· Fachbeitrag · Berufsausübungsgemeinschaft
Praxisabgabe, Praxisübergabe, BAG:Das Ende von Gesellschaft und Praxis (Teil 5)
von Dr. Stefan Stelzl, Stuttgart, www.stelzl-medizinrecht.de
| Der fünfte Teil dieser Beitragsserie befasst sich mit dem Ende der Berufsausübungsgemeinschaft, der früheren Gemeinschaftspraxis, und den damit verbundenen Fragen, wie zum Beispiel: Wer hat ein Vorkaufsrecht an der Zahnarztpraxis, welche Kündigungsfristen gelten für die Gesellschafter und welche Gründe für eine fristlose Kündigung sind rechtlich anerkannt? |
Verschiedene Wege beim Übergang der Praxis
Der Verkauf der Zahnarztpraxis kann im Gesellschaftsvertrag mannigfaltig geregelt werden. Die gängigsten Regelungen werden nachfolgend gezeigt.
Erwerbsrecht und Ankaufsverpflichtung
Bei einem Senior-/Juniormodell wird der Senior zu einem bestimmten Zeitpunkt aus der Praxis ausscheiden. Es ist für diesen Fall zu regeln, ob der Junior die Praxis kaufen darf (Erwerbsrecht) oder ob er kaufen muss (Ankaufsverpflichtung). Das Erwerbsrecht kann als Vorkaufsrecht ausgestaltet sein, sodass der Junior den Erstzugriff auf den Praxisanteil des Seniors hat. Der Seniorpartner kann zwar theoretisch einen Kaufvertrag mit einem Dritten abschließen, wenn aber der Juniorpartner sein Vorkaufsrecht ausübt, kommt der Kaufvertrag mit dem Junior zustande - allerdings unter den Bedingungen, die der Senior mit dem Dritten ausgehandelt hat.
Verkaufsverpflichtung
Das Gegenstück zum Erwerbsrecht bzw. zur Ankaufsverpflichtung ist das Verkaufsrecht bzw. die Verkaufsverpflichtung des abgebenden Gesellschafters zu einem bestimmten Zeitpunkt. Da der Senior mit Wegfall der Altersgrenze theoretisch unbegrenzt arbeiten kann, empfiehlt es sich, im Gesellschaftsvertrag einen Zeitpunkt oder Zeitraum für die Abgabe festzulegen.
Vor- und Nachteile der Varianten
Alle Gestaltungsvarianten haben Vor- und Nachteile. So kann beispielsweise der Senior bei einem Vorkaufsrecht zum Verkaufszeitpunkt mit einem Dritten für ihn günstige Bedingungen aushandeln, auf die der Junior dann einsteigen muss, wenn er den Praxisanteil erwerben möchte. Andererseits heißt Vorkaufs“recht“ eben nicht Vorkaufs“verpflichtung“ - das heißt: Der Junior kann abspringen, wenn er anderswo bessere Bedingungen findet.
PRAXISHINWEIS | Naht der Übergangszeitpunkt, sollten die Kriterien des Erwerbs detailliert und bindend geregelt werden: Hierzu gehört die Angabe, innerhalb welchen Zeitraums bzw. zu welchem Zeitpunkt der Senior an den Junior verkaufen muss - und dieser zugleich erwerben muss. Zudem sollten die Modalitäten der Kaufpreisbestimmung gleich mit vereinbart werden. |
Gesellschafterversammlung: Was ist zu beachten?
In einer gut laufenden Gesellschaft werden Gesellschafterversammlungen oft als lästige Pflicht angesehen oder gleich ganz weggelassen. Dies geht aber nur so lange gut, als keine Unstimmigkeiten zwischen den Gesellschaftern bestehen. Um solche erst gar nicht aufkommen zu lassen, sollten Gesellschafterversammlungen in einem regelmäßigen Turnus durchgeführt werden - beispielsweise monatlich oder quartalsweise.
Worüber entscheidet die Versammlung?
