18.03.2011
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 01.07.2010 – 13 K 136/07
1. Schuldzinsen für ein Darlehen, mit dem der Erwerb einer vermieteten Immobilie finanziert wurde, sind für die Zeit nach der Veräußerung der Immobilie keine nachträglichen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, wenn der Veräußerungspreis nicht zur vollständigen Tilgung des aufgenommenen Darlehens ausreicht.
2. Ein zunächst begründeter wirtschaftlicher Zusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung endet, sobald ein mit Kredit angeschafftes Grundstück oder hergestelltes Gebäude nicht mehr zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bestimmt ist.
3. Die unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung nachträglicher Schuldzinsen bei den Gewinneinkünften einerseits und den Überschusseinkünften andererseits beruht auf dem Dualismus der Einkünfteermittlung. Nach der Rechtspr. des Bundesverfassungsgerichts begegnet der Einkünftedualismus keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
4. § 24 Nr. 2 EStG setzt voraus, dass Aufwendungen ihrem Wesen nach weiterhin Werbungskosten sind, der Zusammenhang mit der früheren Einkunftsquelle nicht gelöst worden ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die Einkunftsquelle veräußert worden ist.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 13. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in der Sitzung vom 1. Juli 2010 durch Vizepräsident des Finanzgerichts Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richter …
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, inwieweit nach der Veräußerung einer Immobilie gezahlte Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2004 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom xx.xx.1994 das Anwesen X-Straße xx in … X, um damit Vermietungseinkünfte zu erzielen. Die Anschaffungskosten betrugen x.xxx.xxx,xx EUR. Davon finanzierte der Kläger x.xxx.xxx,xx EUR durch Darlehen der Bank X. Der Kläger veräußerte das Vermietungsobjekt mit Kaufvertrag vom xx.xx. 2001 zum xx.xx. 2001. Dabei erzielte er einen Veräußerungserlös in Höhe von x.xxx.xxx,xx EUR. Unter Berücksichtigung der Veräußerungskosten ergab sich ein Verlust in Höhe von xxx.xxx,xx EUR. Der Veräußerungserlös reichte nicht zur Schuldentilgung aus. Das zum Erwerb der Immobilie bei der Bank X aufgenommene Darlehen Nr. … valutierte nach der Veräußerung im Jahr 2001 noch mit … EUR. Für das verbleibende Darlehen wandte der Kläger im Streitjahr Schuldzinsen in Höhe von xx.xxx,xx EUR auf, die er in der Steuererklärung als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften geltend machte. Der Beklagte veranlagte die Kläger jedoch ohne Ansatz des Vermietungsverlusts. Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 27. März 2006 legten die Kläger Einspruch ein, mit dem sie weiterhin die Berücksichtigung der erklärten Schuldzinsen begehrten. Mit Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2007 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Die Kläger haben daraufhin am 13. Juni 2007 Klage erhoben.
Mit ihrer Klage tragen die Kläger vor, die im Streitjahr angefallenen Schuldzinsen seien gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1, § 21 Abs. 1, § 24 Nr. 2 EStG als nachträgliche Werbungskosten zu berücksichtigen. Nach § 24 Nr. 2 EStG gehörten zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG auch Einkünfte aus einem früheren Rechtsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 bis 7 EStG. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 24 Nr. 2 EStG seien hinsichtlich der streitigen Schuldzinsen dem Wortlaut nach erfüllt. Es handele sich um Einkünfte, die auf früheren Rechtsverhältnissen in Form von Mietverträgen beruhten. Dagegen stellten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Schuldzinsen, die auf die Zeit nach Aufgabe der Vermietungstätigkeit entfielen, keine nachträglichen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dar, da es sich um eine Gegenleistung für die Überlassung von Kapital handele, das aufgrund eines nicht steuerbaren Verlusts im privaten Bereich nicht mehr der Erzielung von Einkünften diene (BFH, Urteil vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BStBl II 1983, 373). Einen Veranlassungszusammenhang und damit nachträgliche Werbungskosten erkenne der BFH nur dann an, wenn mit einem Kredit Aufwendungen finanziert worden seien, die während der (Vermietungs-)Tätigkeit als sofort abziehbare Werbungskosten zu beurteilen gewesen seien (BFH, Urteil vom 16. September 1999 IX R 42/97, BStBl II 2001, 528). Nach der Auslegung des BFH sei § 24 Nr. 2 EStG daher wie folgt zu ergänzen: „Aufwendungen bei den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 bis 7 EStG, die nach Beendigung der Tätigkeit entstehen, stellen grundsätzlich keine Werbungskosten dar.”
