläuternden Bescheinigung führe keinesfalls dazu, dass das Attest vom 07.09.2022 den Anforderungen an eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entspreche. Dass der Arzt bei ein und derselben Diagnose eine erläuternde Bescheinigung ausstelle, die nun einen Monat später plötzlich den Begriff der "Arbeitsunfähigkeit "enthalte, deute stark auf ein Gefälligkeitsattest. Auch seien die Angaben zu den Diagnosen in den Attesten widersprüchlich. Besonders auffällig sei es, dass der Kläger kurz vor Ende des beantragten Urlaubszeitraums krank geworden sei. Eine Arbeitsunfähigkeit ab dem 07.09.2022 bleibe bestritten. Auch sei der Kläger früher schon im Anschluss an Urlaub arbeitsunfähig erkrankt. Im September 2017 sei der Kläger unmittelbar im Anschluss an den Urlaub für sechs Wochen krank gewesen.
41
Bestritten werde, dass der Kläger am 08.09.2022 erneut ein Reiseticket für Euro 506,15 habe buchen müsse. Nach den Recherchen der Beklagten sei eine Umbuchung des Fährtickets für eine Gebühr von 50 € möglich. Die Ausführungen zum Rückreiseticket bestärkten die Zweifel der Beklagten an der vorgelegten Bescheinigung.
42
Nach alledem sei der Beweiswert der Atteste erschüttert. Der Vortrag zu einer chronischen Wirbelsäulenerkrankung des Klägers sei jedenfalls verspätet. Das verspätete Vorbringen des Klägers dürfe nach § 67 Abs. 3 ArbGG nicht mehr zugelassen werden. Dies gelte auch für die erstmalige Benennung der behandelnden Ärzte und deren Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht und für den Vortrag zu den Schmerzmitteln. Auch fehlten weiterhin Angaben zur verordneten Therapie.
Entscheidungsgründe
I.
43
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO). Unerheblich ist hierbei, dass der Kläger sich nicht mit jedem Punkt der Begründung des Ersturteils auseinandersetzt. Es liegt jedenfalls eine Auseinandersetzung mit einzelnen Punkten der Begründung, z.B. der Erschütterung der Atteste in Folge weiterer Erkrankungen im Anschluss an den Urlaub vor. Dies genügt vor dem Hintergrund, dass aus rechtsstaatlichen Gründen keine zu hohen Anforderungen an die Berufungsbegründung gestellt werden dürfen.
II.
44
Die Berufung ist teilweise auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 07.09.2022 bis zum 30.09.2022. Nicht begründet ist die Berufung, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage auf Entschädigung wendet. Hier hat der Kläger Ansprüche weder rechtzeitig geltend gemacht, noch liegen Indizien für eine Diskriminierung wegen der Herkunft vor.
45
1. Der Kläger hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung in der streitgegenständlichen Höhe, da er ausweislich der Atteste vom 07.09.2022 und 30.09.2022 arbeitsunfähig war. Die Beklagte hat den Beweiswert dieser Atteste nicht erschüttert.
46
Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit wird in der Regel durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung iSd. § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG geführt. Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG reicht die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung iSd. § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG aus, um dem Arbeitgeber das Recht zur Leistungsverweigerung zu entziehen. Diese gesetzgeberische Wertentscheidung strahlt auch auf die beweisrechtliche Würdigung aus. Der ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt daher aufgrund der normativen Vorgaben im Entgeltfortzahlungsgesetz ein hoher Beweiswert zu. Der Tatrichter kann normalerweise den Beweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als erbracht ansehen, wenn der Arbeitnehmer im Rechtsstreit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt.
47
Aufgrund des normativ vorgegebenen hohen Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genügt jedoch ein "bloßes Bestreiten" der Arbeitsunfähigkeit mit Nichtwissen durch den Arbeitgeber nicht, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit mit einer ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen hat. Vielmehr kann der Arbeitgeber den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur dadurch erschüttern, dass er tatsächliche Umstände darlegt und im Bestreitensfall beweist, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers ergeben mit der Folge, dass der ärztlichen Bescheinigung kein Beweiswert mehr zukommt. (vgl. BAG, Urteil vom 08. September 2021 - 5 AZR 149/21, Rn. 11 ff., m.z.w.N.)
