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  • · Fachbeitrag · Wirtschaftlichkeitsprüfung

    PAR-Richtlinie ist als untergesetzliche Norm verbindlich!

    von RA, FA für MedR und Zahnarzt Dr. Stefan Droste, LL. M., Kanzlei am Ärztehaus, Münster, kanzlei-am-aerztehaus.de

    | Bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit einer Parodontitis-(PAR)-Behandlung ist nicht auf die aktuellste, sondern auf die im Zeitraum der Behandlung gültige Richtlinie abzustellen. Diese ist als untergesetzliche Norm für die Beteiligten verbindlich. Ein Zahnarzt wehrte sich daher erfolglos gegen den Kürzungsbescheid der Krankenkasse (SG Marburg, Urteil vom 12.06.2024, Az. S 12 KA 218/23). |

    Krankenkasse fordert Honorar für PAR-Behandlung zurück

    Die DAK-Gesundheit stellte bei einem Zahnarzt einen Antrag auf Prüfung der Wirtschaftlichkeit der vertragszahnärztlichen Versorgung bei der zuständigen Prüfungsstelle für das Quartal II/2021. Den Antrag begründete sie damit, dass im Behandlungsfall einer Patientin die vertraglichen Regelungen nicht eingehalten worden seien. Entsprechend der seinerzeit gültigen PAR-Richtlinie seien zur Diagnostik Röntgenaufnahmen erforderlich. Diese sollten in der Regel nicht älter als 6 Monate sein. Ihre Feststellungen hätten ergeben, dass im Zeitraum von 18 Monaten vor Ausstellung des Behandlungsplans keine Röntgenaufnahmen zur Abrechnung gebracht worden seien. Daher sei davon auszugehen, dass diese wesentliche Voraussetzung zur Durchführung einer regelgerechten PAR-Behandlung nicht gegeben gewesen sei. Aus diesem Grunde forderte die DAK Gesundheit die Kosten der Behandlung i. H. v. 347,30 Euro zurück.

    Zahnarzt klagt erfolglos gegen den Kürzungsbescheid

    Der behandelnde Zahnarzt trug im Verfahren vor, dass er im streitgegenständlichen Behandlungsfall keine (neuen) Röntgenaufnahmen angefertigt hätte, da er keinen diagnostischen Informationsgewinn und schon gar keine therapierelevanten Informationen erwartet hätte. Eine erfolgreiche erste PAR-Therapie sei bei der Patientin im Jahr 2004 durchgeführt worden. Der Umstand, dass er keine aktuellen Röntgenaufnahmen angefertigt habe, hätte weder auf die Notwendigkeit noch auf die ordnungsgemäße Durchführung der PAR-Therapie Einfluss gehabt. Auch sei nach § 3 Abs. 1 der aktuellen PAR-Richtlinie die Röntgenuntersuchung nur ergänzend und nur dann durchzuführen, wenn eine rechtfertigende Indikation im Sinne des Strahlenschutzrechts vorliegen würde. Ferner würde die einschlägige S3-Leitlinie keine zwingenden Röntgenaufnahmen vorsehen. Das Gericht wies die Klage ab.

    So begründet das Gericht die Klageabweisung

    Das Gericht begründete die Abweisung der Klage des Zahnarztes gegen den Kürzungsbescheid wie folgt:

    Zahnärzte müssen das Wirtschaftlichkeitsgebot § 91 Abs. 6 SGB V befolgen

    Im System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nimmt der an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmende Zahnarzt die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit zahnärztlichen Behandlungsleistungen und unterfällt damit dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Konkretisiert wird das Wirtschaftlichkeitsgebot im Bereich der systematischen PAR-Behandlung gemäß § 91 Abs. 6 Sozialgesetzbuch(SGB) V durch die Richtlinien für die systematische Behandlung von Parodontopathien (PAR-Behandlung).

     

    Für den streitgegenständlichen Fall ist die neue PAR-Richtlinie irrelevant

    Entgegen der Auffassung des Klägers kommt vorliegend nicht die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur systematischen Behandlung von Parodontitis und anderer Parodontalerkrankungen in der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden Fassung zur Anwendung. Diese aktualisierte PAR-Richtlinie ist erst nach Abschluss der streitgegenständlichen Behandlung in Kraft getreten. Eine Rückwirkung der neuen PAR-Richtlinie ist nach Ansicht der Kammer ausgeschlossen. Der Zahnarzt verkenne den Charakter der Richtlinie als untergesetzliche Norm, die in ihrem Geltungszeitraum unter anderem für die Versicherten und Leistungserbringer verbindlich sei. Eine Rückwirkung der aktuellen Richtlinie ist nicht geregelt.

     

    Auch Strahlenschutznormen oder die S3-Leitlinie rechtfertigen keine Unterlassung von Röntgenaufnahmen

    Auch lässt sich nach Auffassung der Kammer eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Anfertigung von Röntgenbildern nicht aus den Normen des Strahlenschutzes oder der S3-Leitlinie ableiten. So stellt das Gericht unmissverständlich klar, dass die vom Zahnarzt aufgeführte S3-Leitlinie im Gegensatz zur PAR-Richtlinie unverbindlich sei. Ferner sei davon auszugehen, dass dem G-BA die aus radiologischen Untersuchungen ergebene Strahlenbelastung bekannt war.

     

    Eine Regelungslücke der PAR-Richtlinie, die durch die (analoge) Anwendung der strahlenschutzrechtlichen Normen geschlossen werden müsste, läge damit nicht vor. Dies auch deshalb, weil die PAR-Richtlinie zwar die Anfertigung von aktuellen Röntgenbildern zur Grundvoraussetzung für Abrechenbarkeit der PAR-Behandlung mache, jedoch durch die Formulierung „in der Regel“ gleichzeitig genügend Raum lasse, um im Einzelfall von der Anfertigung (aktueller) Röntgenbilder abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall müsse aber vom Vertragsarzt ausreichend in seiner Dokumentation begründet werden. Hieran fehle es vorliegend, da der Zahnarzt in seiner ansonsten sehr ausführlichen Dokumentation jegliche Auseinandersetzung mit der grundsätzlichen Notwendigkeit der Anfertigung von Röntgenbildern vermissen ließe.

     

    FAZIT | Die im Behandlungszeitraum jeweils gültige Richtlinie ist verbindlich und bindend. Der behandelnde Zahnarzt hat sich an die dort aufgestellten Anforderungen zu halten. Sollten Richtlinien des G-BA Raum für Abweichungen enthalten, so sind die Gründe hierfür zu dokumentieren. Der Zahnarzt hat es durch eine lückenlose Dokumentation selbst in der Hand, Regresse zu vermeiden.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2024 | Seite 3 | ID 50145451