Die Auslegung und Anwendung des § 24 Nr. 2 EStG durch den BFH respektiere nicht die in dieser Norm enthaltene gesetzgeberische Grundentscheidung und verletze Art. 20 des Grundgesetzes (GG). In seiner Auslegung komme – entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes – ein nachträglicher Werbungskostenabzug nur dann zur Anwendung, wenn die Aufwendung während der Ausübung der Tätigkeit entstanden sei. Die Anordnung des Gesetzgebers, nachträgliche Einkünfte auch bei den Überschusseinkünften zu berücksichtigen, werde damit unterlaufen. Diese Auslegung finde auch in der Gesetzesbegründung keine Grundlage. Die Gesetzesbegründung zu § 24 Nr. 2 EStG, der ursprünglich in § 44 EStG 1925 geregelt gewesen sei, laute: „Bei den in § 44 Nr. 2 genannten Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen oder seinem Rechtsnachfolger aus einer ehemaligen Tätigkeit oder aus einem erloschenen Rechtsverhältnis zufließen, ist insbesondere an die Fälle gedacht, in denen nach Aufgabe eines Gewerbebetriebs noch Einzelforderungen aus diesem Gewerbebetrieb durch nachträgliche Zahlungen gedeckt werden, ferner an Fälle, in denen nach Aufgabe der Praxis einem Arzt oder einem Rechtsanwalt oder seinen Erben Honorare gezahlt werden, endlich an Fälle, in denen Kapital- oder Mietzinsen nachträglich entrichtet werden, wenn der Steuerpflichtige nicht mehr im Besitz des Kapitalvermögens oder des Mietshauses ist” (Drucksache 795 vom 23. April 1925 S. 16 zu § 44 Nr. 2 EStG).
Der Gesetzgeber habe die Sachverhalte der Betriebsaufgabe, der Aufgabe des Kapitalvermögens und der Abgabe eines Mietshauses als gleichwertig angesehen. Sachverhalte, in denen das Kapitalvermögen und das Mietshaus nicht mehr im Eigentum des Steuerpflichtigen stünden, seien ausdrücklich einbezogen worden. Zwar nehme die Gesetzesbegründung nur auf Einnahmen Bezug, die Verwendung des Begriffs Einkünfte im Gesetzestext zeige jedoch den Willen des Gesetzgebers, nachträglich entstehende Aufwendungen ebenso zu berücksichtigen wie Einnahmen. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich keine Herausnahme der Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung vom nachträglichen Werbungskostenabzug.
