· Fachbeitrag · Steuerrecht
Gemeinschaftspraxis mit Gesellschafterin ohne Gewinnbeteiligung muss Gewerbesteuer zahlen
von RA, FA MedizinR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de
| Niedergelassene (Zahn-)Ärzte müssen als selbstständige Freiberufler grundsätzlich keine Gewerbesteuer zahlen. Nimmt eine Gemeinschaftspraxis eine (Zahn-)Ärztin als Gesellschafterin auf, die tatsächlich aber wie eine Mitarbeiterin behandelt wird, so werden sämtliche Einnahmen der Gemeinschaftspraxis gewerbesteuerpflichtig (Finanzgericht [FG] Münster, Urteil vom 26.11.2021, Az. 1 K 1193/18 G, F). Im Folgenden werden Strategien aufgezeigt, wie eine Gewerbesteuerpflicht vermieden werden kann. |
Der Fall
Eine Gemeinschaftspraxis aus Augenärzten betrieb zwei Standorte. Am zweiten Standort war lediglich eine Ärztin tätig, die mit Gesellschaftsvertrag in die Gesellschaft aufgenommen worden war. Sie war allerdings nicht am Gewinn und am Vermögen der Gesellschaft beteiligt. Das Finanzamt unterwarf die Gemeinschaftspraxis daraufhin der Gewerbesteuerpflicht, da die Ärztin keine Gesellschafterin, aber gleichwohl eigenverantwortlich tätig sei. Denn in einem solchen Fall werden die Einnahmen der Ärztin nicht durch die eigene Fachkenntnis, Leitung und Verantwortung der verbleibenden Gesellschafter erzielt (also in „selbstständiger“ Tätigkeit), sondern sie werden quasi durch eine angestellte aber eigenverantwortlich tätige Ärztin erwirtschaftet. Dagegen klagte die Gemeinschaftspraxis.
Die Entscheidung
Das FG Münster bejahte eine Gewerbesteuerpflicht der Gemeinschaftspraxis: Ein (Zahn-)Arzt ist laut Gericht nur dann als Gesellschafter einer Gemeinschaftspraxis von (Zahn-)Ärzten (und dann dort selbstständig und befreit von der Gewerbesteuer) tätig, wenn er
- am Gewinn der gesamten Gesellschaft ‒ sprich aller Gesellschafter-Ärzte ‒ beteiligt wird (und nicht wie die Ärztin nur am Gewinn, den sie selbst erwirtschaftet hat). Diese Beteiligung darf durchaus auch nur anteilig je nach der vom einzelnen Arzt-Gesellschafter eingezahlten Vermögensbeteiligung gezahlt werden. Gönnerhaft ausgezahlte Gewinnbeteiligungen zählen nicht als eine solche Gewinnbeteiligung, diese Zahlungen sind lediglich Gratifikationen, auf die kein Anspruch besteht.
- beim Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis seinen Anteil an der Wertsteigerung der Gesellschaft ausgezahlt bekommt, sprich wenn er Anspruch auf den Firmenwert und die stillen (materiellen und immateriellen) Reserven der Gesellschaft hat (die Ärztin hatte im vorliegenden Fall keine Beteiligung an den immateriellen und materiellen Reserven versprochen bekommen).
- eine Haftung nach außen übernimmt und somit auch Verlustrisiken trägt (was bei der Ärztin nicht der Fall war, weil die Gemeinschaftspraxis hohe Gewinne abwarf und die Ärztin durch eine Haftpflichtversicherung gegen eine Inanspruchnahme Dritter abgesichert war).
- zumindest eine besondere Initiative bei seiner Arbeit gezeigt hat, z. B. er besondere Geschäftsführungsaufgaben übernahm oder eine hohe Arbeitslast auf sich nahm (da die Ärztin hier Entscheidungen nur zusammen mit den anderen Ärzten treffen konnte, war dies nicht der Fall). Dass die Ärztin im medizinischen Bereich Entscheidungsfreiheit besaß und selbst über die Therapien entscheiden konnte, änderte an der fehlenden Leitungsbefugnis nichts, weil jeder Facharzt in seinem Fachbereich ohnehin weisungsfrei tätig ist.
FAZIT | Die Tätigkeit als Gesellschafter in einer Gemeinschaftspraxis bringt Verpflichtungen und Risiken mit sich. Nicht jede Zahnärztin/jeder Zahnarzt will diese eingehen. Manche Zahnärzte können oder wollen auch keine Vermögensbeteiligung aufbringen. Es gibt also vielfältige Gründe, die für eine Konstruktion mit geringerer Verantwortung sprechen. In einer Freiberufler-Gemeinschaftspraxis ist eine solche Konstruktion aber schwierig: Die Verantwortung eines Gesellschafters kann zwar reduziert werden, quasi ganz ausgeschlossen werden (wie im vorliegenden Fall) darf sie aber nicht. So können z. B. die Beteiligung am Gewinn und an den Vermögenswerten, die Mitspracherechte, die Geschäftsführungsbefugnis oder die Risiken verringert werden. Hier können die beteiligten Gesellschafter die große Gestaltungsfreiheit nutzen, die das Gesellschaftsrecht bietet. Junge Zahnärztinnen und -ärzte, die mit reduzierter Arbeitszeit und eingeschränkter Verantwortung tätig sein wollen, sollten eine Tätigkeit als angestellter Zahnarzt in einem ZMVZ in Erwägung ziehen. |