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  • · Der Praxisfall

    Freilegung eines retinierten und/oder verlagerten Zahnes und Anbringung orthodontischer Hilfsmittel

    Bild: ©okrasiuk - stock.adobe.com

    | Sollen im Rahmen einer KFO-Behandlung retinierte und/oder verlagerte Zähne in den Kieferbogen eingeordnet werden, so kommt es zur Zusammenarbeit zwischen Kieferorthopäde, Zahnarzt bzw. Oral- oder Kieferchirurg. Eckzähne sind nach den Weisheitszähnen die am zweithäufigsten retinierten Zähne. Sie in den Zahnbogen einzustellen, ist unter anderem aus Gründen der Artikulation und Okklusion angezeigt. Hierzu bedarf es eines chirurgischen Eingriffs. In diesem Beitrag wird anhand eines Beispiels die Vorgehensweise und die Abrechnung der erbrachten Leistungen aufgezeigt. |

    Die Vorgehensweise

    Erfolgt zum regelrechten Zahnwechsel kein Durchbruch der oberen bzw. unteren Eckzähne, dann sollte mittels einer Panoramaschichtaufnahme (PSA) nach der Ursache gesucht werden. Sind ein oder mehrere Zähne angelegt, jedoch retiniert und/oder verlagert, muss ggf. noch eine genauere Lagebestimmung erfolgen. Für die präoperative Planung ist eine verlässliche Aussage über die Position der Zähne unabdingbar. So muss der Operateur vorher davon Kenntnis haben, ob eine vestibuläre oder palatinale bzw. linguale Positionierung vorliegt.

     

    Selbstverständlich ist es auch notwendig, die anatomischen Strukturen bzw. die Situation der benachbarten Zähne in der Umgebung des Operationsfeldes darzustellen. Reicht die erstellte Panoramaschichtaufnahme hierzu nicht aus, kann ggf. eine Oberkiefer- oder Unterkiefer-Aufbissaufnahme erforderlich sein. In komplizierteren Fällen ist die Erstellung einer digitalen Volumentomografie (DVT) erforderlich.

    Die Abrechnung

    Bei der Patientengruppe handelt es sich in der Regel um Kinder oder Jugendliche. Hier steht eine geringe Strahlenbelastung durch die Aufnahmen besonders im Vordergrund. Deshalb sollte aus Gründen der Strahlenreduktion das DVT dem CT vorgezogen werden (siehe § 2 der Röntgenverordnung).

     

    Die Frage, ob ein DVT gemäß § 6 Abs. 1 GOZ als Analogposition berechnet werden kann oder gemäß § 6 Abs. 2 GOZ der Zugriff in den für Zahnärzte geöffneten Teil der GOÄ gewählt werden sollte, ist nicht abschließend geklärt. So empfiehlt die Bundeszahnärztekammer die Abrechnung nach der Ä5370 (Computergesteuerte Tomographie im Kopfbereich). Andere Veröffentlichungen meinen, dass eher die Analogabrechnung gewählt werden sollte. Zur Untermauerung wird das Urteil des OVG Münster vom 29. September 2010 (Az. 6t E 1060/08) herangezogen, in dem ausgeführt wird, dass das DVT Darstellungsmöglichkeiten bietet, die mit einer Computertomographie vergleichbar sind. Es ist daher empfehlenswert, sich bei der Zahnärztekammer zu informieren.

     

    Unstrittig ist, dass DVT-Aufnahmen nur von einem Zahnarzt mit DVT-Fachkundenachweis angefertigt und befundet werden können. CT-Aufnahmen werden dagegen in einem Röntgeninstitut erstellt und durch den Röntgenologen beurteilt.

     

    Bei GKV-Patienten ist der Bereich der GOÄ in der jeweils gültigen Fassung für die GOÄ-Nr. 5370 nicht zugänglich. Hier muss der Zahnarzt mit dem Patienten eine private Vereinbarung gemäß § 4 Abs. 5 BMV-Z bzw. § 7 EKV-Z treffen. Eine Kostenaufstellung mit entsprechender Begründung für die Indikation der Aufnahme sollte vorab erstellt werden und dem Patienten zur Vorlage bei seiner gesetzlichen Krankenversicherung ausgehändigt werden.

     

    Die vorbereitenden Maßnahmen zur Eingliederung solch eines Zahnes in den Zahnbogen erfolgen in der Regel durch den Fachzahnarzt für Kieferorthopädie. Diese bestimmen den Zeitpunkt der chirurgischen Freilegung und die Anbringung von Brackets bzw. Drahtligaturen zur Verbindung mit vorhandenen orthodontischen Hilfsmitteln. Vorab sollte im Rahmen der kieferorthopädischen Therapie genügend Platz für den einzustellenden Zahn geschaffen werden.