Der BFH führe rechtssystematische Gründe für den restriktiven Abzug nachträglich entstehender Aufwendungen an. So seien nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen aus rechtssystematischen Gründen ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Zeit vor Veräußerung oder Auflösung entfielen (BFH, Urteil vom 27. März 2007 VIII R 64/05 BStBl II 2007, 639). Bei den Gewinneinkunftsarten könne eine Verbindlichkeit auch nach der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs noch dem Betriebsvermögen zuzuordnen sein. Hieraus ergebe sich die Abziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen als Betriebsausgaben. Diese Grundsätze wende der BFH selbst nach Übergang eines Betriebs zur Liebhaberei an, obwohl die zuvor betrieblich eingesetzten Vermögensgegenstände dann dem Privatvermögen zuzuordnen seien (BFH, Urteil vom 15. Mai 2002 X R 3/99, BStBl II 2007, 639). Bei den Überschusseinkünften hingegen komme nach seiner Rechtsauffassung eine solche Zuordnung nicht in Betracht. Die Einschränkung des nachträglichen Werbungskostenabzugs sei durch die unterschiedliche Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geboten. Schuldzinsen seien Betriebsausgaben, wenn sie für eine Schuld zu zahlen seien, die (negatives) Betriebsvermögen sei. Bei den Überschusseinkünften gebe es kein Betriebsvermögen; die den Schuldzinsen zugrunde liegende Schuld sei keine Betriebsschuld. Daher gehe der wirtschaftliche Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung nach Beendigung der Vermietungstätigkeit verloren.
Die vom BFH angeführten rechtssystematischen Gründe für die unterschiedliche Behandlung von Überschuss- und Gewinneinkünften beruhten damit auf der Überlegung, dass nach der Aufgabe oder Veräußerung eines Betriebs verbleibende Schulden notwendiges – negatives – Betriebsvermögen eines nicht mehr existierenden Betriebs darstellten, obwohl auch gegen diese Fiktion eingewandt werden könne, dass nach Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs die betriebliche Veranlassung für die Verbindlichkeit entfallen sei. Gegen die Annahme eines nach Betriebsaufgabe verbleibenden negativen Betriebsvermögens spreche auch der Wortlaut des § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG, wonach Wirtschaftsgüter, die bei der Betriebsveräußerung nicht veräußert würden, mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Veräußerung anzusetzen seien. Was nur bedeuten könne, dass diese Wirtschaftsgüter, zu denen auch Schulden gerechnet werden müssten, mit der Betriebsaufgabe oder der Veräußerung ihre Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen verlören und in das Privatvermögen überführt würden.
Die Auslegung des § 24 Nr. 2 EStG durch den BFH basiere damit nicht auf der Systematik des Gesetzes. Sie werde auch nicht durch den Einkünftedualismus gerechtfertigt, da das Prinzip des Veranlassungszusammenhangs sowohl für Betriebsausgaben als auch für Überschusseinkünfte gelte. Die Rechtsprechung zu § 24 Nr. 2 EStG sei mit der Rechtsprechung zur Gleichstellung der Begriffe Betriebsausgaben und Werbungskosten hinsichtlich des Veranlassungsprinzips nicht vereinbar. Zudem finde die Auslegung des BFH im Wortlaut des § 24 Nr. 2 EStG keine Grundlage, da das Gesetz auf Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit abstelle, durch die nachträgliche Ausgaben wirtschaftlich verursacht würden und nicht auf das Vorhandensein von (Rest-)Betriebsvermögen.
Im Urteil vom 27. März 2007 (VIII R 64/05) habe der BFH erstmals angedeutet, seine Rechtsprechung zum Werbungskostenabzug nach der Absenkung der Beteiligungsgrenze durch das StEntlG 1999/2000/2002 und das StSenkG 2000 auf 10% bzw. 1% ändern zu wollen. Dies sei nur sinnvoll, wenn der BFH zumindest in Betracht ziehe, seine rechtssystematischen Einwände aufzugeben. Denn auch nach Herabsenken der Beteiligungsgrenze gebe es bei den Einkünften aus Kapitalvermögen kein verbleibendes negatives Betriebsvermögen, das nach der Veräußerung der Beteiligung einen Veranlassungszusammenhang herstellen könnte.
