· Fachbeitrag · Aktuelle Studie
Mehr als 800 Apotheken vermarkten Verblisterung
von Prof. Dr. Thomas Schmid, Apotheker, MBA (Stanford University), Kempten
| Die Zahl der Apotheken in speziellen Versorgungsbereichen wie der Verblisterung ist oft schwer fassbar. Eine Möglichkeit, sie zu erfassen, besteht in der Suche nach für die Verblisterung typischen Begriffen auf deren Websites. In einer Untersuchung wurden so 829 Apotheken identifiziert, die die Verblisterung auf ihrer Internetpräsenz vermarkten. Dabei handelt es sich insbesondere um Apotheken, die das Verblistern als strategischen Geschäftsbereich betrachten. Wer das Blistern nachhaltig und wirtschaftlich betreiben möchte, braucht neben dem Online-Marketing durchdachte Konzepte. |
Apotheken in speziellen Versorgungsbereichen schlecht fassbar
Für die Apotheken stehen zahlreiche spezielle pharmazeutische Versorgungsbereiche offen, die nicht von allen Apotheken, sondern z. T. nur von einer kleinen Anzahl bedient werden. Dazu gehören die Klinik-, Heim- und die Zytostatikaversorgung, aber z. B. auch die spezielle pharmazeutische Versorgung von HIV- und Palliativpatienten sowie die patientenindividuelle Arzneimittelverblisterung. Und obwohl die Verblisterung große Überlappungen mit der Heimversorgung aufweist, ist sie doch mit dieser nicht deckungsgleich, da die verblisternden Apotheken zunehmend auch ambulante Pflegedienste und Selbstzahler als Kunden für die Verblisterung entdecken.
Während es zur Gesamtzahl der Apotheken in Deutschland recht gute und häufig aktualisierte Daten gibt, sind die Strukturen in den speziellen Versorgungsbereichen oft schlecht fassbar. So gibt es z. B. in der Heimversorgung zwar die Pflicht zum Abschluss eines behördlich geprüften Versorgungsvertrags, die eine belastbare zahlenmäßige Erfassung prinzipiell ermöglichen sollte. Die praktische Erhebung fällt dann aber z. B. aufgrund fragmentierter Zuständigkeiten bei den Behörden und fehlender oder fehlerhafter Meldungen der Apotheken an Kammern und Verbände doch oftmals schwer.
Erfassung der verblisternden Apotheken über ihre Websites
Im Rahmen der hier vorgestellten Studie wurde versucht, die verblisternden Apotheken über die Vermarktung der Dienstleistung auf ihren Websites zu erfassen. Dazu wurde eine Adresskartei mit 18.346 Apotheken mit Datenstand Juli 2022 herangezogen, in der für 17.694 Apotheken eine Internetadresse vorhanden war. Nur die Websites dieser Apotheken wurden nach den in der Tabelle enthaltenen, für die Verblisterung typischen 24 Schlagworten durchsucht.
Beachten Sie | Die Begriffe wurden verwendet, weil sie auf Websites von Apotheken vorkamen, von denen bekannt war, dass sie in der Verblisterung aktiv sind. Der Begriff „patientenindividuell“ als alleinstehender Suchbegriff wurde ausgeschlossen, da er in Vorabtests bei vielen Apotheken gefunden wurde, die den Begriff im Kontext von Rezepturen benutzten.
Übersicht / Schlagworte | |
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Nachdem die Treffer zu den Schlagworten von einer PTA validiert und dabei weniger relevante Mehrfachtreffer auf der gleichen Website aussortiert sowie unerwünschte Ergebnisse eliminiert wurden, bei denen z. B. die Suchbegriffe in Gebrauchsinformationen von Fertigarzneimitteln auf Apothekenwebsites vorkamen, verblieben 829 Apotheken, die die Verblisterung auf ihrer Website aktiv vermarkteten.
Ergebnisse reflektieren konzentrierte Marktstrukturen
Tatsächlich gibt es Expertenschätzungen, dass mehrere 1.000 Apotheken in der Verblisterung aktiv sind, indem sie entweder selbst im apothekenüblichen Rahmen nach § 34 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) verblistern oder mit einem Blisterzentrum zusammenarbeiten, das eine Herstellungserlaubnis nach § 13 Arzneimittelgesetz (AMG) besitzt. Dass nur ein Bruchteil dieser Apotheken die Verblisterung aktiv auf ihrer Website vermarktet, lässt sich wohl insbesondere auf die konzentrierten Marktstrukturen in der Verblisterung zurückführen. So wird hier ein Großteil der Versorgung durch wenige Apotheken geleistet. Viele Apotheken, die verblistern, versorgen demnach nur eine kleine Kundenanzahl, also z. B. wenige Heime oder nur ein Heim, und machen damit nur wenige 10.000 Euro Umsatz im Jahr. Sie erachten die Dienstleistung vielleicht nicht als strategisch wichtig genug, um auf der eigenen Website darauf hinzuweisen. Alternative Erklärungen lieferte ein Experte, der im Rahmen der Untersuchung interviewt wurde: Selbst Apotheken mit großem Blistergeschäft vermarkten die Leistung nicht immer auf ihren Websites, weil sie an ihre Kapazitätsgrenze gestoßen sind und das Personal für weiteres Wachstum fehlt oder weil sie gegenüber Wettbewerbern „unter dem Radar“ bleiben wollen.
Nachhaltiges Verblistern muss durchdacht sein
Wer beim Verblistern langfristig erfolgreich sein will, muss zahlreiche strategische Geschäftsentscheidungen treffen, z. B. ob
- manuell, halbautomatisch oder automatisch verblistert,
- mit Schlauch-, Karten- oder Becherblistern gearbeitet,
- selbst verblistert oder ein Blisterzentrum beauftragt
werden soll. Sind die strategischen Weichen gestellt, sind gut definierte Abläufe (z. B. bei Medikationsänderungen), klare Verantwortlichkeiten (z. B. für das Rezeptmanagement) und gut geschultes Personal für den nachhaltigen Erfolg unverzichtbar. Außerdem ist ein Kommunikationskonzept erforderlich, wie den Kunden die Leistung erklärt werden kann (z. B., dass nicht alle Produkte verblistert werden können). Und nicht zuletzt ist ein professionelles Pricing unerlässlich, das den Kundennutzen und die unterschiedliche Zahlungsbereitschaft verschiedener Kundengruppen reflektiert.