· Fachbeitrag · Gemeinschaftspraxis
Urteil: 30 Prozent Gewinnbeteiligung und sonst kein Risiko - damit ist man abhängig beschäftigt!
von Rechtsanwalt Philip Christmann, Fachanwalt für MedR, Berlin/Heidelberg, www.christmann-law.de
| Gehört in einer Gemeinschaftspraxis die gesamte Praxiseinrichtung dem Seniorpartner, der diese der Juniorpartnerin nur (unentgeltlich) zur Nutzung überlässt und der sämtliche Praxisausgaben begleicht, während die Juniorpartnerin nur beschränkte Geschäftsführungsbefugnisse hat und keine Risiken trägt, so liegt eine abhängige Beschäftigung der Juniorpartnerin vor. So urteilte das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 23.11.2016 (Az. L 5 R 1176/15). Vertragsarztrechtliche Einordnungen seien insofern zweitrangig. |
Der Fall
Streitig war, ob eine Zahnärztin abhängig beschäftigt und ihre Tätigkeit damit sozialversicherungspflichtig ist. Grundlage der Kooperation zwischen der Zahnärztin und dem Zahnarzt (Senior) war eine 30-prozentige Gewinnbeteiligung der Zahnärztin. Der Senior stellte alle Betriebsmittel, zahlte alle Kosten und erledigte die Abrechnung für die Zahnärztin. Die beklagte Sozialversicherungsträgerin verlangte von ihm die Nachzahlung von Sozialversicherungsentgelten. Dagegen klagte der Senior.
Das Urteil
Mit dieser Klage scheiterte der Senior und wurde zur Nachzahlung von 13.000 Euro an Sozialabgaben verurteilt. Wie schon zuvor das Sozialgericht bejahte auch das LSG eine Sozialversicherungspflicht, da hier ein „verkapptes Anstellungsverhältnis“ vorliege. Die Zahnärztin trage kein Kapitalrisiko und würde auch gegenüber Patienten und Krankenkassen nicht in Erscheinung treten, weil der Senior die gesamte Abrechnung für sie übernommen hatte. Außerdem hätte sie eine im Innenverhältnis beschränkte Geschäftsführungsbefugnis und würde bezüglich Krankheit und Urlaub wie eine Arbeitnehmerin behandelt.
Dass sie eine eigene vertragsarztrechtliche Zulassung hatte, Kleininventar zur Verfügung stellte und im Innenverhältnis nicht von Haftungsansprüchen Dritter freigestellt war, falle nicht ins Gewicht; ebenso nicht, dass sie fachlich weisungsfrei war - denn das seien auch angestellte Ärzte, weil sie Dienste höherer Art erbringen. Zudem weist das LSG darauf hin, dass diese Konstruktion auch vertragsarztrechtlich nicht zulässig ist, weil die Zahnärztin nicht - wie es das Gesetz erfordert - „in freier Praxis“ tätig ist.
PRAXISHINWEIS | Der klagende Zahnarzt muss also rund 13.000 Euro an Sozialabgaben nachzahlen. Die Zahnärztin riskiert sogar eine Entziehung ihrer Zulassung, wenn sie über längere Zeit nicht in freier Praxis tätig, sondern einer Arbeitnehmerin gleich beschäftigt war. Dann wäre die für die Zahnärztin „bequeme“ Einbettung in die bestehende Praxisorganisation teuer erkauft. Vor Abschluss eines Kooperations- bzw. Gesellschaftsvertrags sollte ein Juniorpartner daher immer den ihm vorgelegten Vertrag prüfen lassen. |