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  • · Fachbeitrag · Bereitschaftsdienst

    „Pool-Arzt“ im vertragszahnärztlichen Notdienst nicht automatisch selbstständig

    von RAin Anika Mattern, Kanzlei am Ärztehaus, Münster

    | Pool-Zahnärzte, die ohne Zulassung regelmäßig an bestimmten Tagen im Notdienstzentrum einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung Notdienste wahrnehmen, sind abhängig beschäftigt und unterliegen der Sozialversicherungspflicht. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 24.10.2023 entschieden und damit der Klage eines Zahnarztes stattgegeben (Az. B 12 R 9/21 R). |

     

    Der Fall

    Der klagende Zahnarzt hatte 2017 seine Praxis verkauft und war nicht mehr zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. In den Folgejahren übernahm er überwiegend am Wochenende immer wieder Notdienste, die von der zuständigen Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) organisiert wurden. Die Tätigkeit fand in durch die KZV angemieteten und durch diese mit Geräten, Material und Personal ausgestatteten Räumlichkeiten eines Notfalldienstzentrums statt. Der Notdienst wurde sowohl durch an der zahnärztlichen Versorgung teilnehmende Zahnärzte als auch durch nicht zugelassene Zahnärzte ‒ wie den Kläger ‒ durchgeführt. Der Kläger konnte der KZV seine Bereitschaft zur Übernahme konkreter Schichten erklären. Hiervon ausgehend teilte ihn die KZV nach ihrem Ermessen zu konkreten Schichten ein. Die Vergütung des Klägers richtete sich nach der jeweiligen Schicht und lag pro Stunde zwischen 34 Euro und 50 Euro.

     

    Auf den Statusfeststellungsantrag des klagenden Zahnarztes stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund fest, dass die im Zeitraum vom 20.1.2018 bis 19.4.2019 verrichteten Einsätze des Klägers nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden seien und daher keine Versicherungspflicht bestanden habe. Das Sozialgericht wies die Klage des Zahnarztes gegen diese Entscheidung ab, das Landessozialgericht die Berufung zurück. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.

     

    Die Entscheidung des BSG

    Das BSG entschied zu Gunsten des Zahnarztes und ging von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis aus. Der Zahnarzt sei ohne eigenen unternehmerischen Einfluss in prägender Weise in die Abläufe der Organisation des Notfalldienstes durch die KZV eingegliedert. Er fand eine von dritter Seite organisierte Struktur vor, in der er sich fremdbestimmt einfügte. Darüber hinaus könne der Zahnarzt nicht selbstständig eine Vertretung für die Wahrnehmung der Notdienste organisieren, sondern lediglich seine Schicht mit einem anderen Zahnarzt tauschen. Da es auf die tatsächlichen Gesamtumstände ankomme, erfolge die Wahrnehmung der Notfalldienste ‒ bis auf die medizinische Behandlung an sich ‒ fremdbestimmt.

     

    Hierauf hatte er keinen entscheidenden, erst recht keinen unternehmerischen Einfluss. Auch wurde der Kläger unabhängig von konkreten Behandlungen stundenweise bezahlt. Er verfügte bereits nicht über eine Abrechnungsbefugnis, die für das Vertragszahnarztrecht eigentlich typisch ist. Dass der Kläger bei der konkreten medizinischen Behandlung als Zahnarzt frei und eigenverantwortlich handeln konnte, fällt nicht entscheidend ins Gewicht. Infolgedessen unterlag der Zahnarzt bei der vorliegenden Notdiensttätigkeit aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht.

     

    FAZIT | Die rechtliche Einordnung ärztlicher Tätigkeiten im Rahmen der Wahrnehmung von Notfalldiensten beschäftigt die Gerichte seit Langem. Erst kürzlich entschied das Soziagericht Landshut, dass die vertretungsweise Übernahme von Bereitschafts- und Notdiensten im Auftrag eines anderen verpflichteten Arztes nicht zu einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis führt (Urteil vom 03.03.2023, Az. S 1 BA 25/22). Hierbei unterschied sich der Fall, da der Arzt eigenständig die Vertretung in Räumlichkeiten der Kassenärztlichen Vereinigung organisierte und die übernommenen Dienste selbst bestimmte.

     

    Das aktuelle BSG-Urteil betont erneut, dass die individuellen Umstände maßgeblich sind und keine pauschale Übertragung auf ähnliche Fälle möglich ist.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2023 | Seite 12 | ID 49776088