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  • · Fachbeitrag · Beratung in der Apotheke

    Beratungswissen auf den Punkt gebracht: die korrekte Entsorgung von Arzneimitteln

    von Apothekerin Anja Hapka, Essen

    | Zum verantwortungsbewussten Umgang mit Arzneimitteln gehört auch die korrekte Entsorgung. Altarzneimittel und Medikamentenreste dürfen keinesfalls in die Toilette, den Abfluss oder die Spüle gelangen. AH versorgt Sie mit Details rund um das Thema Arzneimittelentsorgung. |

    Medikamente in unserer Umwelt: erschreckende Zahlen

    Es lässt sich nicht verhindern, dass ein Großteil der von uns eingenommenen Arzneimittel unverändert mit dem Urin oder mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird. Was wir jedoch beeinflussen können, ist die korrekte Entsorgung von Altmedikamenten und Medikamentenresten. Laut einer Broschüre des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gaben bei einer Umfrage des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) im Jahr 2013 in Deutschland 47 Prozent der Befragten an, dass sie flüssige Arzneimittel zumindest gelegentlich über das Abwasser entsorgen. Im Jahr 2015 waren dies nach dem Schlussbericht zum Projekt TransRisk des ISOE immer noch 20 bis 45 Prozent der Bevölkerung.

     

    Das Problem ist demnach seit einigen Jahren bekannt und viele Institutionen arbeiten mit Hochdruck daran, diese Zahlen konsequent zu verringern. Leider tragen jedoch immer noch sehr viele Menschen durch ihr falsches Verhalten zur Ökotoxizität von Arzneimitteln bei. Hier kommt der Apotheke eine wichtige Beratungsfunktion zu, damit die diversen Wirkstoffe in Zukunft nicht mehr über die Kanalisation in die Kläranlage und von dort aus in unsere Gewässer gelangen.

    Arzneistoffe in Gewässern und ihre Auswirkungen

    Die Bewirtschaftung der Gewässer liegt in Deutschland in den Händen des jeweiligen Bundeslands. Deutschlandweit existieren knapp 9.500 Kläranlagen verschiedener Größe, die mithilfe mehrerer Reinigungsstufen die im Wasser befindlichen Medikamentenwirkstoffe entfernen. Je nach Wirkstoff ist dies unterschiedlich aufwendig. Es gelingt jedoch nie, alle im Abwasser befindlichen Substanzen vollständig zurückzuhalten oder zu filtern. Daher gelangen immer Reste von Arzneistoffen mit dem Kläranlagenablauf in unsere Gewässer. Die Länder überprüfen regelmäßig die Gewässerzustände und entscheiden vor Ort, ob eine Nachrüstung von Kläranlagen notwendig ist.

     

    In Deutschland existiert noch kein gezieltes Monitoring, jedoch wurden der Broschüre „Gib der Natur nicht den Rest“ des BMUV aus dem Jahr 2020 zufolge mittlerweile knapp 270 verschiedene Arzneistoffe in deutschen Gewässern, Böden, im Grundwasser und vereinzelt sogar schon in geringsten Konzentrationen im Trinkwasser(!) nachgewiesen. Mithilfe von Forschungsprojekten konnten bereits alle wichtigen Arzneiwirkstoffklassen in der Umwelt gefunden werden. Auffallend häufig waren dabei diese Arzneistoffe bzw. Wirkstoffgruppen: jodierte Röntgenkontrastmittel, Carbamazepin, Diclofenac, Sulfamethoxazol, Lipidsenker, Betablocker, synthetische Hormone.

     

    Nach dem derzeitigen Wissensstand besteht noch kein Risiko für die menschliche Gesundheit, da die gemessenen Wirkstoffkonzentrationen unterhalb der therapeutischen Dosen liegen. Jedoch nehmen Wasserorganismen die Arzneistoffe über ihre Haut und ihre Schleimhäute auf. Diese können in der Folge deren Organe schädigen und sogar die Fortpflanzung negativ beeinflussen. Die folgende Tabelle zeigt ein paar bereits gut erforschte Beispiele, wozu Arzneistoffe in Gewässern führen können:

     

    • Folgen von Arzneistoffen in Gewässern

    Antibiotika

    Verlangsamtes Wachstum von Umweltbakterien und Algen

    Antidiabetika

    Verweiblichung von Fischen

    Antiepileptika

    Entwicklungsverzögerung bei Fischen und Einschränkung der Fortpflanzung wirbelloser Tiere

    Analgetika

    Organschädigung bei Fischen

    Antihypertensiva

    Störung der Fortpflanzung bei Wasserinsekten

    Synthetische Hormone

    Beeinflussung der Fortpflanzung von Fischen bereits in sehr niedrigen Konzentrationen

    Diclofenac

    Leber- und Nierenschäden bei Geiern und Regenbogenforellen

     

    Umweltrisikobewertung bei der Zulassung von Medikamenten

    Seit 2006 wird bei der Zulassung von Medikamenten eine Umweltrisikobewertung durchgeführt. Sollte diese negativ ausfallen, wird die Zulassung i. d. R. dennoch nicht versagt, da niemandem ein wirksames Arzneimittel vorenthalten werden soll. Es werden jedoch wichtige Daten gewonnen, die wiederum sehr entscheidend für den Gewässerschutz sind.

