Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · (Zahn-)Arzthaftung

    Wann, wie und worüber? ‒ BGH-Urteil bestätigt die bisherige Rechtslage zur Patientenaufklärung

    von RA, FA MedR Dr. Kyrill Makoski, LL. M. (Boston University), Möller und Partner, Düsseldorf, moellerpartner.de

    | Arzthaftungsprozesse drehen sich häufig um den Zeitpunkt, die Form und den Inhalt der Patientenaufklärung. Auch mit der Einwilligung in die Behandlung befassen sich die Gerichte oft. In einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) die bisherige Rechtslage zu diesen Fragen bestätigt, wie sich an den Urteilsgründen sehr gut ablesen lässt. |

    Patient rügt mangelhafte Aufklärung und unzureichende Einwilligung ‒ BGH weist Haftungsklage ab, denn ...

    Streitig war die Operation eines Patienten an der Schulter. Es sollte zunächst eine Arthroskopie des Schultergelenks wegen einer Ruptur der Supraspinatussehne durchgeführt werden. Während der Operation stellte sich heraus, dass das Operationsziel mittels Arthroskopie nicht zu erreichen sein würde. Der Eingriff wurde deswegen intraoperativ erweitert, wobei u. a. die Supraspinatussehne refixiert wurde. In der Folge kam es zu Infektionen des Operationsbereichs, weswegen Revisionsoperationen notwendig wurden.

     

    Medizinische Behandlungsfehler konnten in diesem Fall ausgeschlossen werden. In seiner Haftungsklage rügte der Patient allerdings eine verspätete sowie unvollständige Aufklärung. Zudem behauptete er, er habe nicht in die Erweiterung des Eingriffs eingewilligt. Der BGH wies die Klage ab.

    ... der Patient wurde rechtzeitig aufgeklärt!

    In diesem Fall erfolgte das Aufklärungsgespräch am 05.10.2016. Zwei Tage später wurde der Patient stationär aufgenommen und operiert. Dieser zeitliche Abstand reichte dem BGH aus. Wie er bereits am 20.12.2022 entschieden hatte (Az. VI ZR 375/21), sieht die Vorgabe des § 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB keine vor der Einwilligung einzuhaltende „Sperrfrist“ vor, deren Nichtenthaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen würde. Es reiche aus, dass der Patient so rechtzeitig aufgeklärt werden muss, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen kann. Dies war hier gegeben. Spätestens mit dem Erscheinen im Krankenhaus hatte der Patient deutlich zu erkennen gegeben, dass er dem Eingriff zustimmte.

    ... die Aufklärung umfasste auch Behandlungsalternativen und eine mögliche intraoperative Erweiterung!

    Des Weiteren wurde in diesem Fall bemängelt, dass der Patient nicht hinreichend über die Möglichkeit der intraoperativen Erweiterungen aufgeklärt worden sei. Grundsätzlich ist es erforderlich, dass der Patient vor chirurgischen Eingriffen, bei denen der Arzt die ernsthafte Möglichkeit einer Operationserweiterung oder des Wechsels in eine andere Operationsmethode in Betracht ziehen muss, hierüber und die damit ggf. verbundenen besonderen Risiken aufzuklären ist. Nach den in diesem Fall getroffenen Feststellungen sind diese Anforderungen erfüllt worden. So wurde der Patient über die Möglichkeit einer Änderung der Operationsmethode aufgeklärt. So hatte der Arzt ausgesagt, dass er in derartigen Fällen immer darauf hinweise, dass ggf. ein etwas größerer Schnitt durchgeführt werde, als er allein für die Arthroskopie notwendig sei. Der vom Patienten unterzeichnete Aufklärungsbogen enthielt ebenfalls Hinweise auf genau diese Alternative.

    ... die Einwilligung des Patienten beschränkte sich nicht auf eine bestimmte Methode!

    Schließlich versuchte der Patient noch zu argumentieren, dass die von ihm erklärte Einwilligung alleine auf die arthroskopische Methode beschränkt sei und die Erweiterung davon nicht umfasst sei. Diese Behauptung konnte jedoch von den Gerichten nicht nachvollzogen werden.

     

    MERKE | Zum Umfang der Aufklärung hatte schon die Erstinstanz (Landgericht [LG] Frankfurt/Main, Urteil vom 20.01.2022, Az. 2-14 O 77/20) den Aufklärungsbogen herangezogen sowie den Patienten, dessen Ehefrau und den Arzt als Zeugen vernommen. Daraus ergab sich nicht, dass im vorliegenden Fall der Eingriff ausschließlich arthroskopisch erfolgen sollte. Denn dies hätte bedeutet, bei intraoperativ festgestellten Besonderheiten den Eingriff ohne Versorgung des betroffenen Bereiches abzubrechen. Eine derart weitgehende Einschränkung der intraoperativen Reaktionsmöglichkeiten der behandelnden Ärzte hätte ausdrücklich festgehalten werden müssen. Im vorliegenden Fall ist besonders zu berücksichtigen, dass auch bei der Erweiterung des Eingriffs keine zusätzlichen Infektionsrisiken bestanden. Der vom LG beauftragte Sachverständige hatte ausdrücklich festgestellt, dass es keine entsprechenden Unterschiede gibt.

     

    Zusammenfassung: Das gilt für die Patientenaufklärung

    Die Aufklärung muss zwar so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient noch Überlegungszeit hat. Es gibt aber keine zeitliche Mindestfrist zwischen Aufklärung, Einwilligung und Eingriff. Insbesondere gibt es keine Mindestfrist von 24 Stunden. Soweit teilweise hierauf verwiesen wird, handelt es sich um eine Fehlinterpretation der Gesetzgebungsmaterialien. Dort wird davon gesprochen, dass die Aufklärung im Regelfall am Vortag stattzufinden hat. Die Frist kann aber auch kürzer sein, solange der Patient ohne Druck die Möglichkeit hat, dem Eingriff zu widersprechen. Nicht ausreichend ist es hingegen, den Patienten erst bei der Aufnahme, aber vor der präoperativen Vorbereitung aufzuklären. Denn auch dann fühlt sich der Patient in aller Regel schon unter Druck gesetzt, dem Eingriff auch tatsächlich zuzustimmen.

     

    PRAXISTIPP | Sollte der Operateur schon vor dem Eingriff die Gefahr sehen, dass der Eingriff ggf. erweitert oder umgestellt werden muss, sollte er dies im Rahmen des Aufklärungsgesprächs mit dem Patienten erörtern und dessen Zustimmung dafür einholen, damit der Eingriff medizinisch sinnvoll durchgeführt werden kann. Denn in den meisten Fällen wird es kaum möglich sein, den Eingriff zu unterbrechen, den Patienten aufzuklären (nach Abklingen der Narkose) und dann den Eingriff fortzusetzen. Bei einer umfassenden Operationsplanung sollten die verschiedenen Varianten ohnehin berücksichtigt werden.

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2024 | Seite 7 | ID 50028638