Weiterhin hätte die Rechtsprechung des BFH auch eine Ungleichbehandlung nachträglich entstandener Aufwendungen bei den Überschusseinkünften zur Folge, da § 24 Nr. 2 EStG für die einzelnen Überschusseinkünfte nicht einheitlich angewandt werde. Übernehme ein Arbeitnehmer für den Arbeitgeber eine Bürgschaft, um sein Arbeitsverhältnis zu erhalten, und werde er später aus der Bürgschaft in Anspruch genommen, seien die Aufwendungen nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung auch dann Werbungskosten, wenn das Arbeitsverhältnis nicht mehr bestehe (FG Berlin, Urteil vom 31. März 1978 III R 72/77, EFG 1979, 172). Nach den Rechtsprechungsgrundsätzen des BFH müsste das Darlehen aber einen Verlust im Privatvermögen darstellen. Nach dem Hessischen Finanzgericht (Urteil vom 1. Oktober 1996 3 K 2810/94, EFG 1997, 401) stehe es dem Werbungskostenabzug nicht entgegen, dass der Steuerpflichtige seinen Arbeitsplatz im Zeitpunkt der Bürgschaftsinanspruchnahme bereits verloren habe. Das Hessische FG verweise auch darauf, dass die Rechtsprechung des BFH zum eingeschränkten Abzug nachträglicher Aufwendungen nicht auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu übertragen sei. Diese seien nämlich auch dadurch gekennzeichnet, dass ein Einsatz von Kapital im Grundsatz nicht erforderlich sei. Demgegenüber seien Einnahmen aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung ohne den Einsatz entsprechenden Kapitals undenkbar. Nach dieser Rechtsprechung des Hessischen FG sei der Abzug nachträglich entstehender Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung daher nicht zulässig, weil für deren Erzielung der Einsatz von Kapital erforderlich sei. Diese Feststellung entbehre aber jeder gesetzlichen Grundlage. Während nach dieser Rechtsprechung bei einem Arbeitnehmer allein der bei Abgabe des Bürgschaftsversprechens vorhandene Veranlassungszusammenhang durch den Beruf maßgeblich sei, solle es bei einem Vermieter nicht darauf ankommen, dass der Abschluss eines Darlehensvertrags allein durch die Vermietung veranlasst gewesen sei.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – müsse die steuerliche Bemessungsgrundlage im Hinblick auf Erwerbseinnahmen und -ausgaben den wirtschaftlichen Vorgang folgerichtig abbilden (BVerfG, Beschluss vom 11. November 1998 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280). Ausnahmen hiervon bedürften eines sachlichen Grundes. Dies habe der BFH nicht berücksichtigt. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen seien die wirtschaftlichen Vorgänge bei nachträglich entstehenden durch die Einkünfteerzielung veranlassten Aufwendungen nicht folgerichtig abgebildet, wenn ihnen der Werbungskostenabzug verwehrt werde. Die Schlechterstellung gegenüber anderen Einkunftsarten werde willkürlich begründet, wenn der Einsatz von Wirtschaftsgütern oder die Erforderlichkeit eines Kapitaleinsatzes schädlich für den Werbungskostenabzug sei, oder auf fiktives Restbetriebsvermögen als Voraussetzung für den Werbungskostenabzug abgestellt werde. Die Anwendung und Auslegung des § 24 Nr. 2 EStG durch den BFH verletze daher Art. 3 Abs. 1 GG.