48
Auch einer von einem ausländischen Arzt im Ausland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt im allgemeinen der gleiche Beweiswert zu wie einer von einem deutschen Arzt ausgestellten Bescheinigung. Die Bescheinigung muss jedoch erkennen lassen, dass der ausländische Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterschieden und damit eine den Begriffen des deutschen Arbeits- und Sozialversicherungsrechts entsprechende Beurteilung vorgenommen hat. Dies gilt auch soweit es sich um Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus nicht der Europäischen Gemeinschaft angehörigen Staaten handelt. (vgl. BAG, Urteil vom 19. Februar 1997 - 5 AZR 83/96 -, BAGE 85, 167-177, Rn. 23; Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 8. Juni 2022 - 11 Sa 829/21, Rn. 20; Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Juni 2010 - 11 Sa 178/10, Rn. 37; Gallner/Mestwerdt/Nägele in Kündigungsschutzrecht, § 1 KSchG, Rn. 34)
49
Diesen Anforderungen genügt das ärztliche Attest vom 07.09.2024 nicht. In diesem wird dem Kläger lediglich die Notwendigkeit von häuslicher Ruhe und eine Reiseunfähigkeit infolge einer Ischialgie im Lendenwirbelbereich bestätigt. Das Attest lässt nicht erkennen, dass der ausstellende Arzt sich mit dem Begriff der Arbeitsunfähigkeit iSd. deutschen Arbeits- und Sozialrechts auseinandergesetzt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers genügt allein der Umstand, dass es naheliegt, dass ein Lagerarbeiter, der sich nicht bewegen darf, auch arbeitsunfähig ist, hierfür nicht. Nach der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 1. Oktober 1997 - 5 AZR 499/96, Rn. 26) ergibt sich auch aus der Anordnung einer 20-tägigen Bettruhe keine Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit. Bestätigt wurde eine Arbeitsunfähigkeit jedoch sodann durch die erläuternde Bescheinigung des behandelnden Arztes vom 17.10.2022. In dieser bescheinigt der Arzt unter Bezugnahme auf die am 07.09.2022 durchgeführte Untersuchung ausdrücklich das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit.
50
1.1. Der Beweiswert dieser ergänzenden Bescheinigung ist nicht dadurch erschüttert, dass ihrer Ausstellung eine Kontaktaufnahme mit dem Arzt durch den Kläger vorausging. Allein aus dem Umstand, dass der Kläger den Arzt bat, in das Attest die Frage einer Arbeitsunfähigkeit einzubeziehen, kann nicht geschlossen werden, dass der Arzt eine solche lediglich aus Gefälligkeit und wider besseres Wissen bestätigt hat.
51
1.2. Den Beweiswert dieser Bescheinigung wird auch nicht dadurch erschüttert, dass der behandelnde Arzt zur Bezeichnung der Diagnose andere Worte gewählt hat als im Attest vom 07.09.2022. Unstreitig handelt es sich um dieselbe Diagnose. Dass diese einmal als Lumboischialgie und einmal als Ischialgie im Lendenwirbelbereich bezeichnet wird, stellt weder die Richtigkeit der Diagnose noch die Aussagekraft der Atteste infrage.
52
1.3. Auch die ungewöhnlich lange Dauer der Krankschreibung für sogleich 24 Kalendertage führt hier nicht zur Erschütterung des Beweiswerts des ärztlichen Attests. Zwar soll im Anwendungsbereich der Arbeitsunfähigkeit-Richtlinie eine Krankschreibung nicht für länger als zwei Wochen erfolgen. Ausnahmsweise ist aber auch hier eine längere Krankschreibung zulässig, wenn eine längere Arbeitsunfähigkeit bereits absehbar ist. Außerhalb des Anwendungsbereiches der Arbeitsunfähigkeit-Richtlinie kann nichts anderes gelten. Dafür, dass die Krankschreibung im vorliegenden Fall nicht ohne Grund übermäßig lang erfolgte, spricht hier, dass der Kläger nach seiner Rückkehr nach Deutschland von dem ihn hier behandelnden Arzt noch für eine weitere Woche krankgeschrieben wurde.
