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  • · Fachbeitrag · Haftungsrecht

    Die Haftung des Zahnarztes: Grundlagen, Voraussetzungen und Folgen

    von Rechtsanwältin Julia Godemann, LL.M, Dierks + Bohle Rechtsanwälte, Düsseldorf, www.db-law.de 

    | Wenn während oder nach einer zahnärztlichen Behandlung bei einem Patienten Komplikationen auftreten oder dieser mit dem Behandlungsergebnis unzufrieden ist, stellt sich die Frage: Welche Pflichten treffen den Zahnarzt im Rahmen der Behandlung? Darf er bei einer mangelhaften Leistung nachbessern? Und muss er im Haftungsfall sein Honorar zurückzahlen? Mit all diesen Fragen beschäftigt sich der nachfolgende Beitrag. |

    Haftung des Zahnarztes wegen eines Behandlungsfehlers

    Zunächst gilt, dass ein Zahnarzt seinem Patienten eine sachgerechte zahnärztliche Versorgung schuldet, nicht hingegen einen Behandlungserfolg. Ob ein Zahnarzt haftet, hängt von folgenden Fragen ab:

     

    • Vorprüfung bei möglichen Haftungsfällen
    • Liegt ein Behandlungsfehler des Zahnarztes vor?
    • Wenn ja: Hat der Patient einen Gesundheitsschaden erlitten?
    • Wenn ja: Ist der Behandlungsfehler ursächlich für diesen Schaden?
     

    Vorliegen eines Behandlungsfehlers

    Hinsichtlich des Begriffs des zahnärztlichen Behandlungsfehlers knüpft die Rechtsprechung an den zahnmedizinischen Standard an. Bei der Bestimmung dieses Standards ist jeweils der in dem betreffenden Fachkreis objek-tiv bestehende Sorgfaltsmaßstab zugrunde zu legen. Auch in dem durch das Patientenrechtsgesetz eingeführten § 630a BGB heißt es in Absatz 2:

     

    •  § 630a Abs. 2 BGB

    „Die Behandlung hat nach den (...) bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.“

     

    Nicht nur Fehler in der Therapie können einen Behandlungsfehler begründen; vielmehr muss der zahnmedizinische Standard in jedem Stadium der Behandlung gewahrt sein. Unter den Oberbegriff „Behandlungsfehler“ fallen insbesondere Diagnosefehler, Befunderhebungsfehler sowie Fehler bei der therapeutischen Sicherungsaufklärung:

     

    • Von einem Diagnosefehler wird ausgegangen, wenn die von dem Zahnarzt gestellte Diagnose objektiv falsch ist und nicht vertretbar erscheint. Ist die Diagnose hingegen ohne weiteres vertretbar, verbietet sich der Schluss auf ein schuldhaftes zahnärztliches Verhalten.
    • Von einem Befunderhebungsfehler geht die Rechtsprechung aus, wenn die Erhebung medizinisch gebotener Befunde unterlassen wurde.

     

    Abgrenzung zwischen Diagnose- und Befunderhebungsfehler

    In der Praxis ist die Abgrenzung zwischen Befunderhebungs- und Diagnosefehlern nicht immer einfach. Sie ist allerdings für die Frage, wer die Beweislast trägt, von erheblicher Bedeutung. Grundsätzlich muss der Patient einen Behandlungsfehler beweisen. Nur bei einem groben Behandlungsfehler kommt es zu einer Beweislastumkehr zugunsten des Patienten. Ein grober Behandlungsfehler ist ein zahnärztliches Fehlverhalten, das aus objektiver zahnärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint und einem Zahnarzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (§ 630h Abs. 5 S. 2 BGB).

     

    Beweislastumkehr bei einfachem Befunderhebungsfehler möglich

    Bei einem Befunderhebungsfehler ist dies anders. So kann schon ein einfacher Befunderhebungsfehler dann zu einer Beweislastumkehr führen, wenn die weitere Befundung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen reaktionspflichtigen Befund ergeben hätte. Zusätzlich müsste die Verkennung dieses hypothetischen Befundes bzw. das Unterlassen weiterer Befunderhebungsmaßnahmen grob fehlerhaft gewesen sein.

     

    PRAXISHINWEIS |  Die therapeutische Sicherungsaufklärung ist verletzt, wenn der Zahnarzt die zur Sicherung des Behandlungserfolges nötigen Hinweise an den Patienten nicht erteilt - etwa dann, wenn er seinen Patienten nach einer Implantatsetzung nicht darauf hinweist, wie er sich zu verhalten hat.

     

    Recht zur Nachbesserung

    Entspricht die zahnärztliche Leistung nicht dem zahnmedizinischen Standard und stellt sich damit als mangelhaft dar, hat ihm der Patient zunächst Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Nachbesserung für den Patienten nicht (mehr) zumutbar ist. Es reicht nicht, wenn es zwischen Zahnarzt und Patient zu „Spannungen aus wechselseitigen Frustrationsgefühlen“ gekommen ist. Vielmehr muss aus Sicht eines „durchschnittlich robusten oder empfindsamen“ Patienten das Verhalten des Zahnarztes als nicht mehr hinnehmbar erscheinen. Auch bei der Zahl der zumutbaren Nachbesserungsversuche kommt es auf den jeweiligen Einzelfall an.

    Schaden und Kausalität

    Ein Behandlungsfehler allein führt noch nicht zur Haftung eines Zahnarztes. Vielmehr muss er auch ursächlich zu einem bestimmten Schaden geführt haben. Hierfür ist der Patient grundsätzlich beweispflichtig. Kann etwa die Ursache für eine mangelhafte Okklusion nicht mehr ermittelt werden und kommen solche außerhalb des zahnärztlichen Verantwortungsbereichs infrage, kann der Patient den erforderlichen Beweis nicht erbringen. Der Zahnarzt haftet dann nicht. Insbesondere gibt es auch keine Lebenserfahrung dafür, dass eine mangelhafte Okklusion stets auf zahnärztlichem Fehlverhalten oder Umständen in der Person des Patienten beruhe.

