· Zahnärztliche Versorgung
Die Kooperation nach § 119b SGB V zwischen dem niedergelassenen Zahnarzt und dem Pflegeheim
von RA Anno Haak, LL.M. Medizinrecht, Bonn, lennmed.de
| In Zeiten des demografischen Wandels gewinnt die zahnärztliche Versorgung pflegebedürftiger und insbesondere immobiler Patienten zunehmend an Bedeutung. Der Gesetzgeber hat darauf bereits vor gut zehn Jahren mit dem „Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung“ (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) und der dortigen Einführung des § 119b in das Fünfte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB V) reagiert. Damit wurde Vertragszahnärzten die Möglichkeit einer formalisierten Kooperation mit Pflegeheimen im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung eröffnet. Der folgende Beitrag nennt die Voraussetzungen einer solchen Kooperation. |
Die kooperative Zusammenarbeit an sich gibt es schon länger
Noch vor dem In-Kraft-Treten des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes im Jahr 2008 hatte der Gesetzgeber zunächst sogar vorgesehen, dass Pflegeeinrichtungen zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung ermächtigt werden und zur Erfüllung des Versorgungsauftrags Zahnärzte hätten anstellen können. Dies ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens verändert worden. Gesetz wurde letztlich die Möglichkeit einer Kooperation einschließlich der Einführung gesonderter Abrechnungspositionen im Bundesmantelvertrag ‒ Zahnärzte (BMV-Z) nach § 87 Abs. 2j SGB V.
Die Einzelheiten wurden erst im Jahr 2014 in einem Rahmenabkommen zwischen den Gesamtvertragspartnern auf Bundesebene festgelegt (§ 119b Abs. 2 SGB V). Diese Vereinbarung, die als Anlage 12 Teil des BMV-Z ist, gibt noch heute die maßgeblichen Inhalte einer Kooperation vor.
Nur Pflegeheime im engeren Sinn können Vertragspartner sein
Geeignet für die Kooperation im Rahmen des § 119b SGB V sind nur Pflegeheime, die einen Versorgungsauftrag im Rahmen der gesetzlichen Pflegeversicherung nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XI) haben. Das sind sog. zugelassene Pflegeeinrichtungen nach § 72 SGB XI, also die klassischen Alterspflege- und Wohnheime.
Das sollte Ihre Kooperationsvereinbarung regeln
Das Rahmenabkommen von 2014 kann als Gerüst für den Kooperationsvertrag eines Zahnarztes mit einem stationären Pflegeheim dienen (aktueller Stand vom 07.11.2019 unter iww.de/s3307). Eine Kooperationsvereinbarung sollte mindestens die Regelungen der § 2 bis § 4 des Rahmenabkommens enthalten ‒ eine Individualisierung ist aber dringend anzuraten. Wenn ein Vertragszahnarzt einen Kooperationsvertrag mit stationären Pflegeeinrichtungen abschließt, sind folgende sachliche Inhalte zwingend:
- Der Kooperationszahnarzt muss sich auf die Förderung und Einhaltung bestimmter Qualitäts- und Versorgungsziele verpflichten, insbesondere
- vorbeugender Erhalt und Verbesserung der Mundgesundheit,
- dadurch Vermeidung von beschwerdeorientierter Inanspruchnahme und von Krankentransporten sowie
- Stärkung der Koordination der unterschiedlichen Facetten der Gesundheitsversorgung Pflegebedürftiger.
- Zu diesem Zweck muss sich der Vertragszahnarzt zu bestimmten Leistungen verpflichten, insbesondere
- eingehende Untersuchung der Bewohner bis zu zweimal im Jahr,
- zeitnahe Erstuntersuchung von neu aufgenommenen Bewohnern,
- praktische Anleitung zum Erhalt der Hygiene und Gesundheit der Gebisse und Prothesen an Pflegebedürftige und das Pflegepersonal,
- regelmäßige Gespräche mit der Leitung der Einrichtung und anderen versorgenden Ärzten und Pflegepersonal.
Darüber hinaus sind folgende sachliche Inhalte fakultativ, aber empfehlenswert:
- Vereinbarung regelmäßiger Besuche ohne anlassbezogene Anforderung
- Aufbewahrung der sog. Bonushefte und (evtl. entsprechend erteilter Schweigepflichtsentbindung) der Behandlungsdokumentation
- Regelungen zu einer etwaigen Rufbereitschaft außerhalb der üblichen Sprechzeiten, insbesondere an Wochenenden und Feiertagen
Formell dringend geregelt werden sollten zudem:
- Laufzeit und Kündigung der Kooperationsvereinbarung: Im Interesse möglichst hoher Flexibilität wird zu kurzen Kündigungsfristen bei unbestimmter Laufzeit geraten.