     

    Ein wenig anders sieht die Sache bei der Zulassung von Tierarzneimitteln aus. Tierarzneimittel, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, werden von den Tieren über Urin und Kot wieder ausgeschieden und gelangen auf diesem natürlichen Weg auf die Weiden. Über die Düngung mit Gülle gelangen die Wirkstoffe jedoch zusätzlich noch auf die Felder. Von dort aus sickern die Wirkstoffe in das Grundwasser oder werden durch Starkregen direkt in unsere Gewässer gespült. Bei der Zulassung von Tierarzneimitteln wird daher schon seit 1998 eine Umweltrisikobewertung durchgeführt. Fällt diese negativ aus, kann hier die Marktzulassung aus Gründen des Umweltschutzes verweigert werden.

    Die korrekte Entsorgung von Medikamenten

    In vielen Städten und Gemeinden können Altmedikamente einfach über die Restmülltonne entsorgt werden, an einigen Wohnorten ist dies nur über Schadstoffmobile oder Recyclinghöfe erlaubt. Außerdem beteiligen sich viele Apotheken freiwillig an der Rücknahme von Altmedikamenten, obwohl sie rechtlich nicht dazu verpflichtet sind. Da dies auf kommunaler Ebene überall unterschiedlich geregelt ist, gibt es auf der Website arzneimittelentsorgung.de des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) die Möglichkeit, sich darüber zu informieren, wie die umweltschonende Entsorgung von Medikamenten in einem bestimmten Bezirk konkret gehandhabt wird. Darüber hinaus sollten die Rückgabemöglichkeiten für sehr spezielle Arzneimittel (wie z. B. Krebsmedikamente) stets beim Arzt, in der Apotheke oder bei dem lokalen Abfallentsorger erfragt werden.

    Entsorgung über den Hausmüll

    Altarzneimittel gehören zum sogenannten Siedlungsabfall. Darunter versteht man Abfälle aus privaten Haushalten und vergleichbaren Einrichtungen (wie z. B. Arztpraxen). Für die Entsorgung des Hausmülls ist ausschließlich der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger zuständig, i. d. R. also die Kommune.

     

    Entgegen oft geäußerter Bedenken ist die Entsorgung von Altarzneimitteln über die Reststofftonne ein sehr sicherer Entsorgungsweg. Seit dem 01.06.2005 wird der Siedlungsabfall vor der Lagerung in Deponien zuerst in Müllverbrennungsanlagen verbrannt oder einer speziellen Vorbehandlung unterzogen. Durch diese beiden Schritte können die ggf. noch in den Altarzneimitteln enthaltenen Schadstoffe weitestgehend inaktiviert oder sogar zerstört werden. Deponien stellen durch aufwendige Abdichtungssysteme und die vollständige Erfassung von Sickerwasser sicher, dass noch vorhandene Schadstoffe aufgehalten werden und somit nicht ins Grundwasser gelangen können.

     

    PRAXISTIPPS | Braunglasflaschen, in denen sich noch Reste von flüssigen Arzneiformen (wie z. B. Säften oder Tropfen) befinden, sollten keinesfalls ausgespült und ins Altglas gegeben werden. Sie gehören nicht ausgespült in den Restmüll.

     

    Eine Gefährdung anderer (vor allem auch von Kindern und Haustieren) und die Möglichkeit des Arzneimittelmissbrauchs durch die Wiedergewinnung der Arzneimittel müssen bei der Entsorgung ausgeschlossen sein. Medikamente sollten daher nicht sichtbar, ggf. zusätzlich sicher verpackt, am besten weit unten in der Mülltonne entsorgt und selbige sollte erst kurz vor der Abholung an die Straße gestellt werden.

     

    Ein besonderer Beratungshinweis für Ihre Patienten

    Nach oraler Aufnahme wird Diclofenac zu einem großen Teil verstoffwechselt, nach topischer Anwendung gelangt es hingegen verstärkt in das Abwasser und mit dem Kläranlagenablauf in unsere Gewässer. Patienten, die Diclofenac topisch anwenden, sollten daher in der Apotheke darauf hingewiesen werden, immer nur die zur Behandlung nötige Menge zu entnehmen und aufzutragen. Direkt nach dem Auftragen auf die Haut sollten die Hände zunächst mit einem Tuch abgewischt werden, das im Restmüll zu entsorgen ist. Erst danach dürfen die Hände gewaschen werden! Außerdem sollte nach dem Einreiben mit Diclofenac immer eine ausreichende Einwirkzeit abgewartet werden, bis man unter die Dusche oder in die Badewanne geht.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2022 | Seite 2 | ID 48308991