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  • · Fachbeitrag · Personengesellschaften

    Eingeschränkte Abfärbewirkung bei Beteiligungseinkünften

    von RiFG Prof. Dr. Volker Kreft, Bielefeld

    | Eine der großen Steuerfallen des Ertragsteuerrechts ist bei Personengesellschaften, die nicht insgesamt gewerbliche Einkünfte erzielen, die Abfärbewirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Nachdem der BFH für Gesellschaften, die neben nicht gewerblichen Einkünften auch solche aus einer originär gewerblichen Tätigkeit (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 EStG) erzielen, bereits zuvor entschieden hatte, dass geringfügige gewerbliche Einkünfte nicht zur Abfärbung führen, hat der BFH (6.6.19, IV R 30/16) jetzt auch zur 2. Alt. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG eine für die Gestaltungspraxis günstige Entscheidung getroffen. |

    1. Problemstellung

    Einkommensteuerrechtlich gelten die Einkünfte einer Personengesellschaft nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in zwei Fällen insgesamt als gewerblich. Diese Abfärbewirkung greift ein, wenn

    • zu den Einkünften einer Personengesellschaft auch Einkünfte aus originär gewerblicher Tätigkeit (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 EStG) oder
    • aus der Beteiligung an einer anderen gewerblichen Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG) gehören.

     

    1.1 Originär gewerbliche Nebeneinkünfte

    Für Gesellschaften, die neben nicht gewerblichen Einkünften auch solche aus einer originär gewerblichen Tätigkeit (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 EStG) erzielen, hatte der BFH sich bereits in mehreren Entscheidungen vom 27.8.14 (VIII R 6/12; VIII R 41/11; VIII R 16/11) zur Problematik einer Abfärbung bei nur geringfügigen gewerblichen Einkünften geäußert. Danach werden Einkünfte einer Personengesellschaft dann nicht insgesamt nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu solchen aus Gewerbebetrieb umqualifiziert, wenn die Nettoumsatzerlöse aus dieser Tätigkeit 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 EUR im VZ nicht übersteigen.

     

    • Beispiele
    • 1. Eine freiberuflich tätige Rechtsanwalts-GbR überträgt einem angestellten Rechtsanwalt die eigenverantwortliche Durchführung von Insolvenzverfahren in geringem Umfang.

     

    • Lösung: Die GbR erzielt insgesamt freiberufliche Einkünfte, sofern von einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG des jeweiligen Berufsträgers in Bezug auf die von dem Arbeitnehmer verrichteten Tätigkeiten ausgegangen werden kann (ansonsten bereits insgesamt originär gewerbliche Einkünfte der GbR).
    • 2. Eine freiberufliche, in der Rechtsform einer GbR tätige Werbeagentur erzielt auch gewerbliche Einkünfte durch die (gewerbliche) Vermittlung von Druckaufträgen gegen Provision.

     

    • Lösung: Keine Umqualifizierung der im Übrigen freiberuflichen Tätigkeit, wenn die Nettoumsatzerlöse aus den Provisionen 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft oder den Betrag von 24.500 EUR nicht übersteigen.
     

    1.2 Gewerbliche Beteiligungseinkünfte

    Fraglich war in der Folge dieser Rechtsprechung nun, ob eine solche Geringfügigkeitsgrenze auch für den Fall der 2. Alt. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt, dass eine ansonsten nicht gewerblich tätige Personengesellschaft auch Einkünfte aus einer gewerbliche Beteiligung erzielt.

     

    Eine KG erzielte hauptsächlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen. Daneben wurden ihr in geringem Umfang (negative) gewerbliche Einkünfte aus Beteiligungen an anderen Personengesellschaften zugerechnet. Die KG wehrte sich gegen die vom FA vertretene Rechtsauffassung, dass die Einkünfte aus der vermögensverwaltenden Tätigkeit durch die gewerblichen Beteiligungseinkünfte infiziert seien, mit dem Hinweis auf die vom BFH zur 1. Alt des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG entwickelte Geringfügigkeitsgrenze. Sie meinte, eine Erstreckung der Abfärbewirkung auf die übrigen nicht gewerblichen Einkünfte sei aufgrund dessen unverhältnismäßig.

     

    2. Neue Rechtsprechungsgrundsätze des BFH

    Die Klage und Revision gegen den entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheid hatten vordergründig keinen Erfolg. Der BFH kommt zu dem Schluss, dass einkommensteuerrechtlich gewerbliche Beteiligungseinkünfte unabhängig von ihrem Umfang immer zur Umqualifizierung nicht gewerblicher Einkünfte führen. Es handele sich insoweit um eine grundsätzlich zulässige gesetzliche Typisierung, mit der Einkünfte einer Einkunftsart insgesamt einer anderen Einkunftsart zugeordnet werden.

