· Mehrwertsteuer
Umsatzsteuersätze für ein halbes Jahr gesenkt‒ was Sie als Zahnarzt beachten müssen
von StB Björn Ziegler, LZS Steuerberater, lzs.de
| In ihrer Überraschungsentscheidung zum Konjunkturpaket hat die Bundesregierung beschlossen, die Mehrwertsteuersätze von 19 auf 16 Prozent bzw. von 7 auf 5 Prozent zu senken. Die Änderung gilt für die Zeit von 01.07. bis 31.12.2020. Nachstehend lesen Sie, was Sie in Ihrer Zahnarztpraxis beachten müssen. |
Abgrenzung: Wann gilt welcher Steuersatz?
Die Steuersätze haben sich zum 01.07.2020 geändert. Zum 01.01.2021 sollen wieder die vorherigen Steuersätze gelten. Rund um diese Stichtage mussten bzw. müssen Sie bei Leistung und Rechnungstellung besonders genau hinschauen. Zahnärzte mit Eigenlabor und Umsatzsteuer betrifft das auch bei der eigenen Rechnungstellung, alle anderen Zahnärzte zumindest beim Rechnungseingang.
Der für die Rechnung richtige Steuersatz richtet sich dabei ausschließlich danach, ob eine Leistung vor oder nach dem Stichtag erbracht wurde. Wann Sie die Rechnung schreiben oder erhalten oder wann bezahlt wird, ist unwichtig. Das beeinflusst lediglich, wann die Umsatzsteuer an das Finanzamt zu zahlen ist.
Der steuerlich relevante Zeitpunkt: Wann ist eine Leistung erbracht?
Zum steuerlich relevanten Zeitpunkt der Leistungserbringung gilt Folgendes:
- Arbeiten der Zahnprothetik: Werkleistungen und damit auch Arbeiten der Zahnprothetik enden mit Vollendung des Werkes (Übergabe und Abnahme). Die Abnahme von Zahnprothetik erfolgt in der Regel bei Eingliederung.
- Dienstleistungen sind mit Abschluss der Arbeiten erfüllt.
- Dauerleistungen sind an dem Tag erbracht, an dem der vereinbarte Leistungszeitraum endet.
- Lieferungen sind in der Regel erbracht, wenn der Kunde die Ware abholt oder bei Versand mit Übergabe an den Paketdienst/Spediteur (Verschaffung der Verfügungsmacht).
- Teilleistungen (z. B. Monatsmiete, Zwischenabnahmen) können vereinbart werden und wirken entsprechend.
Entscheidend ist immer, was vertraglich geregelt ist. In der Zahnarztpraxis betrifft das konkret folgende Punkte:
- Leasing von Pkw oder Geräten: Teilleistungszeitraum ist hier in der Regel der Monat.
- Handwerkerleistungen: Solange nicht ausdrücklich Teilleistungen vereinbart sind, wird eine einheitliche Leistung erbracht, die erst bei Abnahme fertiggestellt ist.
- Energie: Die Leistung ist erst mit dem Ende des Ablesezeitraums erbracht, die monatlichen Abschläge zählen nicht als Teilleistung. Es kann aber ggf. zu einer Zwischenabrechnung oder Aufteilung in der Schlussrechnung kommen (einzelfallabhängig).
- Wartungsverträge und Abonnements: Es kommt auf den vertraglich vereinbarten Leistungszeitraum an. Ist dieser nicht klar, sollte er konkretisiert werden. Jahresverträge, die am 31.12.2020 enden, sind also von der Steuersatzsenkung betroffen.
Stichtag 01.01.2021: Besondere Aufmerksamkeit erforderlich
Die neuen Steuersätze machen erforderlich, dass Sie bei der Rechnungstellung und Buchhaltung die Stichtage 01.07.2020 und 01.01.2021 besonders im Auge haben. Kurz zusammengefasst gilt für die Standardfälle:
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Standardfall | Anzuwendender Steuersatz |
Rechnung im zweiten Halbjahr 2020 für Leistung des ersten Halbjahres | Der bisherige Steuersatz 19 bzw. 7 Prozent gilt. |
Rechnung im zweiten Halbjahr 2020 für eine Leistung des zweiten Halbjahres | Der neue Steuersatz 16 bzw. 5 Prozent gilt. |
Vorschussrechnung im Juni 2020 für Leistung, die erst im zweiten Halbjahr 2020 erbracht wird | Der neue Steuersatz 16 bzw. 5 Prozent gilt. |
Vorschussrechnung im zweiten Halbjahr für Leistungen, die erst nach dem Jahreswechsel erbracht werden | Der bisherige Steuersatz 19 bzw. 7 Prozent gilt. |
Erbringen Sie selbst umsatzsteuerpflichtige Leistungen, benötigen Sie in jedem Fall Anpassungen in Ihrem Abrechnungssystem.
