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  • · Haftungsrecht

    Ein Patient ‒ gleich mehrere Aufklärungs- und Behandlungsfehler

    Bild: ©geralt - pixabay.com

    von RA, FA MedR Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg, Hamburg, rechtsanwalt-schinnenburg.de

    | Das Landgericht (LG) Köln hat einen Zahnarzt zu erheblichen Zahlungen an seinen Patienten verurteilt, weil gleich mehrere Aufklärungs- und Behandlungsfehler vorlagen. Dem Zahnarzt wurde auch eine völlig unzureichende Dokumentation zum Verhängnis (Urteil vom 16.12.2020, Az. 3 O 326/18). |

     

    Gutachter bescheinigt Zahnarzt eine ganze Reihe von Fehlern

    Es ging um eine Versorgung im Ober- und im Unterkiefer. Im Oberkiefer wurden die Zähne 13, 12, 11, 21 und 23 überkront. Im Unterkiefer wurden die Zähne 36 und 37 überkront sowie eine Teilprothese eingegliedert. Nach gut einem Jahr wurden die Zähne 36 und 37 vom selben Zahnarzt entfernt. Der gerichtliche Gutachter bescheinigte dem Zahnarzt eine ganze Reihe von Fehlern:

    • Zunächst hatte er vor der Überkronung der Zähne 36 und 37 die Anfertigung einer Zahnfilm-Röntgenaufnahme unterlassen, obwohl der Zahn 37 auf einer OPG-Röntgenaufnahme „deutliche (!) Auffälligkeiten“ aufwies. Dies wurde als grober Behandlungsfehler gewertet, was eine Umkehrung der Beweislast auslöst, d. h. es wird vermutet, dass die Zahnfilm-Röntgenaufnahme ergeben hätte, dass der Zahn nicht hätte überkront werden dürfen und deshalb alle Folgen vom Zahnarzt zu vertreten sind.
    • Der nächste Fehler betrifft die Extraktion der Zähne 36 und 37: Die Indikation zur Extraktion wurde nicht dokumentiert, insbesondere wurde nicht dargelegt, dass eine Zahnerhaltung ‒ z. B. mithilfe einer endodontischen Behandlung ‒ nicht möglich war. Bei Zahn 36 sei überhaupt nicht nachvollziehbar, warum dieser Zahn entfernt wurde.
    • Darüber hinaus wurde der Patient offenbar nicht über Alternativen zur Extraktion ‒ u. a. eine endodontische Behandlung ‒ aufgeklärt. Damit war auch die Einwilligung des Patienten in die Extraktion unwirksam.
    • Schließlich wurde nach der Entfernung der Zähne 36 und 37 keine Anpassung der Unterkieferprothese vorgenommen, weshalb der Patient nicht richtig kauen konnte.
    • Schließlich wiesen die Kronen im Oberkiefer keinen ausreichenden Randschluss auf, was zu Schäden an den Zähnen führte.

     

    Paradebeispiel für „So sollten Sie es nicht machen!“

    Dieser Fall zeigt exemplarisch, wie man es nicht machen sollte und eben auch, was bei bzw. vor einer zahnärztlichen Behandlung zu beachten ist:

    • Vor jeder Überkronung sollte eine sorgfältige Untersuchung der Zähne erfolgen ‒ auch röntgenologisch.
    • Alle wesentlichen Untersuchungen und Behandlungsschritte müssen dokumentiert werden.
    • Der Patient ist über Behandlungsalternativen und Risiken aufzuklären.
    • Nach Extraktionen muss der ggf. vorhandene Zahnersatz angepasst werden.
    • Kronen müssen einen ausreichenden Randschluss aufweisen.
    Quelle: Ausgabe 08 / 2021 | Seite 2 | ID 47524907