     

    Jedoch führt dies nach Auffassung des BFH nicht zu der gefürchteten Folge, dass die (umqualifizierten) gewerblichen Einkünfte nun auch vollumfänglich der Gewerbesteuer unterliegen. Im Hinblick auf die Gewerbesteuer sei die Abfärbewirkung aufgrund gewerblicher Beteiligungseinkünfte (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG) ‒ anders als die Abfärbewirkung bei originär gewerblicher Tätigkeit (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt 1 EStG) ‒ nur dann verfassungsgemäß, wenn die infolge der Abfärbung gewerblichen Einkünfte nicht gewerbesteuerbar seien. Nur so werde eine verfassungswidrige Schlechterstellung von Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmern vermieden.

     

    Der BFH stellte dabei im Wesentlichen auf den Gesetzeszweck des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ab. Danach dient die Vorschrift dem Schutz des Gewerbesteueraufkommens. Die Abfärbewirkung aufgrund originär gewerblicher Tätigkeit verhindere, dass infolge unzureichender Abgrenzungsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Tätigkeiten einer Gesellschaft gewerbliche Einkünfte der Gewerbesteuer entzogen werden. Diese Gefahr bestehe bei gewerblichen Beteiligungseinkünften nicht, sodass es insoweit keiner Abfärbewirkung bedürfe. Schließlich wies der BFH darauf hin, dass die gewerblichen Beteiligungseinkünfte, die bei der Obergesellschaft einkommensteuerrechtlich zur Gewerblichkeit der weiteren Einkünfte führen, bei ihr im Hinblick auf die gewerbesteuerliche Kürzung ohnehin nicht mit Gewerbesteuer belastet sind.

    3. Konsequenzen für die Gestaltungspraxis

    Mit der Besprechungsentscheidung besteht nun für die Gestaltungspraxis Rechtssicherheit im Bereich der Beratung von vermögensverwaltenden oder freiberuflich tätigen Personengesellschaften, die auch originäre gewerbliche Einkünfte erzielen oder sich an einer gewerblich tätigen Gesellschaft beteiligen. Zu einer einkommensteuerlichen Umqualifizierung kommt es danach im Grundsatz (Ausnahme: geringfügige originäre Einkünfte) in beiden Varianten. Gewerbesteuerliche Risiken bestehen dagegen nur in dem Fall, dass originäre gewerbliche Einkünfte oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze erzielt werden.

     

    Die Beratungspraxis sollte zudem bedenken, dass ‒ abhängig von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ‒ durch eine solche Umqualifizierung in gewerbliche Einkünfte insbesondere für die Personengesellschaften, die im Übrigen vermögenswaltend tätig sind, auch steuerrechtliche Vorteile generiert werden können. So sind nach einer Umqualifizierung Veräußerungsverluste steuerlich berücksichtigungsfähig und Teilwertabschreibungen möglich. Steuermindernde Rücklagen nach § 6b EStG können gebildet und Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG berücksichtigt werden. Zudem können auch die an das Betriebsvermögen anknüpfenden erbschaft- und schenkungsteuerlichen Freibeträge und Bewertungsabschläge in Anspruch genommen werden.

     

    PRAXISTIPP | Da es betroffenen Personengesellschaften in beiden Alternativen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG überlassen ist, etwaigen mit der Abfärbung verbundenen Belastungen durch entsprechende gesellschaftsrechtliche Gestaltung, insbesondere die Gründung einer zweiten, personenidentischen Gesellschaft, zu entgehen, besteht für die Gestaltungspraxis quasi eine Wahlmöglichkeit. Entweder werden Steuervorteile im gewerblichen Bereich genutzt oder eine Abfärbung wird vermieden, sofern damit überwiegend steuerliche oder sonstige Nachteile verbunden sind.

     

    Insbesondere bei Beteiligungen an anderen gewerblichen Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG) haben Einzelunternehmen eine solche Wahlmöglichkeit nicht. Ein Einzelunternehmer kann ‒ worauf der BFH ausdrücklich hinweist ‒ nicht ohne weiteres in seinem gewerblichen Einzelunternehmen auch dem Grunde nach nicht gewerbliche Tätigkeiten ausüben, um auf diese Weise von den Vorteilen gewerblicher Einkünfte zu profitieren.

     
    Quelle: Seite 328 | ID 46084465