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  • · Fachbeitrag · Haftungsrecht


    Das Patientenrechtegesetz ist endlich da: Was der Zahnarzt jetzt wissen sollte (Teil 1) 


    von Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht Beate Bahner, Heidelberg, www.beatebahner.de

    | Nach jahrelangen Diskussionen ist es am 26. Februar 2013 endgültig in Kraft getreten: das „Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten“ - kurz: Patientenrechtegesetz (Abruf-Nr. 131190 ). Der erste Teil dieser Beitragsserie erläutert die vier wesentlichen Grundsätze, die das Gesetz regelt und die der Zahnarzt kennen sollte. |

    Aus verstreutem „Richterrecht“ wird nun ein Gesetz


    Das neue Gesetz ist - trotz aller Kritik - eine wirklich gute Sache, selbst wenn das bisherige Arzthaftungsrecht in rechtlicher Hinsicht keinesfalls verändert oder gar revolutioniert wurde. Positiv ist jedoch, dass mit dem Patientenrechtegesetz nun erstmalig beschrieben wird, welche Rechte und Pflichten aufgrund einer medizinischen Behandlung zwischen Behandler und Patient entstehen. Dies bedeutet Klarheit und Transparenz für alle Beteiligten.


    PRAXISHINWEIS |  Bislang war das Arzt- und Arzthaftungsrecht „Richterrecht“ und wurde einzig und allein durch die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und vor allem des Bundesgerichtshofs (BGH) geprägt und weiter entwickelt.

    Angesichts einer Vielzahl von Gerichtsurteilen zur ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung war es für Nichtexperten nahezu unmöglich, ohne Unterstützung eines Anwalts einen schnellen Überblick der wesentlichen Rechte und Pflichten im Arzt-Patienten-Verhältnis zu erlangen. Dies hat der Gesetzgeber mit der Verabschiedung des Patientenrechtegesetzes nun geändert - durchaus ein Meilenstein des Medizinrechts. 


    Verankerung des Behandlungsvertrages in §§ 630 a-h BGB 


    Der Behandlungsvertrag wurde im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) als neues besonderes dienstvertragliches Schuldverhältnis im Anschluss an die Regelungen des Dienstvertrags unter den §§ 630 a-h BGB integriert und umfasst die acht folgenden Paragrafen: 


    • Vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag (§ 630 a BGB)

    • Anwendbare Vorschriften (§ 630 b)

    • Mitwirkung der Vertragspartei, Informationspflichten (§ 630 c)

    • Einwilligung (§ 630 d)

    • Aufklärungspflichten (§ 630 e)

    • Dokumentation der Behandlung (§ 630 f)

    • Einsichtnahme in die Patientenakte (§ 630 g)

    • Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler (§ 630 h)


    Die Neuregelung des Behandlungsvertrages bezieht sich nicht nur auf die ärztliche, sondern natürlich auch auf die zahnärztliche Behandlung. Sie umfasst nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers darüber hinaus auch die Behandlung durch Angehörige anderer Gesundheitsberufe, etwa von Psychotherapeuten, Physiotherapeuten, Heilpraktikern oder Hebammen. Es wird daher vom „Behandler“ gesprochen (§ 630 a SaBGB).


    PRAXISHINWEIS |  Das Patientenrechtegesetz gilt für alle, die eine medizinische Behandlung anbieten. Sie werden im Gesetz als „Behandler“ bezeichnet.

    Die 4 wichtigsten Grundsätze der medizinischen Behandlung w


    Der Behandlungsvertrag nach § 630 a - h ff BGB regelt zunächst die vier wesentlichen Grundsätze der Behandlung, die zur Vermeidung von Arzthaftungsansprüchen von allen Behandlern stets zu beachten sind. Diese vier Grundsätze sind: 


    • 1. Ordnungsgemäße Aufklärung

    • 2. Wirksame Einwilligung

    • 3. Fachgerechte Behandlung

    • 4. Ordnungsgemäße Dokumentation


    1. Die Aufklärung des Patienten 


    Der Aufklärung des Patienten kommt eine ganz maßgebliche Bedeutung zu: Nur der aufgeklärte Patient ist imstande, die notwendige Einwilligung zur Durchführung der zahnärztlichen Behandlung zu erteilen. Der Anspruch des Patienten auf Aufklärung durch seinen Zahnarzt ist Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts des Patienten über seine Person. 


    Die Aufklärung soll allerdings kein medizinisches Detailwissen vermitteln, sondern dem Patienten lediglich die Schwere und Tragweite des Eingriffs vermitteln, so dass er eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts erhält. 


    Der Patient ist daher - allerdings nur im Großen und Ganzen - vor einer medizinischen Behandlung über die häufigsten, die typischen und die schwersten Risiken aufzuklären, selbst wenn Letztere nur selten auftreten. Die Aufklärung muss mündlich erfolgen, wobei ergänzend auch auf schriftliche Aufklärungsunterlagen Bezug genommen werden darf (§ 630 e BGB). 


    PRAXISHINWEIS |  Als Zahnarzt sollten Sie Ihre Patienten über die häufigsten, die typischsten und die schwersten Risiken aufklären.

    Die Aufklärung muss im Übrigen nicht durch den behandelnden Zahnarzt selbst erfolgen. Es reicht aus, dass sie durch einen Zahnarzt erfolgt, der über die notwendige Ausbildung verfügt - dies kann also durchaus auch ein junger Kollege mit wenig Berufserfahrung sein. Die Aufklärung hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung wohlüberlegt treffen kann, wobei der Gesetzgeber auf feste Zeitvorgaben ausdrücklich verzichtet hat. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung muss die Aufklärung bei OPs und anderen schweren Eingriffen im Zweifel mindestens einen Tag zuvor erfolgen. 


