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  • · Nachricht · Kooperationen mit Dentallabors

    BGH: Bindung an einzelnes Dentallabor nichtig

    | Die vertragliche Verpflichtung einer zahnärztlichen Praxisgemeinschaft, zahntechnische Arbeiten bei einem einzigen Dentallabor anfertigen zu lassen, ist nichtig, wenn hiermit wirtschaftliche Gegenleistungen verbunden sind und somit die zahnärztliche Diagnose- und Therapiefreiheit unangemessen beeinflusst wird. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden ( Urteil vom 23. Februar 2012, Az: I ZR 231/10, Abruf-Nr. 122543 ). |

    Der Fall

    Eine zahnärztliche Praxisgemeinschaft hatte 2001 mit einem Dentallabor einen Kooperationsvertrag geschlossen. Darin verpflichteten sich die Zahnärzte, sämtliche anfallenden Dentalleistungen dort in Auftrag zu geben. Ausgenommen hiervon waren Leistungen, bei denen die Patienten selbst das Labor auswählen wollten. Ausgewiesener Zweck der Kooperation war die fristgerechte Belieferung in „gleichbleibend hoher Qualität“.

     

    Träger des Dentallabors waren die klagende Geschäftsführerin sowie eine GmbH. Deren alleinige Gesellschafterin war eine von den Zahnärzten der Praxisgemeinschaft gegründete AG. Die AG und damit auch die dahinter stehenden Zahnärzte waren am Gewinn des Labors vertraglich beteiligt.

     

    Im Jahr 2005 kündigten die Zahnärzte erstmals den Kooperationsvertrag außerordentlich. Da die Wirksamkeit der Kündigung strittig war, folgten im selben Jahr sowie 2008 weitere außerordentliche Kündigungen. Die Zahnärzte fühlten sich daraufhin nicht mehr an die Vereinbarung gebunden und beauftragten inzwischen andere Denatallabore mit zahntechnischen Arbeiten. Mit der Klage wollte die Geschäftsführerin des Labors die Zahnärzte verpflichten, entsprechende Arbeiten exklusiv bei ihr zu beauftragen.

     

    • Hintergrund: Das Zuweisungsverbot

    Kern der Prüfung des BGH war das sogenannte Zuweisungsverbot. Die Landeszahnärztekammern lehnen sich dabei regelmäßig an die Formulierung aus der Musterberufsordnung (MBO) der Bundeszahnärztekammer an. Dort heißt es in § 2 Absatz 8:

    „Es ist dem Zahnarzt nicht gestattet, für die Zuweisung und Vermittlung von Patienten ein Entgelt zu fordern oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.“

    Zweck dieser Regelung ist der Schutz des Patienteninteresses und die Sicherstellung, dass der Zahnarzt seinen Beruf unabhängig ausübt. Allein ärztliche Gesichtspunkte sollen ihn bei der Auswahl des Zuweisungsempfängers leiten. Dieses Gebot gilt nach Ansicht des BGH auch bei der Auswahl des Dentallabors. Dabei mache es keinen Unterschied, ob es sich um ein praxiseigenes Labor oder - wie im entschiedenen Fall - um ein Fremdlabor handele.

    Die Entscheidung

    Der BGH entschied: Der Kooperationsvertrag ist nichtig. Die Verpflichtung der Zahnärzte, sämtliche Arbeiten beim klagenden Dentallabor in Auftrag zu geben, verstoße gegen das Wettbewerbsrecht (§ 1 UWG) und das im zahnärztlichen Berufsrecht verankerte Zuweisungsverbot. Dieses verbiete eine unsachliche Einflussnahme auf die ärztliche Behandlungstätigkeit und solle eine Entscheidung gegen das Interesse des Patienten verhindern. Die Zahnärzte seien jedoch durch die Kooperation in ihrer ärztlichen Freiheit derart eingeschränkt, dass die Entscheidung, allein das vertraglich gebundene Dentallabor mit zahntechnischen Arbeiten zu beauftragen, nicht mehr allein am Patienteninteresse ausgerichtet sei.

     

    Kooperationsvertrag als Einheit

    Zwar sah der Kooperationsvertrag selbst keine direkte Gegenleistung seitens des Dentallabors für die Beauftragung durch die Zahnärzte der Praxisgemeinschaft vor. Darauf komme es jedoch nicht an, so der BGH. Denn wegen der Gewinnbezugsrechte habe für die Zahnärzte die Möglichkeit bestanden, gesellschaftsrechtlich Einfluss zu nehmen. Solche indirekten Möglichkeiten zur Erlangung einer Gegenleistung reichten aus, um eine unangemessene unsachliche Beeinflussung der ärztlichen Therapie- und Diagnosefreiheit zu vermuten. Die Nichtigkeit umfasse nicht nur die Regelung, die eine Beteiligung der Zahnärzte am Gewinn vorsieht, sondern das gesamte Vertragswerk und damit auch die Pflicht, allein das klagende Dentallabor zu beauftragen.

     

    Ausnahmeklausel für Entscheidung nicht relevant

    Der BGH ließ den Einwand nicht gelten, der Kooperationsvertrag nehme solche Dentalleistungen von der Vergabepflicht aus, bei denen Patienten aktiv die Auswahl des Labors bestimmen möchten. Denn gerade diejenigen, die keine bestimmte Vorstellung von der Auswahl des Labors äußerten, vertrauten auf die ärztliche Unabhängigkeit. Mit seinem Urteil widersprach der BGH dem OLG Düsseldorf als Vorinstanz, das die Zahnärzte verpflichtet hatte, bis zum 30. April 2011 - für dieses Datum sah der Kooperationsvertrag erstmals eine ordentliche Kündigung vor - Dentalleistungen ausschließlich beim Vertragspartner in Auftrag zu geben.

     

    FAZIT | Der BGH setzt mit dem Urteil seine Linie der weiten Auslegung des Begriffs der Zuweisung fort, die er etwa in seinen Entscheidungen zur Kooperation zweier HNO-Ärzte mit einem Hörgerätebetrieb eingeschlagen hatte (Urteile vom 13. Januar 2011, Az: I ZR 111/08 und 112/08, Abruf-Nr. 110686): Den HNO-Ärzten wurde untersagt, ihren Patienten ohne deren ausdrückliche Nachfrage einen bestimmten Leistungserbringer zu empfehlen. Das jetzt vorliegende Urteil erstaunt in anderer Hinsicht: Denn nicht eine Konkurrentin, wie in den Hörgerätefällen, sondern die Zahnärzte selbst hatten sich ja auf die Nichtigkeit einer Kooperationsvereinbarung berufen, welche sie zuvor selbst eingegangen sind.

    Als Zahnarzt sollten Sie nunmehr genau prüfen, welchen Inhalt eine Kooperation mit anderen Leistungserbringern hat. Empfehlungen an Patienten sollten Sie nur dann aussprechen, wenn der Rat mit besonderen Vorteilen für den Patienten verbunden ist. Zudem muss der Patient ausdrücklich nachgefragt haben.

    Quelle: ID 35845190