· Kommunikation
ICE: Kein Expresszug, sondern hilfreiche Fragetechnik im Patientengespräch
| Die Abkürzung ICE steht in der medizinischen Fachwelt für Ideas (Ideen), Concerns (Sorgen) und Expectations (Erwartungen). Die Fragetechnik aus der Humanmedizin ist zu Beginn zeitintensiver, hilft Patienten allerdings dabei, sich verstanden und gut versorgt zu fühlen, und kann so Grundlage für eine gelungene langfristige Patientenbindung sein. |
Die Kommunikationstrainerin und ihre Erfahrungen
Erstmals führte David Pendleton diese Begriffe in seinem 1984 publizierten Buch [1] über die Arzt-Patienten-Kommunikation ein. Helen Wall geht in ihrer Veröffentlichung von Juli 2020 im British Dental Journal [2] der Frage nach, in wie weit diese Fragetechnik für den Alltag in der zahnmedizinischen Praxis hilfreich ist. Helen Wall arbeitet als Zahnärztin und Kommunikationstrainerin in Großbritannien und zeigt Kollegen die Vorzüge dieser Patientenfokussierung auf. Zu Beginn müssen Behandelnde mehr Zeit in den Gesprächskontakt investieren. Wall merkt jedoch an, wie oft sich die Patienten, trotz fachlich einwandfreier Therapie, nicht gut versorgt fühlten. Dies führe zu Frust bei den Patienten, die sich dann wiederum bei ihren Zahnärzten beklagen oder diese meiden und anderen vor einer Behandlung abraten.
Komponenten und Stolpersteine der ICE-Fragetechnik
Die ICE-Fragetechnik besteht aus drei Komponenten. Jede davon hat ihre besonderen Stolpersteine, die es für die Behandelnden zu meistern gilt.
Ideen
Zunächst fragt die/der Behandelnde nach dem Krankheitsmodell des Patienten selbst. (Bsp.: „Erzählen Sie mir, was aus Ihrer Sicht die Ursache Ihres Problems ist.“) [3] So werden unrealistische Vermutungen der Patienten aufgedeckt und Wege für eine problemfokussierte Kommunikation bereitet.
Cave: Hierbei ist jedoch Behutsamkeit angesagt. Es bestehe die Gefahr, dass der Patient das Vertrauen in die fachliche Expertise seines Arztes verlieren könnte, wenn dieser zu viel über die Krankheitsgenese wissen will.
Sorgen
Fragen die Behandelnden nach den Sorgen der Patienten, können sie diese meist abmildern und die Behandlung individueller abstimmen. (Bsp.: „Was wäre die schlimmste zahnärzliche Diagnose, die Sie sich vorstellen könnten?“)
Cave: Vorsicht ist bei ängstlichen oder aufgebrachten Patienten geboten. Die Frage könnte zu Angst neigende Gesprächspartner aufschrecken und sie verunsichern. Aufgebrachte Patienten könnte die Nachfrage nach ihrer Verunsicherung verärgern, so dass sie die geplanten Behandlungen ablehnen.
Erwartungen
Im letzten Schritt befassen sich die Behandelnden mit den Erwartungen. (Bsp.: „Was haben Sie sich erhofft, was ich Ihnen heute anbiete?“) Das heißt nicht, dass der (Zahn-)Arzt sich zurücknimmt und dem Patienten die Führung übergibt. Die Fragenden suggerieren ihrem Gegenüber, dass sie ihn ernst nehmen und erleichtern ihm, die angebotene Behandlung anzunehmen.
Cave: Die Behandelnden könnten nun aber auch erfahren, dass sie nie die Erwartungen des Patienten erfüllen können. Doch dieses vermeintliche Scheitern birgt zugleich einen Vorteil: Wer diese Realität frühzeitig erkennt, arbeitet sich nicht mit zahlreichen Behandlungsalternativen an den (unrealistischen) Erwartungen des Patienten ab.
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Wer die ICE-Technik in der Patientenkommunikation anwendet, verursacht womöglich Verspätungen im Terminfahrplan. Dafür werden sich die Patienten in ihren Vorstellungen und Befürchtungen verstanden fühlen und eine umfassendere Betreuung erfahren. Sie werden gerne wieder in diesen „ICE-Zug“ einsteigen und ihn auch potenziellen anderen „Fahrgästen“ weiterempfehlen. |
Quellen
- [1] David Pendleton: „The consultation: an approach to learning and teaching“; Oxford: Oxford University Press; 1984
- [2] Wall, H. ICE in dentistry: a medic‘s perspective. Br Dent J 230, 314‒315 (2021). doi.org/10.1038/s41415-021-2698-4
- [3] „Ideas, Concerns and Expectations (ICE)“ auf Geeky Medics, January 12, 2021, Online-Plattform für die medizinische Ausbildung. iww.de/s5221