53
1.4. Ein Indiz für die Erschütterung des Beweiswerts des Arbeitsunfähigkeitattestes könnte sein, dass der Kläger bereits in der Vergangenheit mehrfach im zeitlichen Zusammenhang mit Urlaub krankgeschrieben war. Nachdem unstreitig die längere Krankschreibung im Anschluss an den Sommerurlaub 2017 auf die Entfernung eines Nierensteins und sich daran anschließende Komplikationen zurückging, liegen vor der streitgegenständlichen Krankschreibung drei Fälle von Krankschreibung im Anschluss an den Urlaub vor, die sich auf die Jahre 2017, 2019 und 2020 verteilen. Hier beginnt zwar eine auffällige Häufung sich abzuzeichnen. Derzeit genügte diese Häufung jedoch noch nicht, um den Beweiswert der hier streitgegenständlichen Atteste infrage zu stellen, zumal es sich bei den drei vorangegangenen Fällen jeweils um Krankschreibungen handelt, die in Deutschland erfolgten und bezüglich derer keine sonstigen Umstände vorgetragen sind, die den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen infrage stellen.
54
1.5. Auch die Tatsache, dass während der Krankschreibung keine weitere Behandlung oder Kontrolluntersuchung erfolgte, erschüttert im vorliegenden Einzelfall den Beweiswert der Atteste nicht. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers ging die Erkrankung auf ein chronisches Wirbelsäulenleiden zurück, dem mehrere Bandscheibenvorfälle zugrunde liegen. Es handelte sich somit um ein bekanntes Krankheits- und Beschwerdebild. Es kann auch dahinstehen, ob andere Ärzte bei diesem Krankheitsbild eher Bewegung oder Physiotherapie verordnet hätten. Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird nicht dadurch erschüttert, dass der behandelnde Arzt möglicherweise nicht die erfolgversprechendste Therapie verordnet hat.
55
1.6. Dass die Arbeitsunfähigkeit plötzlich kurz vor Ende des Urlaubs auftrat, erschüttert den Beweiswert des Attestes ebenfalls nicht. Grundsätzlich ist der Beginn einer Krankheit am Ende eines Urlaubs genauso plausibel wie am Anfang eines Urlaubs.
56
1.7. Auch die Buchung der Rückfahrt am 08.09.2022 für den 29.09.2022 erschüttert den Beweiswert der Atteste nicht. Die Umbuchung erfolgte erst nachdem der Kläger beim Arzt gewesen war und das Attest vom 07.09.2022 erhalten hatte. Dabei ist es zwar möglich, dass der Kläger sich für eine Rückreise noch im Zeitraum der attestierten Erholungsbedürftigkeit und Reiseunfähigkeit entschied, weil die Beschwerden tatsächlich nicht im angegebenen Umfang vorhanden waren. Genauso ist es aber möglich, dass der Kläger sich mit der Buchung der Rückfahrt bereits für den 29.09.2022 trotz fortbestehender Arbeitsunfähigkeit bis zum 30. September 2022, ggf. motiviert dadurch, dass die Fähre nur einmal die Woche zur Verfügung steht, schlicht genesungswidrig verhalten hat. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Kläger in der Folgewoche nochmals von seinem deutschen Arzt krankgeschrieben wurde, lässt diese Möglichkeit jedenfalls im Raum stehen.
57
.8. Die Höhe des Anspruchs ist unstreitig.
58
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Zum einen wäre ein derartiger Anspruch nicht innerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht. Zum andern ist auch die Diskriminierung wegen der Herkunft nicht dargelegt. Der Kläger hat bereits keine entsprechenden Indizien vorgetragen.
59
2.1. Ein Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG wäre bereits nach § 15 Abs. 4 AGG verfristet. Die Frist beginnt im vorliegenden Fall nach § 15 Abs. 4 S. 2 in dem Zeitpunkt, in dem der Kläger von einer Benachteiligung Kenntnis erlangt.
