· Kassenabrechnung
Befundberichte in der GKV ‒ was ist berechenbar?
von Dental-Betriebswirtin Birgit Sayn, ZMV, sayn-rechenart.de
| In letzter Zeit erhalten chirurgisch tätige Zahnarztpraxen vermehrt Rückfragen von Krankenkassen und von Kassenzahnärztlichen Vereinigungen zu abgerechneten Berichten nach BEMA-GOÄ-Nrn. 70 und 75. Häufig geht es dann um den „ausführlichen Befundbericht“ nach Nr. Ä75, dessen Leistungsinhalt vermeintlich nicht erfüllt ist. Tatsächlich fällt die Grenzziehung nicht immer leicht, welche Position berechnungsfähig ist oder nicht. Es gibt also gute Gründe, auf die Abrechnungsbestimmungen sowie die Abgrenzung und die Rechtsprechung einmal einzugehen. |
Die Nrn. 70 und 75 GOÄ
Nach den Allgemeinen Bestimmungen im BEMA gilt, dass zahnärztliche Leistungen, die nicht darin enthalten sind, nach der GOÄ in der jeweils gültigen Fassung bewertet werden. Zur Ermittlung der Bewertungszahl ist für neun GOÄ-Punkte ein BEMA-Punkt anzusetzen (Anlage 1 Abschnitt 2.5.1 BMV-Z). Die Leistungen aus der GOÄ werden mit vierstelligen Gebührennummern abgerechnet. Dafür werden die Nrn. 70 und 75 GOÄ durch eine 7 und eine 0 eingerahmt. Aus der Nr. 70 GOÄ wird die BEMA-Nr. 7700 und aus der Nr. 75 GOÄ die BEMA-Nr. 7750. Die Gebührentexte der beiden Ziffern lauten:
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Kurze Bescheinigung oder kurzes Zeugnis, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (2,3-fach 5,20 Euro) |
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Ausführlicher schriftlicher Krankheits- und Befundbericht (einschließlich Angaben zur Anamnese, zu dem(n) Befund(en), zur epikritischen Bewertung und gegebenenfalls zur Therapie (2,3-fach 15,60 Euro)
Abrechnungsbestimmungen Die Befundmitteilung oder der einfache Befundbericht ist mit der Gebühr für die zugrunde liegende Leistung abgegolten. |
Voraussetzung für die Abrechnung der BEMA-Nr. 7700 ist, dass es sich um eine schriftliche Bescheinigung handelt. In der Leistungsbeschreibung sind die Leistungsinhalte „kurze Bescheinigung“, r„kurzes Zeugnis“ und „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ mit „oder“ verknüpft. Werden daher im zeitlichen Zusammenhang mehrere Bescheinigungen ausgestellt, ist diese Gebührenziffer mehrfach berechenbar. Entstandene Versand- und Portokosten sind nach der EDV-Nr. 602 abrechnungsfähig.
Die einfache Bitte um Vornahme einer Wurzelspitzenresektion oder das Ausstellen von einem Rezept genügt nicht, die BEMA-Nr. 7700 zu berechnen.
Befundmitteilung und einfache Befundberichte
Befundmitteilungen enthalten nur Befunde (z. B. Laborbefunde). Einfache Befundberichte enthalten Angaben zur Beschreibung der Untersuchung und der Befunde, Diagnosen, kurze Anamneseangaben (z. B. akute Symptomatik, Fragestellung, Vorbefunde) sowie ggf. Vorschläge zur Therapie oder zur weiteren Diagnostik (z. B. strahlendiagnostische Leistungen). Sowohl eine Befundmitteilung als auch der einfache Befundbericht sind mit der Gebühr für die zugrunde liegende Leistung (z. B. Extraktion oder Wurzelspitzenresektion) abgegolten. Ein entsprechender Ausschluss findet sich in den Abrechnungsbestimmungen der BEMA-Nr. 7750 (siehe oben).
Ausführlicher Befundbericht nach BEMA-Nr. 7750
Nach der BEMA-Nr. 7750 sind ausführliche schriftliche Krankheits- und Befundberichte abrechnungsfähig. „Ausführlich“ bedeutet, dass weder die Anamnese noch die epikritische Bewertung nur Momentaufnahmen sein dürfen. Der Arztbrief muss vielmehr den Krankheitsverlauf und die Behandlungsschritte abbilden. Dafür sind i. d. R. einige Sätze erforderlich. Auch hier sind entstandene Versand- und Portokosten nach der EDV-Nr. 602 abrechnungsfähig. Bei einer Datenübermittlung per Internet sind die entsprechenden Datenschutz-Anforderungen zu beachten.
Folgende Inhalte sind Voraussetzung für die Berechenbarkeit der Nr. 7750:
- Angaben zur Anamnese: Die Anamnese ist das Hinterfragen der patientenspezifischen Kranken- und Krankheitsvorgeschichte beim Patienten selbst oder einer Bezugsperson. Dabei wird auch abgefragt, ob bereits Fachärzte aufgesucht wurden und/oder Behandlungen erfolgten.