Die Gesellschafterversammlung entscheidet zum Beispiel über die Genehmigung des Jahresabschlusses, die Erbringung weiterer Einlagen und über sonstige durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss bestimmte Angelegenheiten sowie gegebenenfalls über jährliche Berichte über die wirtschaftliche Lage. Hierher gehören auch alle weiteren Fragen, die die Berufsausübung und Belange der Gesellschaft betreffen. Nicht selten werden Unzufriedenheiten einzelner Gesellschafter erst in der Versammlung entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt kann meist noch gegengesteuert werden.
PRAXISHINWEIS | Die Gesellschafter sollten abwechselnd Protokoll über die Versammlungen führen und das Protokoll unterschreiben, sodass im Nachhinein nachvollziehbar ist, was vor längerer Zeit bereits beschlossen worden war. |
Besonderheiten bei der Zweier-Gesellschaft
In einer Zweier-Gesellschaft kann das Abstimmungsrecht der Gesellschafter in der Versammlung nur 1 : 1 lauten, das heißt der Seniorpartner kann sich kein überwiegendes Abstimmungsverhältnis vorbehalten. Ansonsten könnte er die Geschicke der Gesellschaft allein lenken - und beim Junior würde es sich um einen verdeckten Angestellten handeln.
Formalien der Gesellschafterversammlung
Im Gesellschaftsvertrag sind schließlich noch die Formalien der Gesellschafterversammlung zu regeln, also beispielsweise
- die Form der Einberufung,
- die Angabe der Tagesordnungspunkte,
- die Folgen des Nichterscheinens in der Versammlung und
- die Möglichkeit einer Vertretung.
Laufzeit und Ende der Gesellschaft
Eine Gesellschaft kann für eine bestimmte oder auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden. Im erstgenannten Fall endet die Gesellschaft mit dem Zeitablauf, ohne dass es einer Kündigung bedürfte. Im zweiten Fall kann die Gesellschaft von jedem Gesellschafter mit der vereinbarten Kündigungsfrist gekündigt werden. Wie lange die Kündigungsfrist sein soll, kann nicht einheitlich beantwortet werden. Für eine lange Kündigungsfrist - also beispielsweise ein Jahr zum Jahresende - spricht der Umstand, dass dann genügend Zeit bleibt, einen anderen Partner für die Gesellschaft zu finden. Es darf aber nicht unbeachtet bleiben, dass nach der Kündigung seitens eines Gesellschafters die Stimmung innerhalb der Gesellschaft nicht unbedingt gut sein dürfte, was für eine kurze Kündigungsfrist spricht - etwa ein Quartal zum Quartalsende. Oftmals werden lange Kündigungsfristen in der Praxis nicht durchgehalten und die Gesellschafter trennen sich im Streit vorzeitig.
Hinauskündigung anderer Gesellschafter nur begrenzt möglich
In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass der Grundsatz gilt: „Wer kündigt, geht“. Hinauskündigungen anderer Gesellschafter sind nach der Rechtsprechung nur während einer „Probezeit“ bzw. Einarbeitungsphase von zwei bis höchstens drei Jahren möglich. Der Seniorgesellschafter muss daher akzeptieren, dass er nach einiger Zeit nur noch die eigene Mitgliedschaft in seiner - normalerweise mit viel Herzblut aufgebauten und geführten - Zahnarztpraxis kündigen kann.
Fristlose Kündigung
Etwas anderes gilt nur im Falle einer außerordentlichen oder fristlosen Kündigung bzw. bei Ausschluss eines Gesellschafters aus der Gesellschaft. Während für die „normale“ ordentliche Kündigung die bloße fristgerechte Kündigungserklärung reicht, um die Kündigung wirksam werden zu lassen, ist bei der fristlosen Kündigung die Angabe der Kündigungsgründe, der sogenannten „wichtigen Gründe“, unerlässlich.