     

    Für die chirurgische Freilegung ist die GOZ-Nr. 3260 (Freilegen eines retinierten oder verlagerten Zahnes zur orthopädischen Einstellung) vorgesehen. Zusätzlich kann der OP-Zuschlag 0510 berechnet werden, sofern es sich um die höchste zuschlagsfähige Leistung am Operationstag handelt. Er kann einmal je Operationstag angesetzt werden und wird direkt unter der zuschlagsmöglichen Position abgerechnet.

     

    Wird während des Eingriffs eine Drahtligatur gelegt, kann diese gemäß GOÄ-Nr. 2697 (Anlegen von Drahtligaturen, Drahthäkchen oder dergleichen, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich, als selbstständige Leistung) berechnet werden (siehe dazu auch den Kommentar der BZÄK zur GOZ-Nr. 3260). Hier erscheint die Abrechnungsmöglichkeit „je Frontzahnbereich“ sehr eingeschränkt. Wird in einem operativen Arbeitsgang der palatinale Bereich eröffnet und werden dabei beide Eckzähne freigelegt sowie auf beiden Seiten die Drahtligatur befestigt, so ist es möglich, diese Abrechnungsposition aufgrund der Lage der Zähne auch zweimal zu berechnen. Eventuell holen Sie bei Ihrer zuständigen Zahnärztekammer eine Stellungnahme ein.

     

    Die ädhäsive Befestigung ist nicht beschrieben. Hierfür käme GOZ-Nr. 2197 zum Tragen. Die Materialkosten für die Ligatur sind nach § 10 GOÄ berechenbar.

     

    • Fallbeispiel: Freilegung eines palatinalen retinierten Eckzahns 13 bei mesio-angulärer Verlagerung
    Zahn

    Anz.

    GOZ

    GOÄ

    Leistungsbeschreibung

    Faktor

    Betrag

    1

    5

    Symptombezogene Untersuchung; Begründung: Erhöhter Zeitaufwand aufgrund eingehender Untersuchung und Therapiestellung vor chirurgischem Eingriff

    3,5

    16,32

    1

    5004

    Panoramaschichtaufnahme beider Kiefer

    1,8

    41,97

    1

    5095

    Schädelteile in Spezialprojektion (Aufbissaufnahme)

    1,8

    20,98

    1

    1

    Beratung; Begründung: Erhöhter Zeitaufwand aufgrund eingehender Beratung vor chirurgischem Eingriff

    3,5

    16,32

    11-14

    1

    0080

    Intraorale Oberflächenanästhesie, je Kieferhälfte/Frontzahnbereich

    2,3

    3,88

    11-14

    4

    0090

    Infiltrationsanästhesie; Begründung: chirurgischer Eingriff - Schnittführung

    2,3

    31,04

    Anästhesielösung § 4 (3) GOZ

    13

    1

    3260

    Freilegung eines retinierten oder verlagerten Zahnes zur orthopädischen Einstellung

    2,3

    71,15

    Atraumatisches Nahtmaterial § 4 (3) GOZ

    1

    0510

    OP-Zuschlag gemäß Abschnitt L der GOZ

    1,0

    42,18

    13

    1

    2697

    Anlegen von Drahtligaturen, Drahthäkchen oder dergleichen, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich, als selbstständige Leistung

    2,3

    46,92

    Drahtligatur § 10 GOÄ

    13

    1

    2197

    Adhäsive Befestigung

    2,3

    16,82

    11-14

    1

    3300

    Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff, zum Beispiel Entfernung Tamponade, Wundspülung, Nahtentfernung

    2,3

    8,41

    75

    Ausführlicher schriftlicher Krankheits- und Befundbericht an KFO

    2,3

    17,43

     

     

    Nicht selten ergibt sich bei retinierten Zähnen die Notwendigkeit zur Entfernung einer follikulären Zyste. Hierbei ist zu dokumentieren, ob der Eingriff der Freilegung mittels Osteotomie oder nur durch Aufklappung der bedeckenden Schleimhaut erfolgte. So kann neben der Freilegung die GOZ-Nr. 3190 (Operation einer Zyste durch Zystektomie in Verbindung mit einer Osteotomie oder Wurzelspitzenresektion) berechnet werden. Die Freilegung (GOZ-Nr. 3260) selbst weist nicht zwingend auf eine Osteotomie hin. So ist es denkbar, die GOZ-Nr. 3200 (Operation einer Zyste durch Zystektomie als selbstständige Leistung) zu berechnen.

     

    Die histologische Untersuchung wird durch ein Fachlabor vorgenommen. Das Labor stellt in der Regel Röhrchen mit Formalinlösung zur Verfügung, häufig auch Versandtaschen. Sind diese nicht frankiert, kann das Porto dem Patienten in Rechnung gestellt werden. Die Abrechnung der histologischen Untersuchung wird beim PKV-Patienten direkt durch das Labor vorgenommen. Vergessen Sie trotzdem nicht, dem Labor einen Überweisungsschein mit den Daten des Patienten und dem Untersuchungsauftrag zukommen zulassen. Informieren Sie den Patienten bzw. Zahlungspflichtigen über die Kosten der histologischen Untersuchung.