- Befund: Die Schilderung der aktuellen Erkrankung umfasst auch die erhobenen Befunde, wobei Röntgenaufnahmen bzw. ein DVT einbezogen werden.
- Diagnose: Aus den erhobenen Befunden ergibt sich eine Diagnose, die eine Therapie zur Folge haben kann.
- Therapie: Im Krankheits- und Befundbericht wird über die durchgeführte Therapie und den Verlauf der Erkrankung berichtet.
- Epikrise: Die Epikrise ist eine abschließende kritische Beurteilung des Krankheitsverlaufs und eventuell der sich hieraus ableitenden Konsequenzen für die Zukunft. Hierbei können auch weitere Empfehlungen diagnostischer oder therapeutischer Art gemacht werden.
SG Berlin: Anforderungen dürfen nicht überspannt werden
Allerdings dürfen nach Auffassung des Sozialgerichts (SG) Berlin die Anforderungen an den ausführlichen Befundbericht nicht überspannt werden (siehe auch AAZ 05/2017, Seite 2). Im Urteilsfall hatte die KZV Berlin bei einem Zahnarzt anstelle der BEMA-Nr. 7750 die Nr. 7700 angesetzt. Seiner Klage gab das SG in diesem Punkt statt. Laut Auffassung des SG hat die KZV hier ihre Anforderungen ‒ soweit sie allgemein für alle Fälle zur Voraussetzung gemacht werden ‒ zu hoch angesetzt. Dies folge bereits aus der Leistungsbeschreibung der Nr. Ä75, die Angaben zur Therapie lediglich „gegebenenfalls“ fordere. Gerade bei der Abfassung von Befundberichten müsse im Blick behalten werden, dass diese primär der Information des jeweiligen Kollegen dienen und daher auch nicht mit Informationen überfrachtet werden sollten. Dies gelte insbesondere dann, wenn sie für das tatsächliche Krankheitsgeschehen keine Rolle spielen. Der Schwerpunkt des ausführlichen Befundberichts müsse auf einer nachvollziehbaren Befundmitteilung und insbesondere einer epikritischen Bewertung des Befunds liegen. Dies sei vorliegend ‒ gerade noch ‒ erfüllt (Urteil vom 22.02.2017, Az. S 83 KA 333/13, Abruf-Nr. 193296).
Kriterium „Ausführlichkeit“ ‒ ein häufig strittiger Punkt
Strittig ist oftmals das Verlangen nach „Ausführlichkeit“. Allein ein großer Umfang des Befundberichts begründet noch nicht die Abrechnung der BEMA-Nr. 7750, wenn im Wesentlichen ‒ ggf. unter Verwendung standardisierter Textbausteine ‒ befundbezogene oder allgemein gehaltene Aussagen getroffen werden, eine individuelle Bewertung jedoch unterbleibt. Erforderlich ist eine umfassende Beschreibung und Bewertung des bisherigen Krankheitsverlaufs einschließlich erfolgter Behandlungen (Verwaltungsgericht Kassel, Urteil vom 16.05.2012, Az. 1 K 648/11.KS, dejure.org).
Ausführlicher Befundbericht ‒ nur auf Anforderung berechenbar?
Sind ausführliche Krankheits- und Befundberichte nur nach Anforderung berechenbar? Dieses Ansinnen einer Beihilfestelle wurde vom Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt am Main verneint (VG Frankfurt, Urteil vom 24.06.2003, Az. 21 BG 3373/02). Zitat: „Zur gewissenhaften Berufsausübung zählen auch die Behandlungsgrundsätze als vertragliche Nebenpflichten und damit also auch die Pflicht, für die mit- oder weiterbehandelnden Ärzte die erforderlichen Patientenberichte zeitgerecht zu erstellen (HBG § 22, BO § 2 Abs. 3) … Zu den ärztlichen Berufspflichten zählt auch die Pflicht zur zeitnahen Erstellung eines Arztbriefs und dessen Weiterleitung an den nachbehandelnden Arzt.“
Der ausführliche Arztbrief ist daher nicht nur auf Anforderung berechnungsfähig, sondern auch, wenn er zur Kooperation von Ärzten bzw. Zahnärzten untereinander erforderlich ist. Ein solcher Brief könnte z. B. wie folgt gefasst sein:
Musterschreiben / Ausführlicher schriftlicher Befundbericht |
An den behandelnden Kollegen (an die behandelnde Kollegin)
Patient: Max Mustermann, geb.: 01.10.1956 13.10.2020 Sehr geehrte Damen und Herren,
wir bedanken uns für die Überweisung des Patienten Max Mustermann, geb. 01.10.1956.
Anlage: ggf. histologischer Befund |