Es muss sich um so starke Verfehlungen des anderen Gesellschafters handeln, dass dem Kündigenden das Zusammenwirken mit dem Gekündigten nicht mehr zumutbar ist. Die Kündigungsgründe können auch nicht über einen längeren Zeitraum „gesammelt“ werden. Eine fristlose Kündigung oder ein Ausschluss aus der Gesellschaft sind nur innerhalb eines kurzen Zeitraums nach der Verfehlung zulässig - eine exakte Frist gibt es jedoch nicht.
PRAXISHINWEIS | Wenn es zu derartigen Verstimmungen zwischen den Gesellschaftern kommt, dass eine fristlose Kündigung im Raume steht, sollte rechtzeitig ein Rechtsanwalt konsultiert werden, um die Kündigung möglichst rechtssicher zu machen. Nicht selten wird nämlich eine fristlose Kündigung des einen mit einer fristlosen Kündigung des anderen Gesellschafters beantwortet. |
Rechtsfolgen der fristlosen Kündigung
Rechtsfolge einer fristlosen Kündigung ist die sofortige Beendigung der Gesellschaft. Nicht selten versucht der kündigende Gesellschafter, die gekündigte Partei aus den Praxisräumen fernzuhalten, indem beispielsweise über Nacht die Schlösser zu den Praxisräumen ausgewechselt werden.
Derartige Aktionen sind jedoch in den meisten Fällen zum Scheitern verurteilt, da die angerufenen Gerichte dem gekündigten Gesellschafter in aller Regel im Wege einer einstweiligen Verfügung wieder den Zugang zu den Praxisräumen zusprechen - in der Regel binnen Tagesfrist. Dies kann dann gegebenenfalls mit dem Gerichtsvollzieher und der Polizei vollstreckt werden. Immerhin hätte der sofortige Ausschluss eines Gesellschafters häufig die Vernichtung oder Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz zur Folge.
PRAXISHINWEIS | Die fristlose Kündigung sollte mit einer angemessenen Auslauffrist verbunden werden, die gegenseitige einstweilige Verfügungen verhindert. Es kann auch eine sogenannte Schutzschrift beim zuständigen Gericht hinterlegt werden - für den Fall, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung der Gegenseite dort eingeht. Dann hat der entscheidende Richter nicht nur die Auffassung des Antragstellers im Blick, sondern kann auch die Interessen des Antragsgegners gebührend berücksichtigen. |
Gründe für die Kündigung eines Gesellschafters
Wichtige Gründe für eine Kündigung oder für einen Ausschluss eines Gesellschafters können insbesondere darin liegen, dass
- einem Gesellschafter bestands- bzw. rechtskräftig die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung entzogen oder zum Ruhen gebracht wird oder bestands- bzw. rechtskräftig dies im Sofortvollzug angeordnet wird,
- ein Gesellschafter zur Abwendung der Zulassungsentziehung auf seine Zulassung bestandskräftig verzichtet,
- der betroffene Gesellschafter gegen Vertragspflichten grob verstoßen hat oder grob gegen die Interessen der Gesellschaft verstößt,
- sich der betroffene Gesellschafter grob standeswidrig verhalten hat, was zum Verlust des aktiven oder passiven Berufswahlrechts geführt hat,
- in dem Gesellschaftsanteil eines Gesellschafters Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durchgeführt werden und diese binnen einer gewissen Frist nicht beseitigt sind - Pfändungen im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren können unter Umständen ausgenommen werden,
- ein Gesellschafter alkohol- oder anderweitig drogensüchtig ist.
PRAXISHINWEIS | Bei einem Alkohol- oder Drogenverdacht kann der Gesellschafter verpflichtet werden, sich innerhalb eines Monats ärztlich untersuchen zu lassen und die einschlägigen Blutwerte dem anderen Gesellschafter vorzulegen. Der Ausschluss ist dann beispielsweise zulässig, wenn die Blutwerte nicht innerhalb von sechs Monaten in den Normbereich zurückgeführt werden können, was ebenfalls durch Vorlage der entsprechenden Blutwerte nachzuweisen ist. |
Eine fristlose Kündigung ist im Übrigen auch bei einer auf bestimmte Zeit eingegangene Gesellschaft möglich, da jedes Dauerschuldverhältnis gekündigt werden kann.
