· Fachbeitrag · Arbeitsrecht
Welche Rechte und Pflichten haben Ihre Mitarbeiter beim Verkauf der Zahnarztpraxis?
von Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht Anna Brix, Kanzlei Ulsenheimer und Friederich, München, www.uls-frie.de
| Trotz des Wegfalls der Zulassungsbeschränkungen entscheiden sich viele Zahnärzte für die Übernahme einer etablierten Praxis. Sowohl der vorhandene Patientenstamm als auch die niedrigeren Investitionsvolumina sind wichtige Kriterien, von einer Neugründung Abstand zu nehmen. Mit der Übernahme einer Praxis übernimmt der Zahnarzt aber zugleich Pflichten gegenüber den dort tätigen Mitarbeitern. Was also müssen Praxiskäufer und -verkäufer hierbei rechtlich beachten? |
Keine Kündigung anlässlich des Betriebsübergangs
Die engagierten Kräfte wird der Übernehmer gerne weiter beschäftigen wollen. Nicht selten finden sich bei den Personalunterlagen aber auch Mitarbeiter in Mutterschutz bzw. Elternzeit sowie 400-Euro-Kräfte, hierunter häufig der Ehepartner sowie Bekannte des abgebenden Zahnarztes. Diese Arbeitnehmer wird der Praxiskäufer lieber heute als morgen entlassen wollen, um den Personalbestand schlank zu halten.
Das Gesetz schreibt vor, dass bei einem Betriebsübergang durch Rechtsgeschäft - beispielsweise aufgrund eines Praxiskaufvertrages - der Erwerber in alle Rechte und Pflichten der bestehenden Arbeitsverhältnisse eintritt. Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn die wirtschaftliche Einheit der Praxis im Wesentlichen unverändert fortgeführt wird. Grundsätzlich bestehen die Arbeitsverhältnisse somit gegenüber dem neuen Arbeitgeber weiter. Die Kündigung von Mitarbeitern allein wegen des Betriebsübergangs ist dem abgebenden wie dem übernehmenden Zahnarzt somit verboten.
PRAXISHINWEIS | Ist der Betriebsübergang als solcher hingegen nicht der tragende Grund der Kündigung, sondern nur deren äußerer Anlass, und kann die Kündigung durch einen anderen sachlichen Grund - zum Beispiel wiederholtes Zuspätkommen des Mitarbeiters - belegt werden, darf die Kündigung auch im Rahmen des Betriebsübergangs ausgesprochen werden. |
Information der Mitarbeiter
Die Mitarbeiter sollten rechtzeitig vor der Praxisübernahme informiert werden. Rein rechtlich hat diese Information in Textform zu erfolgen und muss nach § 613a Abs. 5 BGB folgende Inhalte aufweisen:
- Geplanter Zeitpunkt des Betriebsübergangs
- Grund des Übergangs der Arbeitsverhältnisse
- Rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen für die Arbeitnehmer
- Für die Mitarbeiter in Aussicht genommene Maßnahmen
Übergang der Arbeitsverhältnisse
Innerhalb eines Monats nach Zugang dieser Information kann der Mitarbeiter gegenüber dem alten oder neuen Zahnarzt dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen. Tut er dies, bleibt sein Arbeitsverhältnis beim bisherigen Praxisinhaber bestehen. Da dieser aber nach der Veräußerung der Zahnarztpraxis den widersprechenden Mitarbeiter nicht mehr beschäftigen kann, wird er ihn fristgemäß kündigen (können).
Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 13. Oktober 2011 (Az. 8 AZR 455/10, Abruf-Nr. 133134) geurteilt, dass ein Betriebsübergang auf einen Erwerber nur dann vorliegt, wenn die übernommenen Betriebsmittel und/oder Beschäftigten bereits beim Veräußerer eine abgrenzbare organisatorische wirtschaftliche Einheit - das heißt: einen Betriebsteil - dargestellt haben.
Bedeutung für die Zahnarztpraxis
Für die Zahnarztpraxis bedeutet das: Im Vordergrund der betrieblichen Tätigkeit steht meist die Patientenbetreuung durch den Zahnarzt und die nichtärztlichen Mitarbeiter. Prägend sind die individuelle Arbeitsweise des Zahnarztes und dessen Sachkunde, seine Vertrauensstellung zu den Patienten sowie die Arbeit seines Personals. Betriebsmittel wie Praxisräume, Geräte und Patientenkartei spielen oft eine untergeordnete Rolle.
Betriebsübergang und Übernahme der Mitarbeiter
In einem solchen Fall, der die Regel darstellt, bilden also Zahnarzt und eingespieltes Mitarbeiterteam die Identität der Praxis. Hier liegt ein Betriebsübergang im Sinne des BGB nur vor, wenn der neue Zahnarzt auch das Praxisteam übernimmt. Werden hingegen nur Teile des Inventars und der Goodwill verkauft, wird das Praxispersonal aber in seiner Gesamtheit nicht weiterbeschäftigt, so scheidet ein Betriebsübergang aus.
Vorsicht beim „Rosinenpicken“
Vorsicht ist geboten, wenn der Praxiserwerber nur einzelne Mitarbeiter weiterbeschäftigen möchte. Dann wird möglicherweise ein Betriebsübergang vorliegen und die Kündigung der übrigen Mitarbeiter unzulässig sein. Entscheidend ist hierbei immer der Einzelfall.
FAZIT | Vermeiden Sie mit frühzeitiger Kommunikation über die bevorstehende Praxisübergabe Verunsicherung bei Ihren Mitarbeitern. So wird es seltener zu arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen kommen. Am besten informieren Abgebender und Übernehmender die Mitarbeiter sogar gemeinsam. Beschäftigten, die der Übernehmer nicht beschäftigen möchte, sollten vom Praxisabgeber möglichst frühzeitig vor der Übergabe gekündigt werden. Mitarbeiter in Mutterschutz und Elternzeit müssen einer Vertragsauflösung zustimmen, da ein Kündigungsverbot für diese Angestellten besteht. Zudem sollte der abgebende Zahnarzt ein bis zwei Jahre vor dem beabsichtigten Ende seiner Tätigkeit nur noch befristete Arbeitsverträge abschließen - so kann der Praxiskäufer frei entscheiden, ob er diese Mitarbeiter übernimmt oder nicht. |