     

    Ursachenerforschung im Nachhinein gestaltet sich bei haftungsrechtlichen Fragen bei der zahnärztlichen Behandlung häufig problematisch, weil sich viele Patienten zwischenzeitlich zu einem Nachbehandler begeben. Ist zum Beispiel eine Prothese, die angeblich zu Spannungsschmerz und Zahnfleischentzündungen geführt hat, wegen weiterer Behandlungen nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form vorhanden, ist diese Prothese für die Beantwortung des Ursachenzusammenhangs nur sehr eingeschränkt verwertbar. Dieser Umstand geht zulasten des beweispflichtigen Patienten.

    Dokumentationspflicht ist wesentlich

    Die Dokumentation ist für Haftungsfragen wesentlich. Wurden eine zahnmedizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis nicht dokumentiert, wird vermutet, dass der Zahnarzt diese Maßnahme nicht durchgeführt hat (§ 630h Abs. 3 BGB). Unabhängig davon ist er verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte (als Papier oder elektronisch) zu führen.

     

    In dieser Akte sind sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen - insbesondere Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen und deren Ergebnisse, Befunde, Therapien sowie Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Auch Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen. Diese Verpflichtung ergibt sich nunmehr direkt aus § 630f BGB.

    Haftung wegen mangelhafter Aufklärung

    Jede zahnärztliche Behandlung, die den Körper oder die Gesundheit des Patienten betrifft, ist rechtswidrig und stellt eine Körperverletzung dar. Aus diesem Grund ist der Zahnarzt verpflichtet, vor Durchführung der Behandlung die Einwilligung des Patienten einzuholen (§ 630d Abs. 1 BGB). Die Einwilligung ist aber nur dann wirksam, wenn der Patient zuvor ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist (§ 630d Abs. 2 BGB). Das heißt: Selbst wenn die Behandlung fehlerfrei erfolgte, haftet ein Zahnarzt, wenn er seine Aufklärungspflicht verletzt hat. Seine Behandlung war dann nämlich rechtswidrig.

    Inhalt und Umfang der Aufklärung

    Der Zahnarzt ist verpflichtet, seine Patienten über sämtliche wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören in der Regel Art, Umfang und Durchführung der Maßnahme, zu erwartende Folgen und Risiken sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie.

     

    PRAXISHINWEIS |  Über seltene Risiken ist nur aufzuklären, wenn ihre Verwirklichung die Lebensführung des Patienten schwer belastet und sie - trotz ihrer Seltenheit - für den Eingriff spezifisch und für den zahnmedizinischen Laien überraschend sind. Im Haftungsprozess muss der Zahnarzt im Zweifel beweisen, dass er aufgeklärt und der Patient ordnungsgemäß eingewilligt hat.

     

    Ist die Aufklärung nicht ordnungsgemäß erfolgt, kann sich der Zahnarzt aber darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte („hypothetische Einwilligung“).

     

    Hinweis auf Behandlungsalternativen

    Schließlich ist auf Behandlungsalternativen hinzuweisen, wenn mehrere gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können (§ 630e Abs. 1 BGB). Die Aufklärung muss für den Patienten verständlich sein und kann mündlich durch den Zahnarzt oder durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Behandlung notwendige Befähigung verfügt.

     

    Aufklärung darf delegiert werden

    In diesem Rahmen ist die Aufklärung also delegationsfähig. Ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält. In zeitlicher Hinsicht muss die Aufklärung so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann. Dem Patienten sind zudem Abschriften auszuhändigen von Aufklärungs- oder Einwilligungsbögen, die er unterzeichnet hat (§ 630e BGB).

    Wirtschaftliche Informationspflicht

    Bei zahnärztlichen Behandlungen spielt auch die wirtschaftliche Aufklärung eine große Rolle. Hierzu erstellt der Zahnarzt in der Regel einen Heil- und Kostenplan. Weiß ein Zahnarzt aber, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er vor Behandlungsbeginn über die voraussichtlichen Kosten in Textform informieren (§ 630c Abs. 3 BGB).

    Haftungsfolgen

    Erst wenn die Haftung eines Zahnarztes feststeht, hat der Patient ihm gegenüber einen Schadensersatzanspruch: Ist die Prothetik also aufgrund eines Behandlungsfehlers mangelhaft, kann der Patient den Ersatz aller für die Behebung des Mangels entstandenen Kosten verlangen - allerdings nur, soweit sie erforderlich waren. Ist eine Mängelbeseitigung unmöglich und der Zahnersatz daher gänzlich unbrauchbar, kann der Patient alternativ die Rückzahlung bereits gezahlten Honorars verlangen.

     

    Manche Patienten verlangen auch Schmerzensgeld aus Gründen, die nicht im Verantwortungsbereich des Zahnarztes liegen. Typischerweise unterzieht sich ein Patient über mehrere Monate einer notwendigen und zumutbaren Behandlung nicht, beansprucht aber für diesen Zeitraum ein hohes Schmerzensgeld. Hier muss sich der Patient seine Mitwirkungspflicht bzw. Pflicht zur Schadensminderung entgegenhalten lassen. Trifft ihn ein Verschulden, haftet der Zahnarzt nur eingeschränkt oder - im Extremfall - gar nicht.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Die wichtigsten Gerichtsentscheidungen zu Haftungsfällen finden Sie auf unserer Website zwd.iww.de im Download-Bereich in der Rubrik „Arbeitshilfen und Checklisten“.
    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 19 | ID 42323977