Ferner durchbreche der BFH die von ihm selbst aufgestellten Grundsätze in Einzelfällen. Er lasse etwa den Abzug nachträglich entstandener Schuldzinsen zu, sofern mit dem Kredit Aufwendungen finanziert worden seien, die während der Vermietungstätigkeit als sofort abziehbare Werbungskosten zu beurteilen gewesen seien. In diesen Fällen komme es nicht auf den sonst allgemein gültigen Grundsatz an, ob ein bei einer Veräußerung des Objekts erzielter Erlös zur Tilgung des Darlehens ausgereicht hätte. Die vom BFH vorgesehenen Ausnahmen und Differenzierungen hätten im Gesetz keine Grundlage und verstießen gegen den Bestimmtheitsgrundsatz.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 17. Juli 2009 zu ändern und die Einkommensteuer der Kläger für 2004 unter Berücksichtigung des erklärten Verlusts aus Vermietung und Verpachtung festzusetzen,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung des Vermögensstamms oder der Einkunftsquelle seien bei den Überschusseinkünften grundsätzlich nicht abziehbar. Eine Ausnahme bestehe lediglich hinsichtlich der Verteilung der Kosten, die auf den Erwerb oder die Herstellung der Einkunftsquelle aufgewendet worden seien, soweit es sich um ein Wirtschaftsgut handele, das dem Wertverzehr unterliege (vgl. § 7 ff. EStG). Ferner bei den Schuldzinsen auf Anschaffungs- oder Herstellungsfinanzierungsdarlehen. Beide Arten von Aufwendungen könnten grundsätzlich nur während der Dauer der Einkunftserzielung steuermindernd abgezogen werden. Als Werbungskosten seien nach § 9 EStG nämlich nur diejenigen Aufwendungen abziehbar, die der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen dienten. Falle die Einkunftsquelle weg, könnten danach entstehende Aufwendungen nicht mehr diesen Zwecken dienen.
Anders als bei den Gewinneinkünften sei die Einkunftsquelle bei den Überschusseinkünften nicht steuerverstrickt. Scheide bei den Gewinneinkünften eine Betriebsgrundlage aus dem Betriebsvermögen aus, dann unterlägen der Entnahme- oder Veräußerungsvorgang grundsätzlich der Ertragsbesteuerung. Ein daraus erzielter Verlust könne mit positiven Einkünften verrechnet werden. Nachträgliche Schuldzinsen auf die Anschaffungs- oder Herstellungsfinanzierung blieben nach § 24 EStG als nachträgliche Betriebsausgaben abziehbar, soweit die Restschulden nicht aus dem Veräußerungserlös getilgt werden könnten. Diese Restschulden blieben weiterhin betrieblich veranlasst. Das gelte auch beim Übergang eines Betriebs zur Liebhaberei. Anders als die Kläger dies darstellten, habe der BFH in der von ihnen zitierten Rechtsprechung nicht festgestellt, dass die Vermögensgegenstände mit Übergang zur Liebhaberei dem Privatvermögen zuzuordnen seien. Vielmehr werde das Betriebsvermögen beim Übergang nicht zwingend förmlich in den Privatbereich entnommen, sondern bleibe solange steuerverhaftet, bis der Steuerpflichtige die Betriebsaufgabe erkläre.
Werde dagegen bei den Überschusseinkünften ein bislang der Einkunftserzielung dienendes Wirtschaftsgut entwidmet, so unterliege dieser Vorgang – abgesehen von den Veräußerungsgeschäften nach § 23 EStG – nicht der Ertragsbesteuerung. Ein aus der Veräußerung eines solchen Wirtschaftsguts erzielter Überschuss sei grundsätzlich nicht einkommensteuerbar, weil er von keiner Vorschrift des EStG erfasst werde. Dies gelte auch für einen Veräußerungsverlust. Ein dem Betriebsvermögen bei den Gewinneinkünften vergleichbares Einkunftserzielungsvermögen bei den Überschusseinkünften kenne das Einkommensteuerrecht nicht.