60
Der Kläger hat bereits durch das Schreiben vom 22.11.2022 Kenntnis davon erlangt, dass die Beklagte auch nach Übersendung der erläuternden Bescheinigung die in Tunesien ausgestellten ärztlichen Atteste nicht anerkennt und keine Entgeltfortzahlung leisten wird. Die nachteilige Behandlung, die Nichtzahlung der Entgeltfortzahlung nach Vorlage eines im Ausland ausgestellten Attestes, war dem Kläger somit bereits im November 2022 bekannt. Die erstmalige Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs mit der Klageerweiterung vom Mai 2023 erfolgte deshalb deutlich mehr als zwei Monate nach Kenntnis der Benachteiligung. Der Kläger kann sich dabei nicht darauf berufen, es handele sich bei der Nichtzahlung der Entgeltfortzahlung um einen Dauertatbestand. Das Gesetz knüpft den Fristbeginn ausdrücklich an die Kenntnis der Benachteiligung und nicht an deren eventuelles Fortbestehen.
61
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, er habe erst durch den Schriftsatz der Beklagten im April 2023 Kenntnis von der Benachteiligung wegen der Herkunft erlangt, da die Beklagte hier ausführe, es gebe immer wieder Probleme durch ausländische Mitarbeiter, die den Urlaub durch ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verlängern.
62
Eine derartige Aussage kann dem Schriftsatz der Beklagten nicht entnommen werden. Die Beklagte schreibt in dem Schriftsatz zwar, dass es gelegentlich Hinweise darauf gebe, dass Mitarbeiter den Urlaub durch ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verlängern. An keiner Stelle erwähnt die Beklagte jedoch, dass dieses Problem lediglich Mitarbeiter nicht-deutscher Herkunft betreffe. Eine Differenzierung nach der Herkunft der Arbeitnehmer kann dem Schriftsatz an keiner Stelle entnommen werden. Der Kläger konnte durch diesen Schriftsatz deshalb auch keine erstmalige Kenntnis von einer Benachteiligung nach der Herkunft erlangen.
63
Soweit der Kläger sich in der mündlichen Verhandlung auf eine weitere Mitarbeiterin ausländischer Herkunft bezogen hat, bei der die Beklagte den Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen angezweifelt hat, räumte der Kläger selbst ein, dass dieser Fall keinen Zusammenhang mit einer Krankschreibung im oder in Anschluss an den Urlaub hatte. Darüber hinaus hat der Kläger auch nicht dargelegt, dass er die diesbezügliche Kenntnis erst innerhalb von zwei Monaten vor Einreichung der Klageerweiterung erlangt hat.
64
Hinsichtlich der in der mündlichen Verhandlung zunächst erwähnten Kenntnis weiterer Fälle aus einem Gespräch mit dem Schwerbehindertenvertreter, in denen ausländischen Arbeitnehmern die Entgeltfortzahlung im Zusammenhang mit Urlaub verweigert worden wäre, erklärte der Kläger sodann ausdrücklich, dass er sich hierdurch nicht auf Indiz-Tatsachen berufe. Im Übrigen wäre auch diesbezüglich nicht dargelegt, dass dieses Gespräch erst innerhalb von zwei Monaten vor Einreichung der Klageerweiterung geführt wurde.
65
2.2. Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG besteht auch deshalb nicht, weil der Kläger keine Indiztatsachen im Sinne des §§ 22 AGG vorgetragen hat, die eine Benachteiligung wegen seiner Herkunft vermuten lassen. Wie bereits ausgeführt, ist dem Schriftsatz der Beklagten aus dem April 2023 keine Differenzierung nach der Herkunft der Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Problematik der Verlängerung von Urlaub durch ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu entnehmen. Die Beklagte spricht lediglich Probleme im Zusammenhang mit im Ausland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen an. Eine Benachteiligung von Mitarbeitern ausländischer Herkunft kann dem nicht entnommen werden. Auch deutsche Mitarbeiter verbringen ihren Urlaub regelmäßig im Ausland.
III.
66
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
67
a dem Rechtsstreit über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.
68
Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen nach § 72 a ArbGG die Parteien hingewiesen werden, zulassen sollte.