· Fachbeitrag · Umsatzsteuern
Aus welchen Rechnungen darf der Zahnarzt die Vorsteuer ziehen?
von Steuerberaterin Catrin Stockhausen, Korbach
| Unternehmer dürfen Vorsteuerbeträge abziehen, wenn sie Eingangsleistungen für ihr Unternehmen beziehen und selbst umsatzsteuerpflichtige Umsätze erbringen. Dieser Zusammenhang gilt sowohl für 1:1 zuordnenbare Eingangsleistungen als auch für solche Eingangsleistungen, die indirekt mit der wirtschaftlichen Tätigkeit in Verbindung stehen. Gerade Zahnärzte, die häufig gemischte Umsätze erbringen, müssen dies beachten. |
Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug
Ein Zahnarzt darf von seinen Rechnungen die Vorsteuer abziehen, soweit er beabsichtigt, Leistungen für seine Praxis und damit für seine unternehmerischen Tätigkeiten zu verwenden, um damit entgeltliche Leistungen zu erbringen. Der Vorsteuerabzug hängt vom geplanten Ausgangsumsatz im Zeitpunkt des Leistungsbezugs ab. Verwendet der Unternehmer die Eingangsleistung anders, ist der Vorsteuerabzug zu korrigieren.
|
Ein CEREC-Gerät wurde angeschafft, um damit umsatzsteuerpflichtigen Zahnersatz zu fertigen. Dann dürfte der Zahnarzt aus der Rechnung die Vorsteuer ziehen. Wird das Gerät aber später entgegen der ursprünglichen Absicht auch für diagnostische Zwecke eingesetzt, muss der Vorsteuerabzug berichtigt werden. |
Allerdings gilt: Der Anspruch auf Vorsteuerabzug bleibt auch dann bestehen, wenn es später nicht zu den beabsichtigten Verwendungsumsätzen kommt. Zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Drei Fallgruppen sind beim Vorsteuerabzug zu unterscheiden:
Fallgruppe 1
Es besteht ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zu einzelnen Ausgangsumsätzen, die steuerpflichtig sind bzw. von § 15 Abs. 3 UStG erfasst werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ganz bestimmte steuerpflichtige Leistungen mit einem konkreten Gerät erbracht werden.
|
Ein Zahnarzt schafft ein CEREC-Gerät für 60.000 Euro an. Im Preis sind 9.580 Euro Umsatzsteuer enthalten. Mit dem Gerät fertigt er ausschließlich Keramik-Inlays an; er verwendet es nicht für Diagnosezwecke. Lösung: Es besteht ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangsleistung und steuerpflichtiger Ausgangsleistung. Der Zahnarzt kann die 9.580 Euro als Vorsteuer geltend machen. |
Fallgruppe 2
Hier besteht ein direkter unmittelbarer Zusammenhang zu einzelnen Ausgangsleistungen, die nicht der Umsatzsteuer unterliegen. In diese Gruppe fallen vor allem die nach § 4 Nr. 14 Buchst a UStG steuerbefreiten Heilbehandlungen. Beabsichtigt der Unternehmer aber bereits bei Leistungsbezug, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Wertabgabe im Sinne von § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG zu verwenden, ist er auch dann nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn er mit dieser Entnahme mittelbar Ziele verfolgt, die ihn nach seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigen würden.
|
Ein zahntechnisches Labor vermietet einem Zahnarzt Praxisräume im gleichen Gebäude. Damit die Zahnarztpraxis nicht wegzieht, übernimmt der Laborbetreiber die Kosten von Umbauleistungen. Obwohl die Umbauleistungen mittelbar dem Labor dienen, da es sehr oft vom Zahnarzt beauftragt wird, kann das Labor die Vorsteuer nicht ziehen, denn für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug ist es unerheblich, dass die bezogenen Umbauleistungen mittelbar der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Labors dienen. |
Der Fall ist einer Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf vom 23. Mai 2014 (Az. 1 K 1552/13 U, Abruf-Nr. 145540) nachgebildet: Eine Apothekerin hatte Kosten für Umbauten und Einrichtungen für eine Arztpraxis übernommen, damit das Mietverhältnis weiterbesteht. Bei Bezug der Leistungen stand von vornherein fest, dass die Gegenstände und Dienstleistungen den Ärzten ohne jede Gegenleistung zugewendet werden, weil die Ärzte keinen Vertrag unterschrieben hätten, wonach ihre Praxis an Ort und Stelle zu verbleiben hätte. Insoweit waren die Eingangsleistungen unmittelbar und direkt für unentgeltliche Umsätze der Apothekerin bestimmt, die nicht ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit dienten.