Die nach einer Veräußerung der Einkunftsquelle mit Verlust weiterhin anfallenden Schuldzinsen auf die ursprüngliche Anschaffungsfinanzierung der Einkunftsquelle seien deshalb im Bereich der Überschusseinkünfte nicht mehr abziehbar. Dies gelte unabhängig davon, ob der Veräußerungserlös zur Ablösung der restlichen Darlehensschulden ausgereicht hätte.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der beigezogenen Akten des Beklagten (ein Heft Einkommensteuerakte inklusive Rechtsbehelfsverfahren) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung, weil die Beteiligten hierauf übereinstimmend verzichtet haben (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Einkommensteuerbescheid vom 17. Juli 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Der Beklagte hat die auf die Zeiträume nach Veräußerung der Immobilie entfallenden Schuldzinsen zu Recht nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anerkannt.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Das gilt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG auch für Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang von Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist immer dann zu bejahen, wenn sie objektiv mit angestrebten oder zufließenden Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zusammenhängen und subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung aufgewendet werden (vgl. etwa BFH, Urteil vom 20. Februar 1990 IX R 13/87, BStBl II 1990, 775; Urteil vom 21. Juni 1994 IX R 62/91, BFH/NV 1995, 108). Unter diesen Voraussetzungen sind auch nachträgliche Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abziehbar, sofern sie noch in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der – inzwischen aufgegebenen – Erzielung derartiger Einkünfte stehen.
Schuldzinsen, die auf die Zeit nach Aufgabe der Vermietungsabsicht oder -tätigkeit entfallen, sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH keine nachträglichen Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung (BFH-Urteile vom 12. November 1991 IX R 15/90, BStBl II 1992, 289; vom 25. April 1995 IX R 114/92, BFH/NV 1995, 966; vom 16. September 1999 IX R 42/97, BStBl II 2001, 528; BFH, Beschluss vom 28. Juli 2009 IX B 37/09, veröffentlicht in Juris). Sie stehen nicht mehr mit dieser Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG. Reicht der Veräußerungserlös nicht zur Tilgung des zur Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten aufgenommenen Kredits aus, sind die vom Steuerpflichtigen zu zahlenden Zinsen Gegenleistung für die Überlassung von Kapital, das aufgrund eines nicht steuerbaren Verlustes im privaten Vermögensbereich nicht mehr der Erzielung von Einkünften dient (BFH, Urteil vom 25. April 1995 IX R 114/92, BFH/NV 1995, 966).
Der BFH hat in seiner Rechtsprechung allgemein einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der früheren Einkunftserzielung für Schuldzinsen im privaten Bereich verneint, die auf die Zeit etwa nach der Veräußerung eines Gebäudes (vgl. dazu beispielsweise BFH, Urteil vom 16. September 1999 IX R 42/97, BStBl II 2001, 528) oder einer wesentlichen Beteiligung (vgl. dazu beispielsweise BFH, Urteil vom 5. Oktober 2004 VIII R 64/02, BFH/NV 2005, 54) entfallen, auch wenn der Veräußerungserlös nicht zur Schuldendeckung ausreicht.
Für die Abziehbarkeit von Schuldzinsen als Werbungskosten reicht es nach den Rechtsprechungsgrundsätzen des BFH – entgegen einer vielfach vertretenen Auffassung (vgl. etwa Drenseck in: Schmidt, EStG, 29. Auflage 2010, § 9 Rn. 40 m.w.N.) – nicht aus, dass die Schuldaufnahme ursprünglich durch die Absicht, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, veranlasst worden war. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG erfordert für einen Werbungskostenabzug von Schuldzinsen einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart im Zeitpunkt der Entstehung von Schuldzinsen. Die mit Kredit finanzierten Wirtschaftsgüter müssen in diesem Zeitpunkt Vermietungszwecken gewidmet sein, damit die Schuldzinsen ebenso wie andere Grundstücksaufwendungen – wie zum Beispiel Instandhaltungskosten und Absetzungen für Abnutzung – als Werbungskosten abgezogen werden können (BFH, Urteil vom 12. November 1991 IX R 15/90, BStBl II 1992, 289). Ein zunächst begründeter wirtschaftlicher Zusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung endet allerdings, sobald ein mit Kredit angeschafftes Grundstück oder hergestelltes Gebäude nicht mehr zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bestimmt ist (von Bornhaupt in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rn. C 62; Selder, DStZ 1995, 8). Die tatsächliche Verwendung der Kreditmittel durch den Steuerpflichtigen zum Erwerb einer Immobilie schafft nämlich zunächst lediglich einen wirtschaftlichen Zusammenhang zur steuerlich neutralen Vermögenssphäre. Die Ebene der Einkünfteerzielung ist nur dann berührt, wenn und solange der Steuerpflichtige in einem zweiten Schritt das Wirtschaftsgut tatsächlich zur Einkünfteerzielung einsetzt (Thürmer in: Blümich, EStG, § 9 Rn. 600 „Zinsen”).
