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  • · Rechtsprechung

    Die Verletzung des N. lingualis bei einer Osteotomie ist nicht automatisch ein Behandlungsfehler

    Bild: ©ViktoriiaNovokhatska - stock.adobe.com

    von RA, FA MedR Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg, Hamburg, rechtsanwalt-schinnenburg.de

    | Es ist zwar selten, kommt aber immer wieder vor: Bei der operativen Entfernung eines unteren Weisheitszahns („Osteotomie“) wird der Nervus lingualis verletzt. In den meisten Fällen folgt nur eine Missempfindung für einige Zeit, in seltenen Fällen verbleibt eine dauernde Taubheit im Versorgungsbereich dieses Nerven, dessen Ausbreitungsgebiet die vorderen zwei Drittel der Zunge derselben Seite sind. Es handelt sich also nicht um einen geringfügigen Nachteil, was immer wieder Patienten veranlasst, Klagen gegen den behandelnden Zahnarzt anzustrengen. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hat in einem Beschluss vom 21.12.2020 einen Anspruch des Patienten auf Schadenersatz gegen die behandelnde Zahnärztin abgelehnt (Az. 4 U 1775/20). |

    Die Verletzung des N. lingualis als Behandlungsfehler

    Zunächst ist die Frage zu stellen, ob eine solche Verletzung des Nervus lingualis einen Behandlungsfehler darstellt. Dies dürfte sicher anzunehmen sein, wenn der Zahnarzt keine Maßnahmen zum Schutz des Nervens ergriffen hat, insbesondere den Nerv nicht mit einem Raspatorium geschützt hat, damit ein eventuell abrutschender Bohrer nicht an den Nerv gerät.

     

    Regelmäßig wird die Verwendung des Raspatoriums nicht gesondert in den Behandlungsaufzeichnungen dokumentiert ‒ so auch im Falle des OLG. Das könnte dem Patienten zugutekommen, in dem er sich darauf beruft, dass alles, was nicht dokumentiert wurde, auch nicht erfolgt ist. Jedoch muss nicht alles dokumentiert werden, z. B., dass Blut und Speichel abgesaugt wurden. Verfahrensschritte, die selbstverständliche Routine sind, müssen regelmäßig nicht dokumentiert werden. Hinzu kommt, dass nach ständiger Rechtsprechung die ärztliche Dokumentation nicht der Vorbereitung eines Haftungsprozesses dient. Außerdem ist es Sache des Patienten, einen Behandlungsfehler zu beweisen, und nicht Sache des Arztes, das Nichtvorliegen eines Fehlers. Deshalb kam das OLG im vorliegenden Fall zu dem Schluss, dass die behandelnde Zahnärztin ausreichende Maßnahmen zum Schutz des Nervens ergriffen hatte.