Fallgruppe 3
Fehlt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Eingangsleistung und einer oder mehrerer Ausgangsleistungen, so kann der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn die Kosten für die Eingangsleistungen zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und - als solche - in seine Preiskalkulation einfließen.
Die Aufteilung
Bestimmt sich ein Vorsteuerabzug mangels eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs nach der Gesamttätigkeit, ist zunächst zu prüfen, ob der Leistungsbezug (mittelbar) einer bestimmten Gruppe von Ausgangsumsätzen wirtschaftlich zugeordnet werden kann.
Ist das nicht möglich, ist die Vorsteuer nach der Gesamtschau des Unternehmens aufzuteilen. Dabei ist § 15 Abs. 4 UStG zu berücksichtigen. Danach sind die Vorsteuern nach ihrer wirtschaftlichen Zuordnung aufzuteilen.
Vor der Aufteilung muss der Unternehmer zunächst die Vorsteuerbeträge den zum Vorsteuerabzug berechtigenden und den nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen unmittelbar und wirtschaftlich zuordnen sowie getrennte Aufzeichnungen führen (§ 22 Abs. 3 S. 2 und 3 UStG; Abschnitt 22.4 UStAE). Jeder einzelne Leistungsbezug und jede Anzahlung ist zuzuordnen. Kommt der Unternehmer dieser Zuordnungsverpflichtung nicht nach, sind die den einzelnen Bereichen zuzuordnenden Leistungsbezüge und die darauf entfallenden Vorsteuerbeträge nach § 162 AO zu schätzen.
|
Ein Zahnarzt führt sowohl zum Vorsteuerabzug berechtigende (80 Prozent vom Gesamtumsatz) als auch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze (zum Beispiel kosmetische Behandlungen; 20 Prozent vom Gesamtumsatz) aus. Um für sein Leistungsspektrum zu werben, lässt er eine Internet-Homepage erstellen, auf der er sowohl über die Heilbehandlungsleistungen als auch über seine kosmetischen Leistungen informiert.
Lösung: Die Eingangsleistung wird unternehmerisch bezogen, kann aber nicht direkt und unmittelbar bestimmten Ausgangsumsätzen zugeordnet werden. Soweit die Eingangsleistung auch zur Ausführung von steuerfreien Umsätzen verwendet wird, besteht nach § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Die abziehbaren Vorsteuerbeträge sind nach § 15 Abs. 4 UStG zu ermitteln. Die Aufteilung der Vorsteuern hat nach Kostenzurechnungsgesichtspunkten zu erfolgen. Da keine andere Form der wirtschaftlichen Zurechnung erkennbar ist, ist der Umsatzschlüssel als sachgerechte Schätzmethode anzuerkennen (§ 15 Abs. 4 S. 3 UStG) |
|
Der Zahnarzt nutzt das CEREC-Gerät (60.000 Euro brutto, darin 9.580 Euro Umsatzsteuer) für dreidimensionale Aufnahmen, die mit der in das Gerät eingebauten Mundvideokamera angefertigt werden und dem Zahnarzt eine Entscheidung über Art und Umfang der Behandlung ermöglichen - also für steuerfreie Diagnosezwecke.
Lösung: In diesem Fall muss die Vorsteuer in einen nicht abziehbaren und in einen abziehbaren Teil aufgeteilt werden. Als Maßstab könnten zum Beispiel die Anteile an Diagnostik und Erstellung von Zahnersatz genommen werden, die den Patienten berechnet werden (BFH vom 28.11.96, V R 23/95, BStBl II 99, 251). |
Bei der Aufteilung von Vorsteuerbeträgen aus allgemeinen Aufwendungen des Unternehmens ist regelmäßig auf das Verhältnis der gesamten Umsätze im Besteuerungszeitraum abzustellen. Wird ein Aufteilungsschlüssel im Voranmeldungsverfahren vorläufig angewandt, zum Beispiel auf der Grundlage der Umsätze des vorangegangenen Jahres, führt die Festsetzung des endgültigen abweichenden Aufteilungsschlüssels zu einer Berichtigung der nach dem vorläufigen Aufteilungsschlüssel ermittelten Vorsteuerbeträge in der Jahresfestsetzung. Bei Gebäuden kommt regelmäßig eine Aufteilung nach den Nutzflächen in Betracht, insoweit die einzelnen Flächen jeweils ausschließlich für eine bestimme Umsatzart verwendet werden (zum Beispiel Zahnarztpraxis im Erdgeschoss, Labor im ersten Obergeschoss).