Ein steuerrechtlicher Zurechnungszusammenhang zwischen einem mit Kredit angeschafften Wirtschaftsgut und dessen Widmung zur Einkunftserzielung ist grundsätzlich auch im betrieblichen Bereich erforderlich, um Schuldzinsen als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG abziehen zu können. Bei den Gewinneinkunftsarten kann aber eine Verbindlichkeit auch nach der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs noch dem Betriebsvermögen zuzuordnen sein (BFH, Urteil vom 26. Januar 1989 IV R 86/87, BStBl II 1989, 456; Urteil vom 28. März 2007 X R 15/04, BStBl II 2007, 642). Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger lassen sich aus der abweichenden steuerrechtlichen Behandlung nachträglicher Schuldzinsen bei den Gewinneinkunftsarten jedoch keine Schlussfolgerungen für den Abzug derartiger Aufwendungen bei den Überschusseinkünften herleiten (BFH, Urteil vom 25. April 1995 IX R 114/92, BFH/NV 1995, 966). Mit den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zusammenhängende Aufwendungen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 EStG insoweit und so lange abziehbar, als die Nutzung durch eine Vermietung im Sinne von § 21 EStG dauert. Danach stellt eine anderweitige Verwendung des Grundstücks und ein Fortbestand damit zusammenhängender Schulden einen Vorgang der privaten Vermögenssphäre dar, die – im Gegensatz zu den Gewinneinkünften – bei den Überschusseinkünften grundsätzlich einkommensteuerrechtlich (mit Ausnahme der unter §§ 17, 23 EStG erfassten Sachverhalte) irrelevant ist. Damit beruht die unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung nachträglicher Schuldzinsen bei den Gewinneinkünften einerseits und den Überschusseinkünften andererseits auf dem Dualismus der Einkünfteermittlung (vgl. auch von Bornhaupt in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rn. C 64). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begegnet der Einkünftedualismus keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 1969 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302, 310 ff.; Beschluss vom 7. Oktober 1969 2 BvL 3/66, 2 BvR 701/64, BVerfGE 27, 111, 127 ff.).
Schließlich lässt sich entgegen der Auffassung der Kläger ein Abzug von Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten auch nicht auf § 24 Nr. 2 EStG stützen. Zu den Einkünften aus einer früheren Einkunftsquelle im Sinne dieser Norm gehören zwar auch nachträglich anfallende Werbungskosten (Drenseck in: Schmidt, EStG, 29. Auflage 2010, § 24 Rn. 72). Voraussetzung ist jedoch, dass solche Aufwendungen ihrem Wesen nach weiterhin Werbungskosten sind, der Zusammenhang mit der früheren Einkunftsquelle also (noch) nicht gelöst worden ist (von Bornhaupt in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rn. C 66). Das ist aber nicht der Fall, wenn die Einkunftsquelle bereits veräußert wurde. § 24 Nr. 2 EStG gilt nach der Rechtsprechung des BFH daher nur für Schuldzinsen, soweit sie auf die Zeit der Vermietung und Verpachtung entfallen, aber erst nach Ablauf dieser Zeit bezahlt werden (BFH, Urteil vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BStBl II 1983, 373; Urteil vom 23. Januar 1990 IX R 8/85, BStBl II 1990, 464; Urteil vom 12. November 1991 IX R 15/90, BStBl II 1992, 289; Urteil vom 15. November 1994 IX R 49/92, BFH/NV 1995, 880).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.