    Die Aufklärung muss dokumentiert werden. Ausreichend ist hierbei nicht nur die Unterschrift des Patienten und des Zahnarztes unter ein entsprechendes Aufklärungsformular. Sehr empfehlenswert und hilfreich sind - vor allem im Rahmen eines oftmals Jahre später stattfindenden Prozesses - insbesondere auch handschriftliche Vermerke auf diesem Aufklärungsformular, welche belegen, dass tatsächlich individuell auf die persönliche Situation des Patienten eingegangen wurde.


    2. Die Einwilligung des Patienten 


    Nach entsprechender Aufklärung kann mit der zahnärztlichen Behandlung begonnen werden, soweit der Patient zuvor seine Einwilligung erteilt hat (§ 630 d BGB). Die Einwilligung ist und bleibt das Herzstück der medizinischen Behandlung: Ohne Einwilligung des Patienten ist nach ständiger Rechtsprechung, die bereits durch ein Urteil des Reichsgerichts im Jahr 1894 begründet wurde, die medizinische Behandlung eine strafbare Körperverletzung. Dies gilt auch für die zahnärztliche Behandlung! 


    PRAXISHINWEIS |  Art und Umfang der medizinischen Behandlung wird durch die Einwilligung des Patienten bestimmt.

    Es ist somit gerade nicht der Zahnarzt, welcher darüber entscheidet, ob bestimmte medizinische Maßnahmen vorzunehmen sind oder nicht. Einzig und allein der Patient selbst entscheidet - nach entsprechender Aufklärung - darüber, ob und welche medizinischen Maßnahmen vorgenommen werden dürfen oder zu unterlassen sind; dies gilt selbst dann, wenn der Patient hierdurch eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes erleidet. 


    Die Grenzen sind allerdings dort zu ziehen, wo der Zahnarzt aufgrund seiner fachlichen Expertise den Patienten vor einer unsinnigen Behandlung mit unumkehrbaren Folgen zu bewahren hat - zum Beispiel bei der gewünschten Extraktion aller Zähne, um mit einem künstlichen Gebiss nach Ansicht des Patienten eine „Verschönerung“ zu erreichen.


    PRAXISHINWEIS |  Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ist ein wesentliches Prinzip der medizinischen Behandlung und daher vom Zahnarzt grundsätzlich zu respektieren.

    3. Die fachgerechte Behandlung 


    Wenn und soweit der Patient seine Einwilligung in die zahnmedizinische Behandlung erteilt hat, darf der Zahnarzt diese vornehmen. Er hat seine Dienstleistung fachgerecht durchzuführen - also nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards (§ 630 a Abs. 2 BGB). Der Zahnarzt schuldet somit eine Behandlung nach jeweiligem Facharztstandard. Die fachgerechte Behandlung unterliegt allerdings keiner juristischen Wertung, sondern ist grundsätzlich durch medizinische Sachverständige zu beurteilen. 


    Im Hinblick auf etwaige Behandlungsfehler wird zwischen einfachen und groben Behandlungsfehlern unterschieden, was im Arzthaftungsprozess aufgrund der damit verbundenen Beweislast bedeutend ist. Diese Aspekte werden in der nächsten Ausgabe des ZWD dargestellt.


    4. Die ordnungsgemäße Dokumentation 


    Schließlich ist der Zahnarzt zur ordnungsgemäßen Dokumentation verpflichtet (§ 630 f BGB). Die Dokumentation dient in erster Linie dem Zweck, durch die Aufzeichnung des Behandlungsgeschehens eine sachgerechte therapeutische Weiterbehandlung zu gewährleisten und unnötige Doppeluntersuchungen zu vermeiden. 


    Zu dokumentieren sind alle aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse. Dies sind insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen sowie schließlich die Aufklärung und Einwilligung (§ 630 f Abs. 2 BGB). 


    PRAXISHINWEIS |  Die Dokumentation sollte der Zahnarzt niemals vernachlässigen. Eine gute Dokumentation kann im Arzthaftungsprozess entscheidend sein!

    Die Dokumentation kann sowohl handschriftlich in Papierform als auch elektronisch erfolgen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind allerdings nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann die Änderungen oder Ergänzungen vorgenommen wurden. Dies muss auch für elektronisch geführte Patientendaten sichergestellt werden. 


    PRAXISHINWEIS |  Änderungen und Ergänzungen der Dokumentation sind zulässig, müssen aber als solche erkennbar sein.

    Zahnärzte müssen daher mit Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes dafür sorgen, dass sie ihre Patientendokumentation mit einem Computerprogramm führen, welches eventuell spätere Änderungen auch nachweislich kennzeichnet und sicherstellt, dass diese Änderungen nicht manipuliert werden können. 


    Weiterführende Hinweise:


    • Zur vertieften Einarbeitung können Sie sich die §§ 630 a-h BGB auf zwd.iww.de herunterladen: Klicken Sie in der Rubrik „Downloads“ auf das Stichwort „Arbeitshilfen“.

    • Im zweiten und letzten Teil dieser Beitragsserie werden das Recht des Patienten auf Einsichtnahme in die Patientenakte sowie Fragen der Beweislast im Falle eines (vermuteten) Behandlungsfehlers des Zahnarztes erörtert.

    • Mit dem neuen Patientenrechtegesetz im Hinblick auf „Leistungen auf Verlangen“ befasst sich der Beitrag in ZWD 03/2013, Seite 2.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 18 | ID 38753120