- Antikorruptionsvorschriften nach § 299a, § 299b Strafgesetzbuch: Nach § 1 Abs. 2 S. 2 Rahmenabkommen muss vereinbart werden, dass keine Zuweisung gegen Entgelt erfolgt. D. h., es ist ausdrücklich auszuschließen, dass
- der Zahnarzt dem Heim Zuwendungen macht, damit die Bewohner exklusiv ihm oder seinen Kooperationspartnern zugeführt werden,
- die freie Zahnarztwahl der Bewohner auf den Kooperationszahnarzt hin eingeschränkt wird (Hinweise und Infobroschüren für die Bewohner sind natürlich möglich). Die Kooperation soll und darf für die Bewohner und Pflegebedürftigen stets nur Angebot, aber nicht Pflicht sein.
Die Kooperationsvereinbarung ist mit der KZV abzustimmen
Die Kooperationsvereinbarungen bedürfen der engen Abstimmung mit der zuständigen KZV. Diese kann sich den Vertrag vorlegen lassen. Nicht nur, aber auch deshalb empfiehlt sich die Schriftform.
Im Übrigen stellt die KZV die Abrechenbarkeit der Sonderleistungen nach dem BEMA fest. Zumindest die im Bezirk des Unterzeichners zuständige KZV vergibt hierzu auch einen eigenen Stempel.
MERKE | Die KZV ist über die Kooperationsvereinbarung, Vertragsänderungen und die Beendigung der Kooperation zu unterrichten. Außerdem besteht für den Vertragszahnarzt die Pflicht, am Ende eines jeden Jahres die Zahl der in der Pflegeeinrichtung behandelten Patienten mitzuteilen. |
Das sind die Vorteile einer Kooperationsvereinbarung
Neben der natürlicherweise entstehenden Patientenbindung (und ggf. Akquisitionschancen betreffend die Angehörigen der Pflegebedürftigen) hat eine formalisierte Kooperation auch den Vorteil der Abrechenbarkeit bestimmter, spezieller BEMA-Positionen, die entsprechend dem gesetzlichen Auftrag nach § 87 Abs. 2j SGB V eingeführt wurden.
Nach Feststellung der Abrechenbarkeit durch die KZV sind das insbesondere die BEMA-Nr. 154 und die entsprechendem Zuschläge nach den BEMA-Nrn. 172, 172a und 172b für Besuche im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen. Aktuelle Zahlen nennt der Evaluationsbericht der KZBV und des GKV-Spitzenverbands vom 01.08.2019 (siehe AAZ 10/2019, Seite 2; iww.de/s3009). Details zur Abrechnung der jeweils zutreffenden Zuschläge finden Sie v. a. in der AAZ-Entscheidungshilfe für „Die richtige Berechnung der Zuschlagspositionen bei Besuchsgebühren“ in AAZ 10/2018, Seite 5 ff.
PRAXISTIPP | Andere Wohn- und Betreuungseinrichtungen nach dem deutschen Sozialrecht können nicht Partner einer Kooperation nach § 119b SGB V sein (so z. B. stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe nach dem SGB XII). Es ist indes selbstverständlich nicht verboten, auch mit solchen Einrichtungen Kooperationen zu vereinbaren. Sofern eine Betreuung vor Ort in den Einrichtungen erfolgen soll, gelten für die Abrechnung dann die Voraussetzungen, die ansonsten an „Hausbesuche“ bei Patienten zu stellen sind.
Das gilt dementsprechend auch für Kooperationen mit privat versicherten Patienten in Pflegeeinrichtungen und Wohnheimen. |
Weiterführende Hinweise
- Entscheidungshilfe für „Die richtige Berechnung der Zuschlagspositionen bei Besuchsgebühren“ in AAZ 10/2018, Seite 5
- Beitrag „Neue BEMA-Leistungen für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen zum 01.07.2018“ in AAZ 06/2018, Seite 2; mit typischen Fallsituationen und deren Abrechnung in AAZ 07/2018, Seite 4
- Beitrag „Die richtige Abrechnung der Besuchstätigkeit bei Kassen- und Privatpatienten“ in AAZ 02/2018, Seite 9
- Beitrag „Immer mehr Kooperationsverträge mit Pflegeheimen“ in AAZ 10/2019, Seite 1
- Evaluationsbericht von KZBV und GKV-Spitzenverband zur Entwicklung der Zahl der Kooperationsverträge und Kooperationspartner von Juni 2014 bis zum 31.12.2018 sowie damit im Zusammenhang stehender Leistungen i. S. d. § 87 Abs. 2j SGB unter iww.de/s3009
- Aktuelles Rahmenabkommen als Anlage 12 des BMV-Z unter iww.de/s3307
- Beitrag „Neue BEMA-Ziffern für Behandlungen in stationären Pflegeeinrichtungen zum 01.04.2014“ in AAZ 03/2014, Seite 2; mit Abrechnungsbeispielen in AAZ 04/2014, Seite 4