Ausscheiden aus der Gesellschaft
Im Anschluss an eine Kündigung scheidet der kündigende Gesellschafter in der Regel - wie erörtert - aus der Gesellschaft aus. Ein weiterer Ausscheidensgrund ist der Tod eines Gesellschafters. Normalerweise werden in einem BAG-Vertrag darüber hinaus weitere Ausscheidensgründe geregelt - beispielsweise die eintretende Berufsunfähigkeit eines Gesellschafters, der Entzug der Approbation bei einem Gesellschafter oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters. Auch weitere, spezifische Ausscheidungsgründe können natürlich geregelt werden.
Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters?
Folge des Ausscheidens ist in jedem Fall ein Abfindungsanspruch, das heißt der ausscheidende Gesellschafter oder - bei seinem Tod - die Erben haben einen Anspruch gegen den verbleibenden Gesellschafter auf einen Ausgleich für die Beteiligung am materiellen und immateriellen Wert der Gesellschaft. Der Abfindungsanspruch kann eingeschränkt und modifiziert, aber nicht gänzlich ausgeschlossen oder unverhältnismäßig beschränkt werden.
Übernahmerecht des verbleibenden Gesellschafters
Möglich ist es zum Beispiel, dem verbleibenden Gesellschafter ein Übernahmerecht einzuräumen - mit der Folge, dass er die Zahnarztpraxis übernehmen kann, aber nicht muss (vgl. Teil 6 in der nächsten ZWD-Ausgabe).
Budgetfragen vorab klären
Im Zusammenhang mit dem Ausscheiden sollte geregelt werden, wie sich eventuelle vertragszahnärztliche Budgets zwischen den Gesellschaftern aufteilen. So ist beispielsweise im Honorarverteilungsmaßstab der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) Baden-Württemberg geregelt, dass individuelle Bemessungsgrundlagen einvernehmlich aufgeteilt werden können. Liegt eine Vereinbarung nicht vor, werden diese von der KZV hälftig aufgeteilt.
PRAXISHINWEIS | Die Gesellschafter sollten sich verpflichten, die Beendigung der BAG im Sinne des § 33 Abs. 2 Zahnärzte-Zulassungsverordnung gegenüber dem zuständigen Zulassungsausschuss nur zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages anzuzeigen - also zum Ablauf der Kündigungsfrist. Sobald die Beendigung beim Zulassungsausschuss angezeigt wird, endet die BAG vertragszahnarztrechtlich.
Die zivilrechtliche Gesellschaft hingegen endet erst mit Ablauf der Kündigungsfrist. Fallen das Ende der BAG im vertragszahnarztrechtlichen und der Gesellschaft im zivilrechtlichen Sinne auseinander, entsteht eine Vielzahl rechtlicher Probleme, die sich vermeiden lassen, wenn das Ende der BAG erst mit dem Ablauf der Kündigungsfrist angezeigt wird. |
Die Mieterstellung der ausscheidenden Partei
Der ausscheidende Gesellschafter sollte verpflichtet werden, an einer Übertragung seiner Mieterstellung aus dem Praxismietvertrag auf einen eintretenden oder auf den verbleibenden Gesellschafter mitzuwirken.
Entlässt der Vermieter den ausscheidenden Gesellschafter nicht aus dem Mietvertrag, sollte er vertraglich von dem verbleibenden Gesellschafter von seinen finanziellen Verpflichtungen aus dem Mietvertrag freigestellt werden. Im Gegenzug verpflichtet sich der Ausscheidende, an Maßnahmen mitzuwirken, die das Mietverhältnis betreffen, und eventuell erforderliche Willenserklärungen etc. zeitnah abzugeben.
Weiterführender Hinweis
- Im sechsten Teil der Serie geht es u.a. um Fragen der Weiterführung der Gesellschaft durch den verbleibenden Gesellschafter und der Freistellung von Verbindlichkeiten.