· Fachbeitrag · Internetrecht
Auch anonyme Ärztebewertungen im Internet sind zu dulden
von Rechtsanwalt Dr. Philipp Beisteiner, Lehmann und Partner,Hannover, www.ralehmannundpartner.de
| Im Internet veröffentlichte, anonyme Bewertungen von Ärzten sind Werturteile. Wegen mangelnder Fachkunde der Patienten kann kein Anspruch auf objektive Richtigkeit gestellt werden. Dies folgt aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 3. August 2011 (Az: I-3U196/10, Abruf-Nr. 114032 ). |
Der Fall
Ein Psychotherapeut versuchte sich gegen eine negative Bewertung im Internet zu wehren, weil er sie falsch und diffamierend empfand.
Das Urteil
Das OLG hat die Entscheidung des Landgerichts aus erster Instanz bestätigt und gegen den Psychotherapeuten entschieden, denn in allen Fällen, in denen Ärzte im Internet bewertet werden, ist das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Artikel 5 Grundgesetz) tangiert. Bewertungen eines Arztes betreffen zudem nur dessen beruflichen Wirkungskreis, die sogenannte „Sozialsphäre“. Dies hat zur Folge, dass das Spektrum der erlaubten Meinungsäußerung weiter reicht, als den Betroffenen lieb ist, denn niemand hat ein Recht darauf, in der Öffentlichkeit so wahrgenommen und dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist.
Erst, wenn eine Äußerung die Schwelle zur sogenannten Schmähkritik überschreitet, besteht Anspruch darauf, die Äußerung zu unterlassen. Der Anspruch kann auch gegen den Betreiber des Internetportals geltend gemacht werden.
PRAXISHINWEISE | Die Entscheidung des OLG Hamm ist kein Freibrief, anonym herabsetzende Werturteile im Internet verbreiten zu dürfen. Weiterhin gilt: Sobald eine Äußerung schwerwiegende Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht hat und beispielsweise eine Art „Prangerwirkung“ mit sich bringt, besteht ein Unterlassungsanspruch gegen den Portalbetreiber. Einige Portale bieten Ärzten die Möglichkeit, selbst auf Einträge zu reagieren. Dies sollte wohl überlegt sein. Eine sachliche Klärung mit meist emotional aufgebrachten Verfassern dürfte wenig Aussicht auf Erfolg haben. Außerdem dürfte die Zeit des Arztes zu knapp bemessen sein, um munter drauf los zu bloggen. Zudem erhöht jeder weitere Eintrag die Suchmaschinenrelevanz. Das heißt, Bewertungen werden von Google & Co. weiterhin hoch gelistet, obwohl der Sachverhalt schon lange zurückliegt. Und: Gehen Sie nicht gegen jede banale Kritik vor. Wenn Sie den Eindruck haben, das hinzunehmende Maß sei überschritten, lassen Sie von einem Anwalt prüfen, ob die Beurteilung angreifbar ist. Manche Portale löschen Einträge bereits nach einem anwaltlichen Aufforderungsschreiben auch freiwillig, sodass oftmals ein Gerichtsprozess vermieden werden kann. |