     

    Die Anwendung eines höheren Steigerungsfaktors aufgrund der anatomisch schwer zugänglichen Stelle in Verbindung mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand ‒ zum Beispiel bei der Anwendung der Säure-Ätz-Technik ‒ durch erheblichen Mehraufwand zur Trockenlegung des Operationsgebiets ist mit entsprechender Begründung möglich. Wird eine Faktorsteigerung über dem 3,5-fachen Satz notwendig, muss vorab mit dem Zahlungspflichtigen eine Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ erfolgen.

     

    Im Unterkiefer ist ein retinierter Zahn seltener. Handelt es sich um einen Prämolaren, so ist wegen der Lage des Zahns zum Nervus alveolaris inferior bzw. Nervus mentalis gegebenenfalls eine DVT-Aufnahme des Unterkiefers angezeigt. Das Risiko einer Nervschädigung ist in einzelnen Fällen nicht auszuschließen, weshalb hier die Aufklärung besonders sorgfältig und ausführlich zu erfolgen hat und sich entsprechend an Patient und Eltern richtet. Als Abrechnungspositionen kommen in Betracht:

     

    • Die GOÄ Nr. 3 (Eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Beratung von mindestens 10 Minuten) ist hier abrechenbar. Beachten Sie aber, dass die Abrechnung eingeschränkt ist. So kann zwar zur gleichen Zeit keine Röntgenaufnahme abgerechnet werden, sehr wohl aber sind unter anderem die GOÄ-Nrn. 5 und 6 oder die GOZ-Nr. 0010 berechenbar. Eine Faktorsteigerung ist aufgrund der eingehenden Beratung des Patienten und der Erziehungsberechtigten vor einem chirurgischen Eingriff möglich.

     

    • In Ausnahmefällen kann auch die GOÄ-Nr. 4 (Erhebung der Fremdanamnese ... und/oder Unterweisung und Führung der Bezugsperson ...) herangezogen werden (siehe Urteil des VG Köln auf Seite 3 dieser Ausgabe). Sie ist einmal je Behandlungsfall, jedoch unter anderem nicht neben der Nr. 34 GOÄ, berechenbar. Die Versicherungen lehnen mit dem Hinweis, dass es sich beispielsweise um Kleinstkinder oder Behinderte handeln muss, die Honorierung oft ab. Es ist daher ratsam, eine Begründung bei der Rechnungserstellung einzufügen (minderjährige Patienten, zum Teil im Kindesalter).

     

    Die Kombination der GOÄ-Nrn. 1 und 4 sollte nur in komplexen Krankheitsfällen und lediglich dann, wenn es sich nicht nur um die Beratung und Unterweisung von Bezugspersonen handelt, abgerechnet werden.

     

    Wenn bei der Freilegung eines Zahnes im Unterkiefer in seltenen Fällen eine Neurolyse (Nervverlagerung) notwendig wird, kann der Zahnarzt bzw. Oralchirurg hierfür nur eine Analogposition gemäß GOZ § 6 Abs. 1 berechnen. Der Zugang zu GOÄ-Positionen aus dem Abschnitt VIII ist nicht möglich. Das gilt selbstverständlich nicht für Kieferchirurgen.

    Die Aufklärung

    Vor jedem operativen Eingriff erfolgt eine Aufklärung über Art und Umfang des Eingriffs, die Risiken sowie mögliche Alternativen. Hier ist bei minderjährigen Patienten darauf zu achten, dass die Eltern bzw. Sorgeberechtigten der Aufklärung beiwohnen und zum operativen Eingriff schriftlich ihre Zustimmung geben. Zur Aufklärung gehört auch eine ausreichende Bedenkzeit. Eine genaue Vorgabe dafür gibt es nicht. Man kann aber davon ausgehen, dass spätestens einen Tag vor geplantem Eingriff die Aufklärung und Einwilligung erfolgen sollte. Gegebenenfalls ist diese auch zu wiederholen und bei sprachunkundigen Personen ein Dolmetscher hinzuzuziehen.

     

    Nach Abschluss der Behandlung erhält der überweisende Kieferorthopäde einen Arztbrief über die vorgenommene medizinische Leistung ‒ auch wenn der Patient nicht zur Weiterbehandlung erschienen ist (siehe dazu auch das Urteil vom Bundesgerichtshofs vom 5. Oktober 1993, Az. VI ZR 237/93). Zur Abrechnung kommt die GOÄ-Nr. 75, Porto ist zusätzlich zu berechnen.

    Quelle: ID 47916076