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  • · Fachbeitrag · Zivilrecht

    Für die Sicherung von Beweisen entscheidend:Wem gehört der Zahnersatz eigentlich?

    von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Torsten Münnch, Dierks + Bohle Rechtsanwälte, Berlin, www.db-law.de 

    | Im Streitfall stellt der angeblich mangelhafte Zahnersatz ein wichtiges Beweisstück dar. Doch viele Zahnärzte befürchten, dass der Patient den Zahnersatz inzwischen hat nachbearbeiten lassen oder ihn durch eigenes Tragen verändert hat. Insofern stellt sich die Frage: Wem gehört der Zahnersatz eigentlich - dem Patienten oder dem Zahnarzt? Dieser Beitrag ordnet die Frage juristisch ein und beantwortet sie. |

    Die Frage ist praktisch relevant

    Nicht selten wird eine harmonische Zahnarzt-Patienten-Beziehung durch unterschiedliche Vorstellungen über das Aussehen oder einen mangelhaften Sitz des Zahnersatzes erheblich belastet. Es stellt sich dann die Frage, wem eigentlich der Zahnersatz gehört, bevor die Behandlung abgebrochen wurde. Zum einen ist die Antwort relevant, wenn nach Behandlungsabbruch um die Zahnarztrechnung gestritten wird. Hierbei wird von Patienten oft behauptet, der Zahnersatz sei unbrauchbar, weshalb die Rechnung nicht beglichen wird. Zum anderen kann es um den finanziellen Ausgleich von Schmerzen und Schäden gehen, die der Patient zum Beispiel beim Tragen des lediglich provisorisch eingegliederten Zahnersatzes erlitten haben will.

     

    Zahnärzte beschleicht häufig ein Verdacht

    In den sich daraus entwickelnden Streitigkeiten hegen betroffene Zahnärzte dann oftmals den Verdacht, der Zahnersatz sei möglicherweise durch Nachbearbeitung bei einem Kollegen oder durch weiteres Tragen verändert worden. Derartige Befürchtungen würden gar nicht erst aufkommen, wenn der Zahnarzt berechtigt wäre, den Zahnersatz - zum Beispiel im Verlauf des letzten Behandlungstermins - an sich zu nehmen. Doch ist der Zahnarzt hierzu berechtigt, d.h. ist er Eigentümer des Zahnersatzes?

     

    Patient ist Eigentümer bei fester Verbindung mit dem Körper

    Die Frage nach dem Eigentum stellt sich nur solange, wie es noch nicht zu einer festen Verbindung des Zahnersatzes mit dem menschlichen Körper gekommen ist - spätestens dann ist der Träger nämlich Eigentümer. Hintergrund ist, dass der Zahnersatz zwar eine „Sache“ ist - nur diese kann Gegenstand des Eigentums sein -, diese Sacheigenschaft allerdings verliert, sobald er untrennbar mit dem Körper eines lebenden Menschen verbunden wird.

     

    Keine spezielle Regelung für Zahnersatz

    Mit einer derartigen Verbindung geht also nicht nur die Sacheigenschaft zum Beispiel der Krone, sondern auch jedes Eigentumsrecht des Zahnarztes an ihr unter, denn Eigentumsrechte am lebenden menschlichen Körper oder an Teilen davon kennt das deutsche Recht nicht. Dem steht schon die Unantastbarkeit der Menschenwürde (Artikel 1 Grundgesetz) entgegen. Ist es hingegen noch nicht zu einer festen Verbindung des Zahnersatzes mit dem menschlichen Körper gekommen - insbesondere bei der lediglich provi-sorischen Eingliederung zur Prüfung des richtigen Sitzes -, stellt sich die Frage, ob es im Laufe der Behandlung zu einem Eigentümerwechsel kommt. Eine speziell auf Zahnersatz zielende Rechtsvorschrift gibt es nicht. Die Frage der Eigentümerschaft kann also nur mithilfe der dafür bestehenden allgemeinen Rechtsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gelöst werden.

    Keine Übergabe des Zahnersatzes - kein Eigentumsverlust

    Um das Eigentum an einer Sache von einer Person auf eine andere zu übertragen, bedarf es nach den Vorschriften des BGB zweierlei - der „Einigung“ und der „Übergabe“: Zum einen müssen sich der bisherige Eigentümer (der Zahnarzt) und der Erwerber (der Patient) darüber einig sein, dass das Eigentum übergehen soll („Einigung“). Zum anderen muss die Sache übergeben werden („Übergabe“). Schon an der Übergabe kann man im Falle des Zahnersatzes ganz erhebliche Zweifel haben.

     

    Patient erhält Besitz am Zahnersatz

    Für eine Übergabe ist es nämlich notwendig, dass der Erwerber die tatsächliche Gewalt über die Sache - den sogenannten Besitz - erhält. Das trifft auf den Patienten zweifellos zu, denn wenn der Zahnersatz in seinem Mund provisorisch eingegliedert ist, hat er allein die tatsächliche Gewalt hierüber. Zusätzlich darf der bisherige Eigentümer, also der Zahnarzt, keinen Besitz behalten. Zu denken ist hierbei an den sogenannten „mittelbaren Besitz“.

     

    Zahnarzt bleibt jedoch mittelbarer Besitzer

    Mittelbarer Besitzer an einer Sache bleibt derjenige, der seinen unmittelbaren Besitz an ihr zur Erfüllung von vertraglichen Verpflichtungen an den Vertragspartner zeitweise abgegeben hat. So liegt es hier: Der Patient soll den Zahnersatz nur auf Zeit tragen. Dieses Probetragen ist Teil der Behandlung und damit lediglich ein Teil der geschuldeten Behandlungsmaßnahmen. Zeigen sich während des Probetragens Probleme, schuldet der Zahnarzt Nachbesserungen. Erst wenn „alles passt“, soll der Besitz aufgegeben werden. Ergebnis: Der Zahnarzt verliert seinen Besitz am Zahnersatz nicht - er bleibt vielmehr zunächst „mittelbarer Besitzer“.

     

    Aber auch die erste Voraussetzung des Eigentumsübergangs, nämlich die Einigung zwischen Zahnarzt und Patient, dass das Eigentums übergehen soll, ist letztlich nicht erfüllt: Während der Probephase will der Zahnarzt noch keinen Eigentumsübergang bewirken, um seine Einwirkungsmöglichkeit auf den Zahnersatz zum Zwecke der Nachjustierung nicht zu verlieren.

     

    FAZIT | Wird der Behandlungsvertrag vor der endgültigen Eingliederung des Zahnersatzes gekündigt, ist das Eigentum am Zahnersatz noch nicht auf den Patienten übergegangen. Der Zahnarzt kann also zum Beispiel die Prothese an sich nehmen. Der Patient hat jedoch das Recht, Einsicht in die Patientenakte zu nehmen. Und zur Patientenakte gehören auch Modelle und Prothese.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 21 | ID 42700884