MERKE | Bei der Beurteilung der Umsatzsteuerpflicht sind alle unternehmerischen Aktivitäten und Unternehmensteile einzubeziehen. Wenn der Gesamtumsatz der Praxis bei umsatzsteuerpflichtigen Leistungen zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 Euro (22.000 Euro ab 2020) nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigt, greift die Regelung zur Besteuerung von Kleinunternehmern. In diesen Fällen wird keine Umsatzsteuer erhoben und der Zahnarzt ist nicht verpflichtet, in seinen Rechnungen für eigentlich umsatzsteuerpflichtige Leistungen Umsatzsteuer auszuweisen. Er muss daher keine Umsatzsteuer an das Finanzamt zahlen. |
Gestaltungspotenziale ausloten
Gewinnen können Sie durch die Steuersatzänderung insbesondere beim Einkauf, denn für die meisten Eingangsrechnungen Ihrer Praxis erhalten Sie die enthaltene Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer vom Finanzamt zurück. Lediglich beim Einkauf von Material und Geräten für das umsatzsteuerpflichtige Eigenlabor interessiert Sie der Mehrwertsteuersatz nicht, denn hier bekommen Sie die enthaltene Mehrwertsteuer voll erstattet.
Indem Sie Leistungen gezielt im zweiten Halbjahr erbringen oder einkaufen, können Sie vom niedrigeren Steuersatz profitieren. Ob Sie sich im zweiten Halbjahr eine Behandlungseinheit oder ein neues Röntgengerät installieren lassen, ein neues Auto kaufen oder am Privathaus die Fassade erneuern: Bei großen Rechnungsbeträgen lohnt es sich. Lieferung bzw. Abnahme müssen aber vor Jahresende erfolgen.
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Beim Kauf eines Intraoralscanners im zweiten Halbjahr 2020 mit einem Netto-Verkaufspreis von 35.000 Euro macht die Ersparnis durch die Mehrwertsteuersenkung 1.050 Euro aus: Statt 41.650 Euro sind dann 40.600 Euro brutto zu zahlen. |
PRAXISTIPP | Bei langfristigen Projekten wie einer kompletten Praxiseinrichtung können Teilleistungen vereinbart werden, um eine auch für die Umsatzsteuer wirksame Zwischenabrechnung beispielsweise am Jahresende zu erzeugen. Betrifft Sie das, sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater. Wichtig dabei: Mit einer Zwischenabnahme beginnt auch die Gewährleistung für diesen Teil früher. |
Wichtige Maßnahmen im Dezember
Vor der nächsten Umstellung der Mehrwertsteuer im Dezember sind folgende Maßnahmen wichtig:
- Abrechnungssoftware: Passen Sie die Steuersätze in der Abrechnungssoftware an und erstellen Sie ggf. zusätzliche Rechnungsformulare.
- Buchhaltung: Organisieren Sie frühzeitig, dass Rechnungstellung und Zahlungseingänge mit den verschiedenen Steuersätzen auch für Ihren Steuerberater leicht erkennbar bleiben (gesonderter Nummernkreis der Rechnungen, sichtbar anderes Layout, Vermerke/Stempel etc.). Und nehmen Sie mit Dauerdienstleistern Kontakt auf, um die Rechnungsanpassung sicherzustellen.
- Daueraufträge: Daueraufträge für Miete etc. müssen rechtzeitig in Rücksprache mit den Leistenden angepasst werden.
- Zählerstände: Zählerstände für Energie, Wasser, Kilometer etc. sollten sicherheitshalber zum Stichtag aufzeichnet werden, falls Ihr Dienstleister sie für eine Zwischenabrechnung verwendet.
- Größere Eingangsrechnungen: Prüfen Sie bei größeren Eingangsrechnungen in den nächsten Monaten immer, ob der Steuersatz zum Leistungsabschluss passt.
FAZIT | Die spontane Senkung der Mehrwertsteuersätze war politisch ein schönes Signal. Der organisatorische Aufwand hierfür ist jedoch gigantisch und wurde bei der Entscheidungsfindung wohl nicht bedacht. Profitieren können Sie hiervon insbesondere bei größeren Investitionen in Ihre Praxis oder im Privatbereich durch gezielte Leistungsabnahme im zweiten Halbjahr. |